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... als die Polizei erlaubt


„Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen in Berlin ist in der Nacht zu Samstag (16. August 2008) demoliert worden“, teilte der Landesverband Berlin-Brandenburg des Lesben- und Schwulenverbandes der Presse am selben Tag mit. „Unbekannte schlugen das Sichtfenster ein, durch das man den Film zwei sich küssender Männer sehen kann. Wie die Polizei mitteilte, bemerkte ein Passant am Morgen einen umgeworfenen Bauzaun und das zerschlagene Fenster. Täter und Hintergründe der Tat sind laut Polizeiangaben unklar.“

Daß die Polizei bis heute nichts über Täter, Hergang und Motive weiß, hinderte den LSVD, dessen Geschäftsgrundlage die Pflege des Opferstatus’ seiner Klientel ist, nicht, Profiler zu spielen: „Ein schwulenfeindlicher Hintergrund ist aus Perspektive des LSVD Berlin-Brandenburg kaum von der Hand zu weisen. Offenbar fühlten sich die Täter von dem Kuß zweier Männer zu der Tat provoziert.“ Der LSVD hätte auch orakeln können, daß die Täter der Kuß herzlich wenig interessierte und sie auf die teure Videotechnik im Kubusinneren aus waren. Nur war das propagandistisch etwas ungünstiger, als eine zunächst erst einmal eine simple Sachbeschädigung in die Nähe vorsätzlicher, politisch-moralisch motivierter Körperverletzung zu rücken: „Ein Vergleich zu den gewalttätigen Attacken auf schwule Männer, zu denen es in Berlin immer wieder kommt, drängt sich auf.“

Und falls Sie es nicht bereits ahnten: „Der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD) verurteilt den Anschlag aufs Schärfste. Er ist ein Schlag ins Gesicht aller Opfer des NS-Terrors!“ Und nicht etwa das Denkmal selbst, das die NS-Opfer verhöhnt, indem es die hunderttausenden homosexuellen NS-Täter verschweigt und klammheimlich ins Gedenken mit einschließt.

„Der LSVD Berlin-Brandenburg unterstützt den Aufruf des LSVD-Bundesverbandes zu einer Mahnwache am Denkmal“, die am 18. August in Anwesenheit von reichlich Politprominenz stattfand und wo auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit festlegte: „Ein Anschlag auf dieses Mahnmal ist eindeutig gegen Homosexuelle gerichtet. Das läßt sich sagen, ohne daß man weitere polizeiliche Ermittlungen abwarten muß.“

Der organisierende LSVD-Bundesverband fand den Anschlag „widerlich und empörend“, dessen Sprecher Günter Dworek ebenfalls mal wieder schlauer war als die zuständigen Kriminalisten: „Alles spricht für eine Tat aus Haß gegen Homosexuelle.“ Unwichtig, daß Überzeugungstäter üblicherweise Parolen oder sonstige Bekenntnisse am Tatort hinterlassen, wenn man eine anschauliche Subventionsbegründung braucht: „Auch in einer demokratischen Gesellschaft gibt es Menschen, die es nicht ertragen können, wenn sich zwei Männer im öffentlichen Raum küssen. ... Es ist notwendig, die gesellschaftlichen Anstrengungen gegen Homosexuellenfeindlichkeit deutlich zu verstärken.“ – Am besten durch Haushaltstitel für den chronisch finanzschwachen Lesben- und Schwulenverband.

Mehr Regenschirme!


Während der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) samt seiner Vorfeldorganisationen gebetsmühlenartig erklärt, daß vor allem nichtdeutsche Jugendliche zur Schwulenfeindlichkeit neigten und eine Gefahr für Homosexuelle darstellten, haben – was deshalb explizit gesagt werden muß: deutsche – Neonazis in mehreren bundesdeutschen Städten gegen Lesben und Schwule mobil gemacht.

So beschmierten neofaschistische Aktivisten im Juli die an der Route der Rostocker CSD-Parade gelegenen Häuserfassaden mit Parolen wie „Fuck CSD“ und „Ihr, die Perversion der Gesellschaft“. Während sich Politiker von SPD und Linken empört zeigten, feierten die Rechtsextremen ihre nächtliche Sprühaktion euphorisch und betonten in Anspielung auf die jüngsten neofaschistischen Überfälle auf Schwule und Lesben in Budapest, daß „die CSD-Teilnehmer eigentlich dankbar dafür sein“ könnten, daß „sie nur mit Grußbotschaften bedacht wurden“.

