Der
Tag der 6 Milliarden
Bevölkerungspolitik ist nach wie vor modern. Ein Beitrag über Rassismus,
Frauenfeindlichkeit und Angstpropaganda von der Berliner Gruppe Rhizom.
Während der Bundespressekonferenz zum diesjährigen UN-Weltbevölkerungsbericht
entrollen Jugendliche, die sich selbst als 'freie Gruppe aus umweltpolitischen
und feministischen Zusammenhängen' bezeichnen, ein Plakat: 'UNFPA zwangskastrieren,
DSW auflösen'", schrieb Neues Deutschland am 23. September
1999. Von allen anderen Zeitungen wurde der Protest totgeschwiegen und statt
dessen ausführlich der Weltbevölkerungsbericht zitiert.
"UNO schlägt Alarm" und "Weltbevölkerung wächst
dramatisch" hieß es beim Handelsblatt, die Süddeutsche
Zeitung setzte mit "Zeitbombe Mensch" wie eh und je auf eine
Politik der Angst, worin ihr der Tagesspiegel mit "6.000.000.000
Menschen" nicht nachstand. Die "Weltbevölkerung wächst
immer noch zu schnell" (Frankfurter Rundschau), "daran wird
auch die immense Verbreitung von AIDS nichts ändern" (Süddeutsche
Zeitung). Die Berliner Zeitung bedauerte, daß "AIDS
in manchen Ländern bereits jetzt die Fortschritte der vergangenen 30 Jahre
zunichte gemacht hat" und nicht etwa, daß Menschen an AIDS sterben.
"AIDS ist also kein reines Gesundheitsproblem mehr, die Seuche raubt
den Ländern die Zukunft."
Obwohl "die Weltbevölkerung die 'Sechs-Milliarden-Marke' durchstoßen"
(Frankfurter Allgemeine Zeitung) hat, lobte die tageszeitung
die "Erfolge" der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW)
bei der "Eindämmung des Bevölkerungswachstums". Ziel sei
es, "das Bevölkerungswachstum dauerhaft zu bremsen" (Frankfurter
Allgemeine Zeitung), denn "erfolgreich werden alle Strategien zur
Bekämpfung von Hunger und Armut nur sein, wenn die Geburtenrate sinkt".
"Bevölkerungspolitik ist also unerläßlich" (Süddeutsche
Zeitung), um der "Überbevölkerung" (Junge Freiheit)
Herr zu werden.
UNFPA zwangskastrieren!
So klingt es, wenn der Spieß mal umgedreht wird. Weiße Metropolenmänner
der westlichen Welt werden mit bevölkerungspolitischen Maßnahmen
beglückt ... Am 11. Juli diesen Jahres, dem internationalen Weltbevölkerungstag,
startete die DSW, die größte deutsche Nichtregierungsorganisation
in Sachen internationale Geburtenkontrolle, eine dreimonatige Kampagne zum
"Tag der 6 Milliarden" unter dem Motto "Die Bevölkerung
wächst ... die Welt nicht". Mit großem Brimborium wurde dieser
von der UNO auf den 12. Oktober festgesetzte Tag "gefeiert".
Während Kofi Annan, der Generalsekretär der UNO, an besagtem Tag
einen in Sarajevo geborenen Jungen zum sechsmilliardsten Erdenbürger
erkor, wurde von der Bevölkerungslobby einmal mehr Werbung für ihre
bevölkerungspolitischen Programme gemacht. Ein internationaler Posterwettbewerb
gehörte ebenso dazu wie die Vorstellung des neuen Buches "Die 6.
Milliarde" von Klaus M. Leisinger; vom Auswärtigen Amt wurde neben
einem "Edutainment-Film" für die breiten Massen, der in Kooperation
mit der Zeitschrift GEO bundesweit in allen CinemaxX-Kinos gezeigt
wird, in der Humboldt-Universität Berlin auch noch ein "Globales
Forum" für "hochrangige in- und ausländische Teilnehmer"
organisiert. Während Joschka Fischer auf dem Kongress in der Humboldt-Universität
gefragt wurde, wann endlich Schluss sei mit der Ausbeutung der Ressourcen
im Trikont und der gestohlene Reichtum den unterentwickelt gehaltenen Ländern
zurückgegeben werde, und er darauf antwortete, dass das nie passieren
werde, wurde die "Weltbevölkerungsuhr" der DSW entwendet. Dumm,
wer nicht auf sein Lieblingsspielzeug aufpassen kann.
