Der Wechsel vom Tat- zum Täterprinzip ist typisch für totalitäre
Systeme. Und zwar nicht allein in Legislative, Judikative und Exekutive, sondern
auch bei der sogenannten Vierten Gewalt, den Medien. Wie sich solch ein Wechsel
vollzieht, ließ sich in den vergangenen Wochen beobachten.
Am 26.
September meldet die ZDF-heute-Website unter der Schlagzeile Sexualstrafrecht
noch nicht hart genug, der Bundesrat habe in seiner Sitzung am selben
Tag das vom Bundestag bereits verschärfte Sexualstrafrecht nicht
angenommen und den Vermittlungsausschuß angerufen. Die Unionsländer
halten einzelne Bestimmungen für unzureichend und wollen die Strafbestimmungen
noch härter fassen.
Drinnen
debattiert der Bundesrat, draußen tönt die volksaufklärerische
Begleitmusik. Die Medien selbst sind Teil der Operation Marcy,
einer großangelegten Razzia im Kinderporno-Milieu. Dem Mob
wurde längst eingebleut: Die Täter sind Pädophile
und als solche Homosexuelle. Darum sind Unschuldsvermutung, Anonymität,
Privatsphäre und wirtschaftliche Existenz der Verdächtigten keinen
Pfifferling mehr wert. Nur ein Beispiel ist die Magdeburger Volksstimme.
Redakteur Bernd Kaufholz verfaßt eine Reportage: Zu den Teams
der Polizeidirektion Magdeburg gehörten Kriminaloberkommissar Hans-Joachim
Marquardt und -hauptmeisterin Kathrin Knuth ... Die Volksstimme begleitete
sie, während sie, so der Befehl, nicht lange fackeln. Computer
bis zur Steckdose abbauen. Kaufholz fackelt ebenfalls nicht lange und
nennt die Straße, wo die Räume der Finanzberatungsfirma
durchsucht werden. Dort gibt nicht so viele. Ihr Inhaber wohnt
in einem Dorf bei Aschersleben, wo die Volksstimme Monopolblatt
ist. Nur wenige Dorfbewohner besitzen eine Firma in Magdeburg.
Man findet
18 Dateien mit eindeutigen Darstellungen und unweit
des Schreibtisches mit den biederen Familienfotos einen schwarzen Aktenkoffer.
Als Marquardt ihn öffnet, fallen ihm kinderpornographische Bücher,
das Video Prager Jungs (49 Euro) und eine Handtuchrolle in die
Hände. Für Spezialermittlerin Knuth kein Geheimnis, für welche
Zwecke der Geschäftsmann diese Utensilien benutzt. Jetzt darf das
Publikum mitmasturbieren: Der 41-jährige Familienvater wischt sich also
das Sperma mit Papierhandtüchern vom Schwanz und ist, natürlich,
homosexuell. Ob das Video legal für 49 Euro käuflich ist, kann der
Leser so wenig überprüfen wie den Inhalt der kinderpornographischen
Bücher.
Mittags
treffen Volkstimme und Polizei in der nächsten Wohnung ein: Magdeburg-Neustädter
See ein Zehngeschosser. Der Mieter ist klar ein Gewalttäter:
Der Bullige mit der Oberarmtätowierung stammelt etwas von Habe
geschlafen. Sprache ist verräterisch: Man fördert
etwas zutage, nämlich 58 CD-ROM mit das erkennt
ein Volksstimme-Reporter sofort Zigtausenden von Kinderpornos.
Neun Videos mit Titeln wie Lovely Boys, Vorhang auf
und Game Boys. Titel dieser Art stehen im Schwulenregal
jeder besseren Videothek. Aus Katalogen für Kinderwäsche ausgeschnittene
Darstellungen konfisziert man und Heftchen, Bücher und Fotos,
darunter Ukrainische Engel. Ob die Engel kleine Jungs sind
oder vielleicht junge Frauen wen interessieren noch solche Details,
jetzt, da sogar der Quelle-Katalog ein sicheres Indiz ist? Der homosexuelle
Pädophile (endlich wird Klartext geschrieben) bestreitet, daß
er manchmal auch kleine Jungs mit hoch nimmt. Aber auf
der Fensterbank steht ein Feldstecher. Durch das starke Glas ist der FKK-Strand
am See mit den kleinen Nackedeis für den arbeitslosen Kraftfahrer nur
noch einen Katzensprung weit. Wer kleine Nackedeis über
eine Distanz von einem Kilometer fickt, bei dem ist auch im Flurschrank
eine Kinderlederhosen-Sammlung suspekt. Das sind Tatmittel. Und
die werden sichergestellt.