In München postierten sich indes am 12. Juli gar rund 25 Neonazis direkt vor der großen CSD-Bühne und störten die Rede des dortigen Oberbürgermeisters Christian Ude (SPD) mit Zwischenrufen. Zudem hielten sie Plakate in die Höhe, auf denen „Mehr Toleranz für Hetero-Familien“, „Keine Zwangshomosexualisierung“, „Familie = Vater+Mutter+Kind“, „Therapie gegen Heterophobie“ sowie gegen homosexuelle Politiker gerichtete Beleidigungen zu lesen waren.

Daß die anwesenden Schwulen und Lesben offenbar nicht bereit waren, sich von den gewaltbereiten Neonazis als potentielle Opfer mißbrauchen zu lassen, zeigen die Kommentare auf einer Internetseite militanter Faschisten. „Mit Faust- und Schirmschlägen versuchten die von den Medien stets fälschlicherweise als ‘friedlich’ hingestellten Homosexuellen – aufgehetzt durch die vor Wut zittrigen Worte von OB Ude –, die Plakate zu zerstören und die Leute zu verletzen, welche still und beharrlich ihren Protest zum Ausdruck brachten“, heißt es dort etwa.

Während manche schwul-lesbischen Gruppen wie der LSVD und das selbsternannte schwule Anti-Gewaltprojekt „Maneo“ in Berlin sich allzu gern als Opfer von Homophobie gerieren und dazu neigen, zum medialen Schlag gegen (vermeintliche) Migranten auszuholen, wenn diese einen Schwulen auch nur böse angeguckt haben, setzten sich Münchner Lesben und Schwule in diesem Fall ohne schwule Berufsfunktionäre und wehleidiges Gehabe eigenständig gegen die Neonazis zur Wehr.

Der LSVD und der „Schutz der Ehre“


Am 25. April 2008 erschien in der Jungen Welt eine Rezension des Buches „Schwule Nazis“ von Markus Bernhardt (vgl. „Alles irgendwie braun“ von Michael Heß, Gigi Nr. 55). Unter der Überschrift „Kein Problem“ teilte Martin Kaschube den Lesern Bernhardts Kernthesen und Rechercheergebnisse mit, darunter dieses: „Eine explizite Distanzierung von Neofaschisten werde man von Seiten des LSVD vergeblich suchen.“ Die Redaktion illustrierte den Beitrag mit dem Foto eines NPD-Anhängers. Bildtext: „’Andere politische Meinungen’ werden vom LSVD gern toleriert.“

Daraufhin bekam der Deutsche Presserat Post von Alexander Zinn. „Die Tageszeitung Junge Welt veröffentlicht seit etwa fünf Jahren fortgesetzt Artikel des Autors Markus Bernhardt, in denen dieser dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) immer wieder Rassismus und eine Nähe zu Neofaschisten unterstellt“, vereinfachte der Geschäftsführer des LSVD-Landesverbands Berlin-Brandenburg in seiner Beschwerde vom 2. Mai. „Diese Artikelserie hat inzwischen den Charakter einer Kampagne angenommen.“ Gut erkannt hat Zinn: „Inhaltlicher Bezugspunkt der Artikel von Herrn Bernhardt ist die Haltung des LSVD zur Migrations- und Integrationspolitik. Die Kritik unseres Verbandes an islamischem Fundamentalismus und homosexuellenfeindlichen Einstellungen unter muslimischen Migranten wird von ihm als ‘Rassismus’ gewertet.“ Wobei Zinn – Pressekodex, Ziffer 1 – verschwieg, daß muslimische Migranten oder Deutsche, die er dafür hält, vom LSVD fast durchweg – Pressekodex, Ziffer 3 – als Täter beziehungsweise Gefahrenpotential für (schwule) Deutsche behandelt werden, die ihrerseits höchst selten als Täter auftauchen.