Einer der Höhepunkte der ganzen Propagandashow war die Vorstellung des
Weltbevölkerungsberichts am 22. September unter dem Motto "Sechs
Milliarden Menschen" des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen
(UNFPA), der nominell eine Unterorganisation der Vereinten Nationen darstellt,
praktisch jedoch ein Instrument der Weltbank und der US-amerikanischen Agency
for International Development ist. Fünf Jahre nach der Kairoer Weltbevölkerungskonferenz,
die alle zehn Jahre von der UNO veranstaltet wird, soll der Bericht "Bilanz
zum Stand der Umsetzung der wegweisenden Beschlüsse der Kairoer Konferenz
von 1994 zur internationalen Bevölkerungspolitik" ziehen. Wenn es
denn wahr wäre, dass in Kairo die demographischen Ziele, die die BevölkerungspolitikerInnen
früherer Jahrzehnte bestimmt haben, aufgegeben wurden, wenn es stimmte,
dass es nun endlich darum geht, dass zukünftig die Frauen in aller Welt
Garantien für mehr Lebensqualität, für politische Rechte und
soziale Sicherheit erhalten, so ist die Frage erlaubt: Wozu braucht es dann
noch Bevölkerungspolitik?
Der Griff nach der Bevölkerung
Auf der "Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung"
spielte die Entwicklung kaum eine Rolle. Gesprochen wurde in Kairo über
Familienplanung, Kondome und Abtreibung. Zu unbequem wäre eine Diskussion
über Strukturanpassung, Schuldenlast und unfaire Weltmarktpreise gewesen.
Eine Diskussion über die ungerechte Weltwirtschaftsordnung, die das Elend
der unterentwickelt gehaltenen Kontinente durch dauernde Entwertung und Brachlegung
von Kapital und Arbeitskräften entstehen ließ. Weil billige Weltmarktprodukte
heimische vom Markt drängten oder bäuerliche Arbeit durch großräumige
Plantagenwirtschaft ersetzt wurde.
Die Abermillionen freigesetzter und einkommensloser Arbeiterinnen und Arbeiter
sind weil sie arm gemacht wurden zum Niemand geworden, weil
man sie tatsächlich nicht mal mehr ausnutzen kann. Weil sie nichts mehr
anzubieten haben, werden sie überzählig und überflüssig.
Wenn man die Armut aus der Armut und den Reichtum aus dem Reichtum erklärt,
ist man niemandem etwas schuldig. Solche Vertauschung von Ursache und Wirkung
entlässt nicht nur aus den Fängen der Logik und erleichtert das
Gewissen, sie wird auch in extremer Weise fortgesetzt in der Auffassung, dass
die Armut am besten dadurch zu beseitigen sei, dass man die Armen abschafft
z.B. durch bevölkerungspolitische Maßnahmen.
Je ärmer und schwärzer, desto "zuviel"
Der Begriff "Überbevölkerung" setzt die Existenz eines
optimalen Gleichgewichtszustandes zwischen Bevölkerungszahl und Ressourcen
voraus, die je nach ideologischem und historischem Kontext definiert werden
(Nahrungsmittel, Rohstoffe, Bruttosozialprodukt oder "nachhaltig"
nutzbare Agrarflächen). Beide Größen werden als voneinander
getrennte Daten betrachtet und in ein quantitatives Verhältnis gebracht,
das in der bevölkerungspolitischen Argumentation dann als Ursache-Wirkung-Verhältnis
erscheint. Jedes gesellschaftliche Problem ist als Bevölkerungsproblem
definierbar, wenn die der Bevölkerungszahl gegenübergestellten Daten
als statische Gegebenheiten gesetzt werden. Beispielsweise lässt sich
ein niedriges Bruttosozialprodukt pro Kopf als ein Zuwenig an Produktivität
oder als ein Zuviel an Menschen interpretieren. Existenzberechtigt im Sinne
des Allgemeinwohls und gesellschaftlicher Planung ist dann nur die Menge an
Menschen, die effizient einsetzbar ist.
