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Gewalteinteilung


Über Mangel an behördlicher Post kann sich Frank Laubenburg derzeit wirklich nicht beklagen. Erst trudelte im Sommer eine Vorladung des Düsseldorfer Amtsgerichts ein, weil das whk-Mitglied auf einer von ihm mitveranstalteten Antifa-Demonstration eine Polizeilederjacke „beschädigt“ habe. Dann schrieb das Landeskriminalamt Berlin und sorgte sich um die Kunst. Das Böse lauert bekanntlich immer und überall, ganz besonders jedoch offenbar in der Umgebung eines der beiden PDS-Vertreter im Rat der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt.

Erst im August hatte sich der langjährige Schwulenaktivist Laubenburg beim Establishment wieder einmal unbeliebt gemacht, als er den Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) bei der Staatsanwaltschaft anzeigte. – Nicht wegen dessen famoser Idee, Beamte des Ordnungsamtes ins Cruising-Areal am Angermunder Baggersee auf Knöllchenjagd nach alleinbadenden Herren zu schicken, sondern weil das Stadtoberhaupt eine genehmigte Roma-Demonstration durch städtische Trupps des Grünflächenamtes recht einfallsreich hatte verhindern lassen. Auf das Verfahren, solle es denn überhaupt eröffnet werden, darf man gespannt sein. Schon jetzt wird Erwin wegen seines ebenso unbeholfenen wie autoritären Amtsstils – und nicht zuletzt wegen allerlei fragwürdiger Politaktionen – selbst von bürgerlichen Medien als „seine Herrlichkeit“ Erwin bespöttelt.

Unterdessen platzte das gegen Laubenburg in Sachen Polizeijacken-Attacke und gegen andere AntifaschistInnen eingeleitete Verfahren am 22. Oktober, nachdem am zweiten Verhandlungstag klar geworden war, dass die drei beteiligten Polizisten ihre Aussagen vor Gericht im Vorfeld abgesprochen hatten, um von einer mittlerweile üblichen „antifaschistischen“Polizeitaktik abzulenken: Während einer Veranstaltung des Düsseldorfer Appells „Mut gegen rechts“ hatten die Polizisten Mitte September mehrere– nach richterlicher Ansicht „aggressive“ – AntifaschistInnen festgenommen, derweil stadtbekannte Neonazis auf dem Kundgebungsplatz unbehelligt mit CS-Gas DemonstrationsteilnehmerInnen angreifen konnten. Den AntifaschistInnen wird dafür nun der Prozess gemacht – das Verfahren gegen die Nazis dagegen hat das Amtsgericht inzwischen eingestellt.

Und jetzt also noch ein Brief vom Landeskriminalamt Berlin. Dem LKA missfällt die Abbildung eines von der „Antifaschistischen Aktion Berlin“gestalteten Plakates auf Laubenburgs offizieller Homepage www.laubenburg.de, mit welchem auf Polizeigewalt aufmerksam gemacht und für eine Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten eingetreten wird. Von den Internet-Seiten einer Düsseldorfer Antifa-Gruppe wurde das Plakat auf Druck der Polizei inzwischen heruntergenommen, Ende Oktober ließ die Staatsschutzabteilung des LKA Laubenburg via Internet-Provider „1&1 Internet AG“ wissen, gegen den Ratsherren „wegen §22 i.V.m. §33“ zu ermitteln. Die Veröffentlichung des Plakats verstoße nämlich gegen das Kunsturhebergesetz, meint die Anti-Terror-Behörde.

Für Laubenburg sind derlei Zensurversuche „nicht hinnehmbar“, denn das Plakat sei „eine gelungene Satire auf Fahndungsplakate – und eine erschreckende Dokumentation Berliner Polizeigewalt“. Bestrebungen, die Veröffentlichung zu verhindern, „offenbarten genau jenen Korpsgeist, der bislang immer wieder verhindert hat, dass gewalttätige Polizisten zur Rechenschaft gezogen wurden. Eine umfassende Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte ist eine Selbstverständlichkeit“.

Bis diese Selbstverständlichkeit an Rhein und Ruhr durchgesetzt ist, wird vermutlich noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten sein. „Wie ihnen bekannt sein dürfte, existiert in der Bundesrepublik formal eine Gewaltenteilung“, klärte der Ratsherr seinen Internet-Provider mit Schreiben vom 23. Oktober auf. „Das LKA Berlin kann deshalb allenfalls bei der Berliner Staatsanwaltschaft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Plakats zur Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte beantragen. Dem steht allerdings §33, Absatz 2 des Kunsturhebergesetzes entgegen. Nur einer der abgebildeten Polizisten wäre demnach berechtigt, entsprechende Anzeige zu erstatten. Im Rahmen des Einstweiligen Rechtsschutzes könnte es dann dazu kommen, dass die Verbreitung des Plakates vorläufig untersagt wird. Erst dann gäbe es für mich Handlungsbedarf“, wies das Mitglied des whk Rheinland das Ansinnen auf Entfernung des Kunstwerks von der Website zurück. „Selbst den Versuch des Einstweiligen Verbreitungsverbotes halte ich aber aufgrund der in §23 Kunsturhebergesetz (Abs. 1.1 und 1.3) genannten Ausnahmen für wenig aussichtsreich. Die Veröffentlichung des Plakates ist durch diese Passagen ausdrücklich gedeckt. Spätestens im Hauptverfahren dürfte dann die Veröffentlichung des Plakates somit wieder genehmigt werden.“

Fürs erste dankte Laubenburg seinem Provider dennoch ausdrücklich. Dafür, die politische Debatte um vorhandene Grund- und Freiheitsrechte in der Bundesrepublik Deutschland „deutlich belebt“ zu haben.

Dirk Ruder