Start

Seit 25 Ausgaben muß der Mainstream:

Mit Gigi leben

Mit einer Lüge und einem Superlativ kündigte ein Schwundblatt Ende April seine Mai-Ausgabe an: „Mit dem hinnerk-Magazin wurde erstmals ein überregionales Medium ...“ vorgegaukelt – und das „journalistisch anspruchsvollste Monatsmagazin für schwule Männer in Deutschland“ dazu. „Das schwule Magazin im Norden“ war nie mehr als ein Provinzblatt, dessen Norden ständig schrumpfte. Zuletzt verschwand der Regionalteil Bremen/Oldenburg; Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sollen mal vorgekommen sein. Faktisch ein Stadtblatt für Hamburg und Hannover, soll nun auch die Kanzlerstadt wackeln. „In wirtschaftlich turbulenten Zeiten“ sei laut Mai-Editorial „auch hinnerk gezwungen, seine Kosten zu überprüfen und zu korrigieren“. Logisch. „Das bedeutet natürlich Veränderungen in der Personalstruktur. In Verbindung mit Differenzen über die zukünftige inhatliche Ausrichtung des Heftes hat sich der Verlag vom bisherigen Chefredakteur Jörg Rowohlt getrennt.“ Das ist betriebswirtschaftlicher Unsinn, zumal man keinen entläßt, dem man folgendes Zeugnis nachruft: „Jörg Rowohlt hat seit September 2000 das inhaltliche Profil von hinnerk bestimmt. Dabei standen für Jörg im Mittelpunkt seiner Tätigkeit die Prinzipien journalistischer Glaubwürdigkeit: Journalismus für die Leser, redaktionelle Unabhängigkeit und, wo nötig, kritische Distanz auch gegenüber der Community.“ Rowohlt stand jeder weiteren regionalen, vor allem aber journalistischen Reduzierung auf szeneübliches Niveau im Wege. Die neue Blattlinie: unsere Lieblingseisdielen in Hamburg und kaum Politik. Wer verzapft sowas? „Ab sofort übernimmt Peter Goebel als hinnerk-Herausgeber die Position des Chefredakteurs, stellvertretender Chefredakteur ist ab jetzt Stefan Mielchen“, der nach seiner Ablösung als Hauptschriftleiter der Eurogay Media AG bei hinnerk angeschwemmt wurde.

Apropos. „Oft kommt es anders, als erwartet. Diese Erfahrung mußte zuletzt auch die Gegenpol-Redaktion machen, als die Pläne für eine enge Kooperation mit dem eurogay magazin, dem Nachfolger von Queer, gescheitert sind. Eurogay wird nach Verlagsangaben bereits ab April aus Kostengründen die Ostausgabe ersatzlos einstellen und sich aus dem Verbreitungsgebiet zurückziehen. Damit ist auch das Projekt für ein gemeinsames Magazin vom Tisch, obwohl bereits detaillierte Planungen der Zusammenarbeit angelaufen waren“, klagt im April-Editorial des in Dresden erscheinenden „SchwuLesbischen Monatsmagazins aus Sachsen“ Chefredakteur Myrko Zobel. „So wird nach der geplatzten Kooperation auch unser Magazin weiterhin auf ziemlich wackligen Füßen stehen.“ Und zwar so wackligen, daß Zobel gegenüber Gigi alle Detailauskünfte verweigerte: „Fakt ist, daß die Zusammenarbeit mit dem eurogay magazin für ein regionales gemeinsames Mantelmagazin-Konzept, welches weiterhin unter dem Titel Gegenpol erscheinen sollte, nicht zustande gekommen ist. Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen.“