Rassismus schreibt Zinn übrigens tatsächlich in Anführungszeichen, der Bernhardt die Mißachtung „aller Grundsätze einer sorgfältigen Recherche und fairen Berichterstattung“ vorwirft. So zitiere dieser „bewußt sinnentstellend“ einzelne (!) Sätze aus Presseerklärungen, erfinde Zitate frei und frage „vorsichtshalber“ nie direkt beim LSVD an. Etwa wegen expliziter Distanzierung von Neofaschisten, die man demnach vom LSVD erst erbitten muß. Man habe schon versucht, mit dem JW-Chefredakteur „Herrn Schöbel“ „in dieser Sache ins Gespräch zu kommen“, der leider von solchen Anfragen nichts weiß. (Vielleicht, weil er Arnold Schölzel heißt und weder verwandt noch verschwägert ist mit Schlagersänger Frank Schöbel.) „Unseres Erachtens könnte ein Verstoß gegen die Ziffer 1 ‘Wahrhaftigkeit’, Ziffer 2 ‘Sorgfalt’ und Ziffer 3 ‘Schutz der Ehre’ vorliegen“, so Zinn, dem am 3. Juni 2008 seitens des Presserates „in der Beschwerdesache BK2-103/08“ beschieden ward:

„Der Beschwerdeausschuß ist der Meinung, daß der Beitrag unter der Überschrift ‘Kein Problem’ vom 28.04.2008 in der Jungen Welt nicht gegen presseethische Grundsätze verstößt. Die in der Buchbesprechung enthaltenen Äußerungen und Wertungen bewegen sich nach einstimmiger Meinung der Ausschußmitglieder im Rahmen des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Der Ausschuß kann z.B. in der Passage ‘Eine explizite Distanzierung von Neofaschisten werde man von Seiten des LSVD vergeblich suchen’ keine falsche Tatsachenbehauptung erkennen. Der LSVD positioniert sich nach Ansicht des Ausschusses in der Sache nicht bzw. distanziert sich nicht von den erhobenen Vorwürfen. Hinsichtlich des Fotos kann der Ausschuß ebenfalls keinen presseethischen Verstoß feststellen. Das Gremium wertet das Foto als Illustration der in dem Buch von Markus Bernhardt geäußerten Meinungen.“

Ergebnis: „Insgesamt liegt damit kein Verstoß gegen die Publizistischen Grundsätze des Deutschen Presserats vor, so daß der Beschwerdeausschuß die Beschwerde für unbegründet erklärt. Die Entscheidung ergeht einstimmig.“

BGH intim


Mütter können durch Zwangshaft zur Auskunft über den Kindesvater gezwungen werden, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am 3. August 2008. Hintergrund ist die Klage eines Mannes, der jahrelang zu Unrecht Unterhalt für seinen angeblichen Sohn zahlte und sich das Geld beim wahren Erzeuger zurückholen will. Da die Mutter beharrlich schweigt, sieht der BGH die Voraussetzungen für eine Zwangshaft gegeben. Zwar schütze das Persönlichkeitsrecht grundsätzlich vor einer Offenlegung des Intimlebens, hier hätten jedoch die Interessen des falschen Vaters Vorrang. Bild sprach von einem „Sensationsurteil, das tausenden Männern Hoffnung macht!“ und präsentierte ein Foto der „uneinsichtigen“ Mutter: „Ramona S. wütend: ‘Ich gehe nicht in den Knast. Notfalls ziehe ich zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.’“

Das alternative Stattweb für Südbaden titelte „Beugehaft macht Karriere“ und kommentierte, Juristen seien wieder „alle Mittel gegen Frauen recht“: „Wir sind genau wieder bei den Praktiken angekommen, die schon den jungen Juristen Goethe auf die Palme brachten. Persönlichkeitsrecht, Schutz der Intimsphäre, alles, was man sich seit zweihundert Jahren moralisch angemästet hat – das alles spielt keine Rolle mehr (...) Wer zahlt? Das war damals und ist immer noch der kategorische Imperativ der bürgerlichen Gesellschaft. Daher Erzwingungshaft, wenn so ein Weib nicht damit herausrückt, von wem es das Kind hat.“ In Goethes Gedicht „Vor Gericht“ von 1780 erklärt die Mutter: „Von wem ich es habe, das sag ich euch nicht/Das Kind in meinem Leib/Pfui speit ihr aus, die Hure da!/Bin doch ein ehrlich Weib (...) Herr Pfarrer und Herr Amtmann ihr/Ich bitte, laßt mich in Ruh!/Es ist mein Kind, es bleibt mein Kind,/Ihr gebt mir ja nichts dazu.“ (Az: I ZB 87/06)