Kein
Interesse
Berlin, Herbst 2005,
Standesamt Friedrichshain-Kreuzberg: Herr Ernst bittet zwei Männer, die
sich für eine Lebenspartnerschaft anmelden, um Abstammungsnachweise ihrer
Eltern. Irritiert blicken sie erst einander und dann den Amtsleiter an, der
unvermittelt das halb ausgefüllte Formular zerreißt: Ach
so, Sie sind ja beides Deutsche!
Am 20. August 2005, als
sich das Schwerpunktheft Das kleinere Übel? der Zeitschrift
Ossietzky mit der SPD und den Resultaten von sieben Jahren Rot-Grün
befaßt, rechnet Rolf Gössner das Lebenspartnerschaftsgesetz zu
den Positivposten der rot-grünen Bürgerrechtsbilanz
und Wolfgang Kaleck die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare
zu den löblichen Initiativen. Warum adeln in einem linken
Magazin der Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte
und der Vorsitzende des Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltsvereins
derart leichtfertig ein in Ansatz, Inhalt und Genese so undemokratisches Rechtsinstitut?
Warum kein einziges Wort über zehn Jahre Widerstand der parteifernen
Frauen- und Schwulen-Szenen gegen das erste antihomosexuelle Sondergesetz
seit der 1994er Streichung des § 175? Weil da ein uralter, vertikaler
Reflex wirkt. Ihren Paternalismus entlarvt die Mehrheitsgesellschaft noch
immer im tolerant sich gebenden Desinteresse an ihren Perversen,
deren Kämpfen, Lebens- und Liebesformen, juristischem Bedarf. Sie fragt
nicht, sie nimmt ganz selbstverständlich allein sich als Maßstab
des Richtigen und Schicklichen, und jede feministische Analyse ist perdu:
Die BGB-Ehe als, Stichwort Hartz IV, für den Zuhälter Staat einträgliches
Prostitutionsverhältnis? Vergessen. Ihre Lesben und Schwule per
se herabsetzende Leichtversion als Vehikel, ihr eklige Sexualitäten zu
domestizieren, autonome Beziehungen unter soziale wie politische Kontrolle
zu bekommen? Egal. Der gelungene Coup, per teile und herrsche
eine weitere soziale Bewegung loszuwerden? Wen kümmert das noch.
Die Homo-Ehe war stets
ein Sommerlochthema, und so feiern am 1. August 2006 noch die konservativsten
Medien deren fünften Jahrestag. Die Gesellschaft ist dadurch toleranter,
bunter, vielfältiger geworden, halluziniert etwa LSVD-Bundessprecherin
Julia Borggräfe gegenüber der Neuen Ruhr-Zeitung, und kein
kritischer Journalist ist da, der der Juristin entgegenhielte, daß die
Suizidrate homosexueller Jugendlicher immer noch fünfmal höher ist
als die heterosexueller.
Der Anlaß fördert
auch Lustiges zutage. Todernst spricht Manfred Bruns am 1. August im LSVD-Pressedienst
von einer Erfolgsgeschichte, um dann zu gestehen: Sichere
Zahlen, wieviele Lesben und Schwule in den letzten fünf Jahren eine Lebenspartnerschaft
begründet haben und wieviele Lebenspartnerschaften inzwischen wieder
aufgehoben worden sind, gibt es nicht. Was nun? Eine Umfrage der
Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule Juristen bei den Innenministerien
der Länder hat damals ergeben, daß zum Ende des Jahres 2004 von
12.500 bis 14.000 Lebenspartnerschaften auszugehen war. Wenn man diese Zahlen
hochrechnet, kommt man auf rund 16.000 bis 19.000 Paare. Bruns
Kollegen vergaßen wohl, ihm die Bezugsgröße von über
82 Millionen Einwohnern mitzuteilen. Schade.
Das grandiose Scheitern
dieses muffigsten aller Projekte der Moderne an der Moderne zu
illustrieren helfen die Filter von Deutschlands größtem Homo-Portal
Gayromeo. Rechnen Sie mal mit: Beim schwulen Einwohnermeldeamt
waren am 24. August 2006 exakt 3.926 Friedrichshain-Kreuzberger registriert.