Aus der zunächst rein mathematisch quantitativen und in diesem Sinne
verteilungsneutralen Formel "Überbevölkerung" lässt
sich noch nicht ableiten, wer denn von der abstrakten Menge zu viel sei. In
den bevölkerungspolitischen Argumentationen wird deshalb, zweitens, regelmäßig
die Ebene der Rechenmodelle verlassen und selektiert. Es geht dann nicht mehr
darum, die Menge der Ressourcen abstrakt auf die Menge der Köpfe zu verteilen,
sondern eine bestimmte Gruppe als die errechnete "Überbevölkerung"
zu identifizieren. Das ökonomische Urteil, welche Lohnabhängigen
"zuviel" sind, ist zunächst abstrakt und kann jedeN treffen.
RassistInnen machen jedoch eine bestimmte Gruppe von Menschen aus, die "zuviel"
sind. Seit der Internationalisierung der Bevölkerungspolitik in den 40er
Jahren ist es immer die arme und/oder in ökologisch sensiblen Gebieten
der "Entwicklungsländer" lebende Bevölkerung, die dieses
Ziel repräsentiert und die abstrakte "Überbevölkerung"
zu einer konkreten macht. Dabei werden entsprechend sozialdarwinistischen
Prinzipien die Gruppen zum Problem erklärt, die aufgrund der bestehenden
gesellschaftlichen Strukturen sowieso vom Zugang zu den Ressourcen ausgeschlossen
sind.
Die Geschichte zeigt, dass "Überbevölkerung" immer von
denen definiert wird, die den Status quo beibehalten wollen. Der Begriff selbst
bezeichnet keine Tatsache. Er dient vielmehr der Interpretation von Tatsachen,
die wiederum bestimmten Interessen dient. Das derzeit vorherrschende Modell,
das die Berechenbarkeit einer "Überbevölkerung" behauptet,
ist das Konzept der Tragfähigkeit der Erde. Mit diesem in Anlehnung an
die Populationsbiologie von Tieren entwickelten Modell soll das Verhältnis
zwischen einem bestimmten Territorium und der Zahl von Menschen, die darauf
nachhaltig wirtschaften können, errechnet werden. Die notwendigen Daten
zur Fütterung dieser Rechenmodelle stellen heute Institutionen wie die
Food and Agriculture Organization (FAO) der UNO oder die Weltbank zur Verfügung.
Die Tragfähigkeit eines bestimmten Gebietes wird berechnet (und ist nur
berechenbar), indem von den sozialen Bedingungen eines bestimmten Produktionssystems
abstrahiert und eine vom Weltmarkt getrennte, geldlose und autarke Ökonomie
angenommen wird. Die FAO beispielsweise kombiniert in ihren vielzitierten
Tragfähigkeitsstudien Daten über Klima- und Bodenbeschaffenheit
mit den Ertragspotentialen bei landwirtschaftlicher Modernisierung und dem
Einsatz der nährstoffreichsten Nutzpflanzen. Dabei finden weder die jeweiligen
Formen der Arbeitsorganisation, die technischen Möglichkeiten oder die
Essgewohnheiten, noch die Cash-Crop-Produktion für den Weltmarkt Berücksichtigung.
Die Welt erscheint so als ein Puzzle aus verschiedenen Landschaften mit verschiedenen
Populationen, die ihre Fruchtbarkeit unterschiedlich effizient an ihre natürlichen
Lebensbedingungen anpassen und wenn ihnen dies nicht gelingt
als Umweltflüchtlinge den Weltfrieden gefährden. Das Autarkiemodell
des Tragfähigkeitsgedankens leistet dieser Lebensraumideologie Vorschub;
es blendet die weltwirtschaftlichen Ausbeutungsverhältnisse, etwa die
ungleiche internationale Ressourcennutzung, ebenso aus wie Gründe dafür,
warum arme Bevölkerungsschichten historisch immer in die ökologisch
sensibelsten Gebiete abgedrängt wurden. Armut oder Wohlstand sind keine
Fragen der Bevölkerungsdichte, sondern eine Verteilungsfrage. Die Menschen
im Trikont verhungern nicht, weil sie zu viele Kinder haben; vielmehr kommen
die Lebensmittel nicht ihnen selbst, sondern fast ausschließlich den
westlichen Metropolen zugute.
