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Krank fernsehen


Ein paar Talkshows von Pro 7 lassen selbst schwere Erkältungen verfliegen. Ein Erfahrungsbericht von Sylvia Köchl


Beim Kranksein, wenn sämtliche Nebenhöhlen so verstopft sind, dass das Gehirn permanent mit zu wenig Sauerstoff versorgt wird und das Lesen eines Buches oder auch nur einer Zeitschrift nicht mehr in Frage kommt, hilft nur das Fernsehen, um Zeit und Langeweile zu vertreiben. Und so staunte ich auch kürzlich wieder über diverse Talkshows in diversen Privatsendern. Wirklich erinnern kann ich mich nur an die letzte, die ich kurz vor meiner Genesung gesehen habe, alles andere verschwimmt zur Sauce einer ganzen Woche Fernsehbilderflut.

Also, es war der Andreas Türck auf Pro 7, dessen Thema "Schwuler Mann – ich krieg dich rum" Skurriles verhieß. Am Anfang stand eine tragikomische Liebesgeschichte. Eine Frau verliebt sich in einen Mann – so weit, so normal – und kommt irgendwann drauf, dass er schwul ist. Dabei hatte er doch auch so geschäkert! Nun sitzt sie da, beim Andreas auf dem Sessel, und will einfach nur ein einziges Mal mit dem schwulen Mann schlafen, dann ließe sie ihn in Ruhe und würde sich die ersehnte Beziehung abschminken. Doch woher kommt dieser Wunsch? Weil ich glaube, dass er sich auch in mich verliebt hat. – Aber er ist doch schwul! – Egal, trotzdem.

Die nächste Frau tritt mit der These auf: 90 Prozent der Schwulen sind nur deswegen schwul, weil das Schwulsein eine Modeerscheinung ist. Ergo sind auch 90 Prozent der Schwulen rumzukriegen. Die Frau, die kaum einen geraden Satz herausbringt und sich für Talkshow-Verhältnisse als äußerst verstockt erweist, wird nun vom Andreas so lange verhört, bis endlich klar wird, warum sie auf ihre seltsame Theorie kam: Weil es nämlich heutzutage so viel mehr Schwule gibt als früher. Anhaltende Verblüffung im gesamten Studio, bis endlich eine Frau aus dem Publikum energisch behauptet, das liege ja wohl einfach daran, dass sich heutzutage mehr Schwule outen, weil sie nicht mehr so diskriminiert werden wie früher. Erleichterter Applaus, das Rätsel, das die verstockte Frau aufgegeben hat, ist gelöst.

Auftritt schwuler Mann mit Frauenproblem. Es gäbe da eine Freundin, die ihn ständig bedränge, mit ihr zu schlafen. Selbige sitzt zufällig im Publikum und wird knallrot, als der Andreas ihr das Mirko unter die Nase hält und fragt, warum sie das denn tue. Na, weil er früher auch schon mal was mit einer Frau hatte. Vielleicht ist er bisexuell, mutmaßt Türck, während der so Besprochene auf der Bühne schon heftig den Kopf schüttelt. Aber wie kann einer schwul sein, der schon mal was mit Frauen hatte? Ziemlich unwillig erklärt der Mann, das sei halt eine Phase gewesen und die sei jetzt vorbei. Das gelte nicht, meldet sich da die Frau mit der 90%-These wieder zu Wort, nur wer von Anfang an schwul sei, sei wirklich schwul, alle anderen seien - und sie habe es ja schon gesagt - nur Modeerscheinungen.

Auftritt Sexbombe. Sie würde jeden schwulen Mann rumkriegen, tönt sie, denn das sei es, was schließlich jeder Mann wolle, eine Frau. Unheilvoll steht nun die unausgesprochene Behauptung im Raum, wer das nicht wolle, müsse wirklich pervers sein.

Zuletzt noch Auftritt des obligaten Quotenmigranten in der Rolle des waschechten Schwulenhassers. Er könne die einfach nicht leiden. Sprichts und schweigt. Aber warum denn nicht, muss der Andreas einfühlsam nachfragen. Weil die sind doch nicht normal usw. Der Quotenmigrant ist vor lauter Piep-Übertönern kaum zu verstehen. Und so werden die verbleibenden zehn Minuten darauf verwendet, dem Mann seinen Hass auszureden, denn das geht nun sowohl der Thesen-Frau als auch der Sexbombe entschieden zu weit. Wenn jemand sagt, er könne Ausländer nicht leiden – du kommst doch aus dem Ausland? –, findest du das dann gut? Das ist nämlich genau das selbe. Was dem Quotenmigranten nicht einleuchten will, denn: Wir sind ja keine A...piep. Aber manche von euch schon. Na die kann ich dann auch nicht leiden. Der Moderator als Hobby-Psychoanalytiker: Hast du vielleicht mal schlechte Erfahrungen mit Schwulen gemacht? Ja, schon. Endlich der Durchbruch, glaubt Türck. Da hat mich mal einer angemacht und wie komm ich dazu! Aber hast du schon mal einen netten Schwulen kennen gelernt? Zum Beispiel der Dings da drüben, der ist doch nett, und der ist schwul. Verbissenes Schweigen seitens des Quotenmigranten. Nun versucht es noch ein letztes Mal einer aus dem Publikum: Hast du vielleicht aus religiösen Gründen was gegen Schwule? Migrant versteht nun gar nichts mehr. Was hat das denn damit zu tun? Ich kann sie einfach nicht leiden!

Lassen wir an dieser Stelle gnadenhalber den Vorhang fallen. Am nächsten Tag war ich gesund.