Schizophrenie
als Programm
Der aberwitzige Einsatz für die Homo-Ehe und ihre minderwertigen Ableger
ist vor allem mit dem Konservatismus und dem unbewältigten Coming out
ihrer bürgerlichen Vorkämpfer zu erklären. Von Eike Stedefeldt
"Emanzipation
ist eindeutiges Bekenntnis zum Anderssein, ist Distanz zur heterosexuellen
Norm in allen ihren Varianten. Reale Ausdrucksformen schwulen Lebens, die
signifikant sind, wie offene und feste Partnerschaft zwischen Männern,
Abenteuersexualität, Klappensexualität, anonymer Sex, Verletzung
der Männlichkeitsnorm (Tuntigsein), sind zu benennen und zu bekennen.
Es ist sinnlos, der Gesellschaft das von ihr oft zum Vorurteil vergröberte
Andere in der Unterordnung unter heterosexuelle Normen zu verbergen (...)
Es ist notwendig, die Rolle patriarchalisch-heterosexueller Zwangsnormen bei
der Formung des vorherrschenden homosexuellen Lebensstils deutlich zu machen.
Daraus wird eine grundsätzliche Kritik der gegenwärtigen Sexual-,
Ehe- und Familienpolitik abzuleiten sein. Denn eine Integrationspolitik, die
die Anpassung der Schwulen und ihre Einbindung in heterosexuelle Partnerschaftsvorstellungen
betreibt und deren normative Institutionen als für Schwule tauglich und
erstrebenswert darstellt (...) führt zu einer Heterosexualisierung der
schwulen Minderheit und entlarvt sich als weiteres Instrument der Unterdrückung.
Die emanzipatorische Aufgabe der Schwulenbewegung wird im Gegenteil darin
bestehen, am Beispiel unserer Minderheit die Vielfalt der Sexualitäten
aufzuzeigen, den kultur- und gesellschaftskritischen, teilweise utopischen
Gehalt schwuler Lebensformen herauszustellen und den Stolz auf diese Vielfalt
unter uns zu fördern."
In den Farben der DDR
Wer würde glauben, dass diese beinahe revolutionäre Sentenz dem
ersten Dokument des heutigen Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland
(LSVD) entnommen ist! Aber gemach, die schwulen Bürgerrechtler aus der
siechen DDR verhalfen der politischen Schizophrenie schon am 18. Februar 1990
zur Geltung, indem sie gleichermaßen die Homo-Ehe ins Gründungsprogramm
des SVD schrieben: "Rechtliche Gleichstellung schwuler Männer und
ihrer Partnerschaften in allen Bereichen des öffentlichen und privaten
Lebens mit Heterosexuellen" hieß es im Forderungskatalog.
Die Bewusstseinsspaltung, die bereits in dem zum Motto erhobenen Antagonismus
"Emanzipation Partizipation Integration" Widerhall
fand, hat der Verband seitdem in alle Bereiche seines Handelns ausgedehnt.
Sollte diese amtlich registrierte Körperschaft mitsamt ihren personell,
organisatorisch, räumlich oder inhaltlich angeschlossenen Anstalten
etwa den Zeitungen Gay Express und Queer, den Arbeitsgemeinschaften schwuler
und lesbischer Paare sowie schwuler Juristen, den Gay Managern, den Lesben
und Schwulen in der Union etc. tatsächlich die Fortsetzung der
traditionellen Schwulenbewegungen sein, für die sie sich ausgibt, dann
muss sie sich vor allem von einem emanzipiert haben: ihrem intellektuellen
Potential bzw. dessen Einfluss.
So treten einem beim LSVD bestenfalls noch kleinbürgerlich sozialisierte
Berufspolitiker, Beamte, Staats- und Rechtsanwälte, Vorstandsmitglieder,
Parlamentspersonal und Parteikader entgegen kurz: all jenes üble
Volk, das zusammenzuschweißen es keiner fortschrittlichen Idee, sondern
einzig der Paragraphen des deutschen Vereinsgesetzes bedarf. Bei vielen Homo-Ehe-Protagonisten
beschleichen einen zudem Zweifel daran, dass sie jemals ihre aus homophilen
Neigungen herrührenden Minderwertigkeitskomplexe überwunden haben.
Ihnen geht es um irgendeine Form der Anerkennung, zumeist vor dem eigenen
familiären Umfeld. Die Sanktionierung ihrer Partnerschaften betrachten
sie als amtliches Gütesiegel: "Staatlich geprüft und für
normal befunden."