Zuknallerei mit Ideologie
Die IdeologInnen der Bevölkerungspolitik gehen mit der Zeit. Sie untersuchen
sorgfältig die jeweiligen gesellschaftlichen Trends und Bewusstseinsmoden
sowie die realen Ängste und Bedürfnisse der Metropolenmenschen.
Sie registrieren jedes Aufkeimen von Widerstand gegen neue und alte menschenfeindliche
Projekte. Und sie haben gelernt, dass man solchen Widerstand, wenn schon nicht
verhindern, so doch begrenzen kann: Das Zauberwort dafür heißt
Akzeptanz. Akzeptanzforschung begleitet heute jedes neue ökonomische,
politische und soziale Projekt. Akzeptanzforschung untersucht die vorhandenen
oder drohenden gesellschaftlichen Widerstände gegen ein geplantes Vorhaben
und entwickelt möglichst erfolgreiche Methoden, um das geplante Projekt
als menschenfreundlich, zukunftsweisend, arterhaltend, arbeitsplätzeschaffend
oder wie auch immer positiv darzustellen. Bevölkerungspolitische Institutionen
zeigen eine erstaunliche Flexibilität auf rhetorischem Gebiet. Und so
rieselt nun unversehens das Vokabular der KritikerInnen seines politischen
Inhalts entkleidet auf die Köpfe der Betroffenen nieder.
Zwei der aktuellsten Themen dieser Jahre sind die Frauenemanzipation und der
Umweltschutz beziehungsweise die Zerstörung der Umwelt durch die moderne
Industriegesellschaft. Indem nun die IdeologInnen der Bevölkerungspolitik
ihr Anliegen mit der Sorge um die Umwelt verbinden, schlagen sie zwei Fliegen
mit einer Klappe. Sie lenken von den wahren VerursacherInnen der Umweltprobleme
ab und ersetzen sie, wo nötig, klientelorientiert durch das Argument,
die Armen würden aufgrund der "Überbevölkerung" verhungern,
also an ihrem Schicksal selbst schuld sein. Neuerdings wird von den BevölkerungspolitikerInnen
erklärt, dass die extreme Bodenausbeutung durch die verhungernden Massen
die Öko-Katastrophe hervorrufe, ebenso die Waldrodung zur Gewinnung von
Brennholz und neuem Boden usw.
Hier ist ein wichtiger Argumentationswechsel zu beobachten. Waren die Menschen
des Trikont im malthusianisch-ökonomistischen Blickwinkel schuld an ihrer
eigenen Unterentwicklung, schaden sie nun parasitär dem ganzen Planeten,
"uns" vor allem. Die Fruchtbarkeit der Frauen dort wird so
dank Nachhaltigkeitsideologie zur Verantwortungslosigkeit der Weltgemeinschaft
gegenüber, der Süden zur Gefahr gleich für den ganzen Planeten
stilisiert. So erklärte die Bundesministerin für Entwicklungshilfe
Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), als sie den Weltbevölkerungsbericht
vorstellte, bereits ernsthaft, sie wolle lokale und regionale Konflikte und
Kriege durch eine gezielte Politik der Geburtenkontrolle verhindern.
Zugleich wird Bevölkerungspolitik seit ein paar Jahren mit frauenfreundlicher
Lyrik als praktische Unterstützung der Frauen propagiert, als direkte
Förderung ihrer Selbstbestimmung und Befreiung. Abgesehen davon, dass
Pillen-Programme, chemische Unfruchtbarmachung und Infokampagnen alles andere
als Selbstbestimmung der Frauen mit sich bringen es werden lediglich
Fremdzwänge durch Selbstzwänge ersetzt , wird implizit unterstellt,
die Frauen und ihre Fruchtbarkeit seien für die "Überbevölkerung"
und damit einhergehende Umweltzerstörung verantwortlich. Für ihre
"Emanzipation" und gegen die Umweltzerstörung ist das gleiche
Instrument vorgesehen: die Beschränkung ihrer Fruchtbarkeit.