Eigentlich doch: „Mit gleich drei Abmahnungen versucht Eurogay-Vorstand Hendrik Knopp gaywinner mundtot zu machen. In dem Artikel ‘eurogay magazin am Ende?’ war von Erkenntnissen des wissenschaftlich-humanitären komitees (whk) über ein baldiges Ende des erst kürzlich neu aufgelegten schwulen Anzeigenblättchens berichtet worden“, schreibt am 22. April gaywinner-Redakteur Thomas Meinert. „Gleich drei Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen soll gaywinner-Verantwortlicher Juliaan B. Schnitter unterschreiben. Mit deftigen Kostennoten versehen, will Hendrik Knopp ... abkassieren. Unwahr und rechtswidrig seien die Behauptungen, daß das eurogay magazin im Mai wohl zum letzten Mal erscheine, der Vorstand Hendrik Knopp eine Aussage über diesen Bereich gegenüber der Zeitschrift Gigi abgegeben habe,“ was er genau am 10. April tat, „das Queer Magazin nach dem Konkurs übernommen wurde, die Besucher des Portals fast einstimmig behaupten, daß es um das Magazin nicht schade sei, der Bürgerschaftsabgeordnete Farid Müller bei Eurogay angestellt oder für das Marketing zuständig war oder ist ...“ Da hatte der Grüne Farid Müller von all seinen Websites schon hastig den Satz getilgt: „Er arbeitet im Marketing der Eurogay Media AG, Deutschlands größtem schwulen Medienhaus.“ Tage später steht im Mai-Heft: „Dies ist die vorerst letzte Ausgabe des eurogay magazins, die in Köln produziert wurde ... Die Hamburger Redaktion wird das Magazin – zunächst mit einer Ausgabe für Norddeutschland – weiterführen und perspektivisch auch wieder an einer Verbreitung im gesamten Bundesgebiet arbeiten.“ Gezeichnet: Hendrik Knopp, Vorstand Content & IT.

Zeitgleich verheißt am von EuroQueer befreiten Standort die Nullnummer (ein treffender Begriff) von UP-TOWN „einen Monat schwules Köln“. Das Layout paßt zum vernichtenden Geständnis: „Wir haben eine Mischung aus Informationen und Bildern zusammengestellt.“ Man wolle ein lokales rik-Monopol verhindern; „Köln braucht UP-TOWN“. Das Impressum nennt als Herausgeber „Herbst Medien, Norbertstr. 2-4, 50670 Köln“. Alleinredakteur und Anzeigenleiter Dennis Herbst ist als Vorstand des Emanzipation e.V. fest in den Kölschen Homoklüngel integriert, zumal als Sales- und Marketing-Verantwortlicher bei der Mattei Medien GmbH. Firmensitz: Norbertstraße 2-4, 50670 Köln. Produktname: rik. Verstanden?

Im Mai wurde in Berlin eine gegenüber April um 16 Seiten geschrumpelte Siegessäule verteilt – mit billiger DDR-Heftung („Durch Den Rücken“) statt edler Klebebindung und auffällig weniger Anzeigen: nur drei ganzseitige, kein Markenartikler. Und das, nachdem eben erst eurogay magazin und gip aufgaben und nur noch Sergej mit vom Homo-Werbekuchen abbeißt.

Soviel von dem Markt, dem sich Gigi seit nunmehr 25 Ausgaben glücklich entzieht.

Derweil kriselt’s auch im Heimatverein der Homojournaille. Unlängst ersuchte der BLSJ-Vorstand die offenbar vielen Karteileichen um Austritt bis 17. Mai. Laut Satzung müssen zu Versammlungen 20 Prozent der Mitglieder kommen, um beschlußfähig zu sein. Auflösungstendenzen? Ach was! Hätte man sonst die 1000 Euro Preisgeld für den noblen Felix-Rexhausen-JournalistInnen-Preis 2003 bei der Homosexuellen Selbsthilfe beantragt? Die lehnte den Antrag empört ab.

Aber wir wollen nicht undankbar sein. Immerhin war es eine vom BLSJ beauftragte Jury, die Gigi 2001 attestierte, was hinnerk sich 2003, siehe oben, selbst bescheinigen mußte

Eike Stedefeldt