Wut, Erstaunen, Mitleid
Vielfach ist solch armseligen Kontrahenten schon die gewöhnliche Terminologie
einer gesellschaftspolitischen Debatte fremd, von den Inhalten ganz zu schweigen.
Tritt man mit ihnen in einen halbwegs freundlichen Diskurs, so sieht man sich
hin- und hergerissen zwischen Wut, Erstaunen und aufrichtigem Mitleid. Denn
zumeist und das begründet das Mitleidsgefühl drängt
sich schnell die Erkenntnis auf, dass ihnen nicht mal die simple Trennung
zwischen individueller und struktureller Ebene mehr gelingt. Beispielhaft
dafür ist der Auszug aus einer Aussprache im Deutschen Bundestag vom
Oktober 1996 über einen Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen
zur Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare. Dieser, so die Abgeordnete
Christina Schenk, ignoriere "komplett die feministische Kritik an der
hiesigen Form der Institution Ehe. Es wird einfach übergangen, dass in
der Bundesrepublik Deutschland die an die Ehe gekoppelten Rechte die Existenzform
eines geschlechtshierarchischen Herrschaftsmodells zwar nicht erzwingen, aber
fördern, nämlich die Hausfrauenehe." Zwischenruf des homophilen
Bündnisgrünen und obersten Schwulenverbändlers Volker Beck:
"Das kann bei homosexuellen Paaren schlechterdings nicht der Fall sein!"
Und dieser Mann hat Abitur.
Die Wut ergibt sich aus der schlimmen Gewissheit, dass solche Opportunisten
die Macht zumindest zeitweise auf ihrer Seite haben: Herrschaft argumentiert
tendenziell volkstümlich, im konkreten Falle privatistisch; sie propagiert
stets einfache, auch für den Dümmsten noch einsichtige Modelle,
und Homosexuelle mit dem Gespür für die Macht tun's ihnen instinktiv
nach. "Täglich landen Dutzende Briefe von schwulen und lesbischen
Paaren auf meinem Tisch, die von Diskriminierungen berichten", sagte
Beck beispielsweise am 8. September 1998 auf einer Wahlkampfveranstaltung
in der Berliner Kneipe Stiller Don, um daraus nichts anderes als "dringenden
Handlungsbedarf" für die Homo-Ehe abzuleiten. Es wäre illusionär,
mehr als diese gedankliche Meisterleistung von einem Schwulenpolitiker zu
erwarten, für den die Termini Patriarchat und Sexismus Propagandahülsen
einiger "Ewiggestriger" sind. "Die Ehe", so wiegelte Beck
Einwände ab, "hat absolut nichts mit Sexualität oder der staatskonformen
Ordnung von Sexualverhältnissen zu tun". Millionen Frauen, die für
"ihre" Männer sexuell allzeit verfügbar, weil wirtschaftlich
abhängig sind, strafen der schmalspurige "Rechtsexperte" und
sein getreues Bürgerliches Gesetzbuch lügen, wenn's ihm passt. Um
seinen Blödsinn voll auszukosten gedenke man der zahlreichen Ehen, die
an "sexueller Untreue" scheitern.
Gegen solche konsequente Verdummung der Massen können Abstraktionsvermögen
und besseres Wissen wenig ausrichten. Dass man gezwungen ist, die eigene Freiheit
von der bisher Heterosexuellen vorbehaltenen Wahl zwischen Pest und Cholera
gegen die Gesinnungslumperei eines reichlich unangenehmen Typus' Homosexueller
zu verteidigen, ist freilich ein böser Scherz. Von einigem Unterhaltungswert
ist hingegen, dass Vater Staat seinen homophilen Speichelleckern letztlich
nie das beschert, was sie meinen, von ihm als Dank für ihre Kniefälle
erwarten zu dürfen. Keine Partei, die an der Macht zu bleiben oder sie
ernsthaft zu erlangen trachtet (und andere sind bisher nicht bekannt geworden),
wird je für die paar Perversen das "gesunde Volksempfinden",
das stramm heterosexuell konstituierte Gefühl für Sitte und Moral
zu brüskieren wagen.
Wenn man das alles vorher weiß, kann man sich entspannt zurücklehnen
und in der Farce um die Homo-Ehe die mit Sicherheit eintreffenden Pointen
abwarten. Etwa die zu Tränen rührende Empörung über jeden
neuen Gesetzentwurf zur Homo-Ehe.