DSW auflösen
Die Ende 1991 von Unternehmerseite gegründete DSW verfügt über
eine ausgezeichnete Finanzausstattung, guten Medienzugang und hervorragende
politische Kontakte. Die primäre Tätigkeit der deutschen Kooperationspartnerin
der UNFPA ist die Vermittlung spezifischer Ideologeme über Bevölkerungswachstum,
eine Politik der Angst, die sowohl an das Bild der "Bevölkerungsbombe"
und ökologische Katastrophenszenarien anknüpft als auch an das rassistische
Stereotyp einer Überfremdung der BRD. Für die DSW ist es kein Problem,
vor der durch das Bevölkerungswachstum ausgelösten Einwanderung
nach Europa rassistische Ängste zu schüren und sich gleichzeitig
an anderer Stelle für das Empowerment der Frauen und gegen Gewaltverhältnisse
auszusprechen. Wir sitzen alle im selben Boot, der Multimillionär aus
Hannover mit dem hungernden Kind aus Afrika.
Hier wird alte Politik mit einem Schuss Multikulti und Gleichstellungsrhetorik
auf neue Flaschen gezogen. Gesellschaftliche Widersprüche oder gar so
etwas Böses wie sich widersprechende politische Interessen gibt es nicht.
Ergänzt wird diese Entnennung von Gewalt durch Statistiken über
Statistiken: Frauen und Kinder im Blick des Insektenforschers. Die Strategie
der Reduktion von grundlegenden gesellschaftlichen Problemen auf die Frage
einer mangelnden Anwendung technokratischer und bürokratischer Fachkompetenz
ähnelt jener der EXPO 2000. Auch die Besetzung der verschiedenen Foren
der EXPO durch fast ausschließlich industrie- und staatsnahe Funktionäre
basiert auf dieser Politik. Staat und Industrie debattieren kritisch mit sich
selber. Dementsprechend sieht die DSW die EXPO als ideales Forum ihrer Propaganda
und arbeitet bereits jetzt intensiv auf die Weltausstellung hin. Die einzige
Ursache für globale Probleme, die von diesen illustren Kreisen nicht
als verbesserungsfähige Unzulänglichkeit abgetan wird, welche durch
innovative Techniken und neoliberale Marktwirtschaft schnell beseitigt werden
könne, ist die angebliche Bevölkerungsexplosion.
Die rassistischen und frauenfeindlichen Implikationen einer Politik, die Menschenrechte
nicht als politisches Anrecht ansieht, sondern als etwas, das aus Gefälligkeit
und Mitleid großzügig gewährt wird, spiegelt sich ebenso in
der Ästhetik der Werbeprospekte wider: fast ausschließlich weiße
HelferInnen und Fachleute und überwiegend Männer in Anzügen
und mit Renomée. Die bunte Informationsmappe der DSW zum "Tag
der 6 Milliarden" wartet mit Bedrohungsszenarien wie beispielsweise der
"Weltbevölkerungsuhr" auf; eine Zahlenkolonne, die Industrie-
mit Entwicklungsländern vergleicht. Die Zahlen sollen die Botschaft der
Stiftung untermauern: Es gibt zu viele Geburten in den Entwicklungsländern
und zu wenige in den Industrieländern.
Rita Süssmuth (CDU), DSW-Kuratoriumsmitglied und Vorsitzende der Bevölkerungskommission
der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN), scheint
ihre Strategie mittlerweile geändert zu haben: Hatte sie noch 1995 als
Bundestagspräsidentin Engagement für den rassistischen Aquamarin-Verlag
gezeigt, der in seinen Veröffentlichungen die karmische Notwendigkeit
der Ausbeutung und Vernichtung der "Völker" der sogenannten
Dritten und Vierten Welt beschwört, polterte sie bei der Pressekonferenz,
dass "wir die Welt nicht ihrem Lauf überlassen können".
Was diese imperialistische Kampfansage auch innenpolitisch bei ihr bedeutet,
hat die Frauen-zu-Brutkästen-Kämpferin und Verteidigerin des §218
erst vor kurzem wieder deutlich gemacht, als sie die Effektivität des
bisherigen Beratungssystems für Schwangere lobte, weil dadurch allein
1998 bis zu 5.000 Abtreibungen von zukünftigen weißen, deutschen
Kindern in der BRD verhindert wurden.