Abends
zeigt das Fernsehen weitere sichergestellte Tatmittel: Schwule
Bücher von Bruno Gmünder, solche mit Aktfotographien von Wilhelm
von Gloeden, dem Museen weltweit Ausstellungen widmen, und Sachbücher
wie Der pädosexuelle Komplex, in dem das heutige MdB Volker
Beck 1988 die vollständige Entkriminalisierung der Pädosexualität
verlangte, weil sie im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen
aufrecht erhalten wird.
Seit Monaten
dasselbe Schema: Sind Sie pädophil oder homosexuell? fragt
laut Hamburger Abendblatt vom 30. Juli eine Buxtehuder Richterin einen
Angeklagten. Dasselbe Blatt kolportiert am 27. September willig auch Details
der Operaton Marcy vom Vortag: Das jüngste auf den
Bildern abgelichtete Kind war ein vier Monate alter Säugling. Abgelichtet
ist nicht konkret, trotzdem kapiert der Leser: vergewaltigt. Und
die Brutalität nimmt zu, wie der Direktor des Magdeburger Landeskriminalamtes,
Frank Hüttemann, berichtet. Nun ist der Leser reif für den
schwulen Gewaltverbrecher: Die Täter (nicht: die Verdächtigen)
seien größtenteils homosexuell und pädophil,
faßte Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad zusammen ... Das Gestrüpp
sei nur gelichtet. Aber wir kriegen sie alle, versprach LKA-Chef
Hüttemann.
Und was
passiert dann mit den größtenteils homosexuellen Pädos?
Wegschließen, und zwar für immer, sagt der Bundeskanzler.
Schutzhaft hieß diese Maßnahme für homosexuelle
Volksschädlinge und Jugendverderber unter einem
seiner Vorgänger. 70 Jahre später, am 26. September, meldet das
ZDF aus dem Bundesrat: Für die Unionsländer forderte Bayerns
Justizminister Manfred Weiß (CSU), Kindesmißbrauch grundsätzlich
als Verbrechen einzustufen und die Bestimmungen zur Sicherungsverwahrung nochmals
zu verschärfen. Und Raider heißt jetzt Twix.
Ebenfalls im September kündigt Ralf Buchterkirchen sein Gigi-Abo. Es sei unerträglich, wie in der Zeitschrift das Recht auf freie Lusterfüllung pädophiler Menschen höher gewichtet wird, als das Selbstbestimmungsrecht von Kindern und Jugendlichen, so der Bundesprecher der AG queer der PDS. Beispielhaft sei hier auf Gigi 25 verwiesen, in der ernsthaft behauptet wird, Kinderprostitution sei freiwillig, gewaltlos und beruhe auf gegenseitigem Vorteil. In der Gigi-Meldung zur Verurteilung eines Freiers wegen Kaufs sexueller Dienstleistungen bei einem Stricher unbekannten Alters war die Rede von Minderjährigen dazu zählen auch Männer unter 18 und eben nicht von Kinderprostitution. Wozu also braucht Buchterkirchen die Fälschung? Als Vorwand.
Denn Gigi erinnert die Genossen daran, Mitglied einer Partei zu sein, die in zwei Landesregierungen einen beispiellosen Sozialabbau mitträgt. Einen Sozialabbau, der Minderjährigen dazu zählen auch Kinder den Verkauf ihres Körpers als Alternative zur Armut erst lukrativ erscheinen läßt. Daß die sexuelle Selbstbestimmung auch von Kindern und Jugendlichen einer soliden ökonomischen Basis bedarf, wird derzeit von allen staatstragenden Parteien verschwiegen. Schon ein Minimum an marxistischer Analyse hätte erbracht, warum es dieselben Parteien sind, die einerseits Hartz-, Rürup- und Herzog-Konzepte in Gesetze gießen und andererseits deren Opfer auf vermeintliche Kinderschänder hetzen.
Eike Stedefeldt