In den Farben der BRD
"Einen Schwulenverband für Emanzipation und Menschenrechte gründen"
schlug ein junger Mensch namens Volker Beck am 28. Oktober 1988 auf der Mitgliederversammlung
des Bundesverbandes Homosexualität (BVH) vor, der ihm als ein solcher
offenbar nicht genügte. Das krause Elaborat unter dem mitreißenden
Titel "Mehrheiten organisieren! Den Belagerungsring durchbrechen!"
wies bereits dieselbe politische Schizophrenie auf wie das spätere Gründungsdokument
des ostdeutschen SVD: "Einerseits kommen wir aus einer emanzipationspolitischen
Tradition und lehnen daher integrationistische Politikansätze ab, andererseits
wollen wir aber auch die immanenten Widersprüche des Systems für
eine Ausdehnung von Freiheit und Emanzipation nutzen."
Hat's jemand kapiert? Es soll sich um die Charakteristik "der politischen
Ausrichtung unserer Politik" handeln. Konkreter wurde der Verfasser leider
nicht, aber offenkundig missfiel ihm, "dass wir immer wieder auf unseren
Mitgliederversammlungen politische Linien und Positionen vorschlagen, bei
denen die Gegenseite nichts zu bieten hat". Indem Beck das "Eingreifen
in gesellschaftliche Entwicklung statt Fundamentalopposition" zum eigenen
Credo und zu dem des Schwulenverbandes erhob, wurden beide zum integralen
Bestandteil "der Gegenseite". Denn was ist es, das "die Gegenseite"
einem emanzipierten Menschen jenseits gediegenen Desinteresses Erstrebenswertes
zu bieten hätte? Nichts.
Einem Unemanzipierten hingegen schon: Der geht den konservativen Gegner ja
nicht deshalb an, weil dieser sein falsches Konzept hat mit aller Kraft zu
bewahren gedenkt. Der Unemanzipierte nervt den Konservativen, weil er selbst
dessen Konzept verinnerlicht hat, der Konservative ihn aber trotz seiner grotesken
Beteuerungen "Wir sind doch wie ihr!" nicht mit sich selbst "gleichstellt".
Allein das ist es, was larmoyante schwule Bürgerrechtler als "Diskriminierung
aufgrund der sexuellen Orientierung" beklagen. Was wiederum voraussetzt,
dass sie auf die Achtung solcher Leute, auf die "Gleichheit" vor
deren Gesetz wert legen und vor ihren kritischen Augen ehrbar und respektabel
erscheinen möchten.
Wer mit ihnen "gleichgestellt" sein will, spürt selbstverständlich
auch die Pflicht, den Konservativen etwas Lukratives zu bieten. Und so verraten
unsere homophilen Bürgerkinder nicht nur die Wahlfreiheit der Lebensweise
für die eigene Gruppe, sondern denunzieren zusätzlich jene Heterosexuellen,
die sich ebenfalls nicht den althergebrachten Regeln von Vater Staat und Mutter
Kirche unterordnen wollen. Für gewöhnlich kommt dann solche jämmerliche
Prosa heraus: "Wir verlangen für uns die Möglichkeit, rechtlich
voll gültige Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaften einzugehen.
Insofern kann man schwule und lesbische Lebensgemeinschaften mit nichtehelichen
Lebensgemeinschaften auch nicht über einen Kamm scheren. Diese haben
sich gegen ein verbindliches Zusammenleben in der Ehe mit allen familienrechtlichen
Konsequenzen entschieden. Viele schwule und lesbische Paare streben diese
Verbindlichkeit aber gerade an." Weil nämlich, so der Klartext
dieses LSVD-Appells an die "Lieben Delegierten lesbischen Paare"
saubere, gepflegte, verbindliche also verlässliche Bürger
sind und nicht solche Schweine, die wild miteinander geschlechtsverkehren,
ohne dass der Staat oder sonstige Vertreter eines höheren Wesens ihren
Segen und Erlaubnis, Stempel und Unterschrift zu derlei "lasterhaftem
Treiben" erteilt haben.
Liebe CDU ...
Das Beispiel illustriert, dass Homosexualität keineswegs ausschließt,
sich individuell oder organisiert mit dem politischen Gegner zu identifizieren,
seine Normen, Werte und Gesetze als Optimum zu setzen und das eigene Sinnen
und Trachten daran auszurichten. Das Vorgefundene konsequent in Frage zu stellen,
hätte ein Rückgrat verlangt, mit dem ein Volker Beck in so bedauernswert
geringem Maße ausgestattet war, dass er sich bald an den Katzentischen
der Macht höhere Weihen als geachteter Rechtspolitiker zuzog. Katalysator
dieses nur auf den ersten Blick rein privaten Prozesses war das Thema Homo-Ehe.