Bei einer Population von 248.000 sind das im für seinen hohen Perversenanteil
bekannten Berliner Fusionsbezirk maximal ein Viertel aller Schwulen. 25,55
Prozent von ihnen nennen als Beziehungsstatus Partnerschaft oder
Offene Partnerschaft. Allesamt Homo-Ehe-Kandidaten! Dennoch ließen
sich in den fünf Restmonaten des ersten Geltungsjahres des ihnen zugedachten
Gesetzes am 1. August 2001 gerade mal 32 Männer- und zwölf Frauenpaare
im Bezirk erfassen, 2002 nur 53 beziehungsweise 16. Sahen die zwei Folgejahre
nur 38 respektive 40 Registrierungen, erlebte das lokale Standesamt im Vergleich
dazu 2005 mit 58 Eintragungen (und im laufenden Jahr bis 24. August mit 35)
einen sagenhaften Ansturm bei einem nur fürs erste Halbjahr 2005
statistisch erfaßten Verhältnis von 14 Männer- zu drei Frauen-Ehen.
Der Anteil der Lesbenpaare sank also in fünf Jahren um nicht weniger
als 50 Prozent.
Bei so geringen Zahlen
verwundert es kaum, daß Wolfgang Quandt von der Berliner Senatsverwaltung
für Inneres gegenüber Gigi angibt, die bis Ende 2005 noch
vorgenommene statistische Erhebung werde nicht mehr fortgeführt. Man
habe seinerzeit nur ermitteln wollen, wie das neue Rechtsinstitut angenommen
werde. Konstant niedrig, habe sich die Quote auch durch ergänzende Regelungen
oder besondere politische Anlässe nicht erhöht. Ebensowenig erstaunt
es, daß der eingangs erwähnte Herr Ernst der Gigi-Redaktion
am 24. August sagte, seit 2006 ermittele man für die hausinterne Statistik
nur mehr die Gesamtzahl der Lebenspartnerschaften und verzichte auf die Unterteilung
nach Geschlecht und Herkunft, wie sie noch vor Jahresfrist der Senatsinnenverwaltung
gemeldet wurde. Auch hierin erweist sich das politische Desinteresse an der
von oben zwangsbeglückten Klientel.
Deren statistisch belegter
kalter Boykott überrascht kaum. Hatte Justizministerin Däubler-Gmelin
(SPD) seinerzeit schon ehekritische Verbände von ministeriellen Vorgesprächen
ausgeladen, erklärte Rot-Grün erst recht eine noch von der Kohl-Regierung
bei der Universität Bamberg in Auftrag gegebene Studie zur Verschlußsache.
Ihr zufolge favorisierten die Betroffenen statt eines exklusiven Sondergesetzes
ein geschlechts- und sexualitätsunabhängiges, leicht lösbares
und die wirtschaftliche Selbständigkeit der Partner/innen wahrendes Rechtsinstitut.
Ein solches hätten analog zum französischen Zivilen Solidaritätspakt
(PACS) auch hierzulande Hunderttausende genutzt.
Das Zynischste dieses
Positivpostens, und damit abermals zurück zu Herrn Ernst
und der Anfangsszene, erweist sich indes an den konkreten Ja-Wort-Gebern.
In 149 der binnen der ersten vier Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes beim
Standesamt Friedrichshain-Kreuzberg eingetragenen 208 Partnerschaften hatte
einer von beiden keinen deutschen Paß. Um überhaupt zusammenleben
zu können, zahlen also 70 Prozent den Preis für ein unter Rot-Grün
ins Inhumane verschärftes Asyl- und Zuwanderungsrecht in Form einer Zwangsehe
minderen Rechts. Dazu, wer darin der strukturell schwächere, von ökonomischer
und sexueller Ausbeutung bedrohte, in latenter Trennungs- und Abschiebungsangst
lebende Teil ist, fragen Sie bitte den Menschenhändler Ihres Vertrauens
oder die Ausländerbeauftragte der vorigen Regierung.
Zum Schluß noch ein Schwulenwitz: Zwänge man alle Mitglieder des für ihre Einführung maßgeblich mitverantwortlichen Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland verdientermaßen in eine Homo-Ehe, erhöhte das die effektive Anzahl der Lebenspartnerschaften bundesweit um 20 Prozent. Der kleine Schönheitsfehler: In den örtlichen Standesämtern fiele dieser gewaltige Zuwachs gar nicht auf.