Schließlich war das endlich eine "Linie", wo "die Gegenseite"
was zu bieten hatte. Damit kannten die Heterosexuellen in seiner Partei, die
als solche nie eine linke war, sich aus. Da wussten sie, wovon man spricht.
Und es gefiel, weil es sie nicht länger in den Ruch des Schmutzigen,
Unschicklichen brachte, auch den biederen Schwulen. Endlich war da einer,
der nicht immerzu am Beispiel "offener und fester Partnerschaft zwischen
Männern, Abenteuersexualität, Klappensexualität, anonymem Sex,
Verletzung der Männlichkeitsnorm (Tuntigsein)" die "Vielfalt
der Sexualitäten aufzeigen, den kultur- und gesellschaftskritischen,
teilweise utopischen Gehalt schwuler Lebensformen herausstellen" wollte.
Wen interessierte denn das in der zur Macht strebenden Partei und ihrer Wählerschaft
wirklich? Aber Ehe, davon hatte jeder schon gehört, das war etwas Reines,
Romantisches, da konnte jede/r mitreden. Oder mit den rührenden Worten
des späteren Bundestagsabgeordneten Beck: "Es geht auch um Gefühl
und darum, dass eine Heirat ebenso eine stolze Demonstration ist, ein selbstbewusstes
Zeigen: Hier gehören zwei Menschen zusammen, die füreinander einstehen
wollen." Drapiert mit "Gefühl" und "Liebe",
"Stolz" und "Respekt" und all den anderen Abstrakta aus
den vorpolitischen Sphären ließ sich das Projekt "Homo-Ehe"
viel leichter "kommunizieren" als zum Beispiel "Freie Liebe"
mit ihren so konkreten Begriffen wie "Analverkehr" oder "Klappensex".
Wer von "der Gegenseite" etwas will, muss freilich "Kröten
schlucken". Natürlich nannten das kleine grüne Politmenschen
wie schon vor hundert Jahren kleine rote nicht Prinzipienlosigkeit, sondern
"Realpolitik". Vor allem darf unseren toleranten Heterosexuellen
nichts abhanden kommen von dem, was ihnen bisher allein vorbehalten ist. "Die
rechtliche Anerkennung unserer Lebensgemeinschaften nimmt niemandem etwas
weg. Im Gegenteil: Sie bestärkt Werte wie Verantwortung und Solidarität,
deren Schwinden oftmals beklagt wird", schrieb der LSVD im schon zitierten,
vom 13. Dezember 1999 datierenden offenen Brief an die "Lieben Delegierten
des kleinen Parteitages der CDU". Man muss lieb sein mit "der Gegenseite",
wenn man von ihr etwas will, weiß der Realpolitiker, und ihr die Aufkommens-
und Ausgaben-Balance vorrechnen. Ob als Forderung "Gleiche Rechte, gleiche
Pflichten" (hat je zuvor eine soziale Bewegung Pflichten gefordert?)
oder beim Bundeshaushalt: Der Saldo muss mindestens Null sein. Wo kämen
wir hin, wenn diesen Perversen pardon: unseren zartfühlenden,
überdurchschnittlich gebildeten wie verfolgten, in Friseurhandwerk und
Ballett so kompetenten homophilen Mitbürgern mehr vom großen
Kuchen zufiele als einem treusorgenden, treudeutschen und toleranten Familienvater?
Einer so liberalen Gegenseite kriecht man mit Freuden ins Rektum.
Das Ganze in Lila
"Lange waren sich politisch engagierte Lesben darüber einig, dass
die Ehe eine nichtreformierbare patriarchale Institution sei. Mit der Bezeichnung
'Homoehe' wurde daher auch unterstrichen, dass diese nur für Schwule
interessant sein könnte. Dies hat sich geändert. Auch mehr und mehr
Lesben würden gern heiraten."
Dass die Quelle dieses Zitats nicht Monika das katholische Frauenmagazin
ist, wird aus seiner Fortsetzung erkennbar: "Natürlich war die Ehe
für Frauen eine Zwangsinstitution, solange es für sie keine Alternative
dazu gab. Dank der Arbeit der Frauenbewegungen haben Frauen heute jedoch die
Wahl, ob sie heiraten wollen oder nicht. Wir wollen, dass auch Lesben diese
Wahl haben. Außerdem sind wir überzeugt, dass es zu mehr gesellschaftlicher
Akzeptanz für alle Lesben und Schwulen beitragen kann, wenn uns die Möglichkeit
der Ehe offensteht. Erst wenn wir nicht mehr vom Recht auf Eheschließung
ausgeschlossen sind, können wir uns auch wirkungsvoll für eine Reform
des Ehe- und Familienrechts einsetzen."
So was also liest man an der Wende zum dritten Jahrtausend in einem Faltblatt
"Wir Lesben im LSVD". Dr. Dorothee Markert, Bundessprecherin des
LSVD, hat sich nicht gescheut, ihren Namen unter solchen Stuss zu setzen.
Solange es die Ehe als privilegierte Lebensform gibt, solange Männer
mehr verdienen als Frauen, bleibt wirkliche Wahlfreiheit im LSVD-Sprech:
"Ob Ehe oder keine, entscheiden wir alleine!" auch für
Lesben ein feuchter Traum. Ebenso kurios mutet das Ammenmärchen vom "Mehr
an gesellschaftlicher Akzeptanz" durchs Recht auf Eheschließung
an. Würde jemand, der halbwegs bei Trost ist, ernsthaft glauben, ein
Lesbenpaar könne der strukturellen Homophobie oder nächtens einer
Horde Schläger mit den energischen Worten "Halt! Wir sind verheiratet!"
Einhalt gebieten? Woher mag Markert die Weisheit haben, dass sich nur wirkungsvoll
für eine Reform des Ehe- und Familienrechts einsetzen könne, wem
die Ehe offensteht? Muss eine Ärztin krank sein, um Kranke heilen zu
können?
Es war schon von politischer Schizophrenie die Rede.
In diese Kategorie fällt zweifellos auch dieser Markertsche Satz: "Die
Abschaffung des Ehegattensplittings steht übrigens ebenso im Programm
des LSVD wie die Forderung nach Öffnung der Ehe!" Mag das im Programm
des LSVD stehen erst einmal will der Lobbyverein für seine Klientel
die Ehe mit allen finanziellen Geschenken durchdrücken. Deswegen forderte
er am 28. Dezember 1999 in einem zur 80.000fachen Versendung durch empörte
Homophile in die Welt gesetzten Brief die "sehr geehrte Frau Bundesministerin"
auf, "sich konsequent für ein Rechtsinstitut 'Eingetragene Lebenspartnerschaft'
für Lesben und Schwule einzusetzen. Konsequent, das heißt mit allen
Rechten und Pflichten". Man halte insbesondere "die steuerrechtliche
Gleichstellung im Erbschafts- und Einkommensteuerrecht sowie bei der Familienmitversicherung
und bei der Hinterbliebenenversorgung sozialversicherungsrechtliche Regelungen
wie für Ehegatten für vordringlich". Die "Familienmitversicherung"
war stets eine der von der Frauenbewegung attackierten Fesseln der Haus- und
Ehefrau an den alleinverdienenden Ehemann, Feministinnen forderten eine eigenständige
Sozialversicherung für Frauen. Es ist verrückt: Da kommt eine Lesbe
daher, wirft kurzerhand hundert Jahre Frauenbewegung auf den Müll und
erklärt, unbedingt in dieses Frauengefängnis hinein zu wollen. Und
zwar zu einem einzigen Zweck: um aus dem Gefängnis ausbrechen zu können.
"Lesben und Schwule: stolz und frei mitten in der Gesellschaft"
schrieb Markert im Mai 1999 als Motto in ihr Faltblatt. "Mitten in der
Gesellschaft", "Mitten im Leben", "Neue Mitte"
damit preisen heutzutage Konservative jedweder Couleur, inklusive homosexueller,
das neoliberale Modell an, das zwecks Entlastung der Staatskassen auf familiäre
Abhängigkeit baut. Der von Generalsekretärin Angela Merkel präsentierte
familienpolitische Leitantrag des CDU-Bundesvorstandes propagierte es auf
dem Kleinen Parteitag am 13./14. Dezember 1999 mit dem Slogan "Lust auf
Familie, Lust auf Verantwortung". "Freiheit und Verantwortung, Rechte
und Pflichten, Leistung und Solidarität, das darf der Staat nicht zuschütten",
meinte der damalige Parteivorsitzende Wolfgang Schäuble, und: "Unsere
Zukunft liegt in der Freiheit als Teilhabe-, Chancen- und als Verantwortungsgemeinschaft.
Nichts anderes heißt 'Mitten im Leben'."
Das hätte genauso gut Motto eines LSVD-Verbandstages sein können.
Dieselben Sprachblasen verraten denselben reaktionären Geist.