Weltfriedenstag, 1. September, Endredaktion. Seit drei Tagen stehen deutsche
Truppen in einem weiteren Balkanland. Abermals beschloss der Bundestag mit
großer Mehrheit, deutsche Soldaten dorthin zu entsenden, wo ihre Vorväter
mordeten.
Wie
1999 für Bomben auf Belgrad, Novi Sad und Nis, so stimmte auch am 29.
August 2001 der angeblich in der Friedensbewegung sozialisierte Vorzeigeschwule
der Nation mit Ja. Das ist konsequent; dank Volker Beck läßt seit
dem 1. August auch an der Heimatfront das letzte Aufgebot ein klares Ja hören.
Dort hat der rückwärtige Volkssturm auf die Anstandsämter begonnen.
Parole: Ficken für Deutschland!
In
Mazedonien soll nach Becks Wunsch die NATO sage und schreibe 3.300 Waffen
der albanisch-separatistischen Nationalen Befreiungsarmee UCK einsammeln die
von den NATO-Staaten zwecks Zerschlagung Jugoslawiens erst aufgerüstet
worden war. Um so kurioser wirken die täglichen Siegesmeldungen. Keine
Woche nach Beginn der Operation Essential Harvest habe man bereits die Hälfte
der vereinbarten Waffenmenge konfisziert. Bessere Luftgewehre zumeist, wie
den Fernsehbildern zu entnehmen ist. Was Briten und US-Amerikaner den Terrorkommandos
der UCK lieferten, war hingegen hochmodernes Kriegsgerät Mazedoniens
Innenminister spricht von schätzungsweise 85.000 Einheiten. Die Einheimischen
stehen unterdessen den sich wie Besatzer aufführenden Truppen äußerst
abweisend gegenüber. Wie im Kosovo sind sie auch hier eher die Schutztruppe
der UCK.
Ebenfalls
Ja zum Bundeswehreinsatz sagte selbstverständlich die bündnisgrüne
- Stillgestanden! - Verteidigungsexpertin Angelika Beer. Sie hat, siehe Illustration,
auch den körperlich-seelischen Ausgleich unserer Soldaten im Visier.
Vielleicht vertreibt ja ein zünftiger Etappenpuff die Suizidlaune? Im
August meldete das deutsche Balkankorps immerhin den achten Selbstmord. Der
Vollständigkeit halber: Auf andere Weise starben bisher 30 Bundeswehrangehörige
in Bosnien und Kosovo. Nix mehr mit Ficken für Deutschland.
Sonst
alles ruhig daheim und in den angrenzenden Gauen? Jawoll, Herr General, nur
ein paar Kommunal- und Landtagswahlen stehen im Herbst an: Niedersachsen,
Hamburg, Berlin.
In
der Hauptstadt löste sich an diesem Tage das Abgeordnetenhaus auf; am
21. Oktober werden die Sitze neu verteilt. Am 29. August wurde in der ARD
der CDU-Spitzenkandidat Frank Steffel von Parteifreund Michel Friedman befragt:
Sind Sie ein Rassist? Steffel: Ich bin kein Rassist! Aber: Es darf keine unbegrenzte
Zuwanderung mehr geben. Friedman: Hat es die je gegeben? Antwort: Nein. Warum
sagen Sie es dann? Er habe in seinem engsten Beraterkreis einen Filipino,
einen Libanesen, einen Türken und sogar einen Österreicher. Friedman
findet den Hinweis auf den Österreicher toll; in der früheren Ostmark
ist eine faschistische Partei an der Regierung.
Apropos
Österreich, apropos Faschisten. Um die Normalität perfekt zu machen,
wäre nur zu wünschen, dass sich auch Lesben und Schwule in der FPÖ
zu ähnlichen Maßnahmen entschließen könnten. Es müssen
ja nicht die sein, die im Parteivorstand sitzen oder in Ministerbüros
herumhuschen. Tiefer im Parteiapparat Angesiedelte tun es durchaus auch. Das
wäre verdammt anständig und ehrlich. Bei den ähnlichen Maßnahmen
handelt es sich um die Bildung von Homozellen in jener Partnerpartei der hiesigen
CDU, die Jörg Haiders Clique an die Macht gehievt hat. Der da von subalternen
Mitgliedern einer antisemitischen und rassistischen Partei Anstand und Ehrlichkeit
erwartet, heißt Hans-Peter Weingand. Der Titel seines Aufsatzes lautet
nicht Flink, zäh, hart, sondern Stark, schwarz, schwul,
und gedruckt hat ihn ein Magazin, das nicht Stolz heißt und von
der Homosexuellen Initiative Hermann-Göring-Stadt verlegt wird, sondern
auf den Namen Pride hört. Verlegerin: HOSI Linz.
Selbes
Thema, zurück nach Hamburg. CDU-Spitzenkandidat Ole von Beust, der Gerüchten
über seine homophilen Neigungen für gewöhnlich nicht widerspricht,
hat eine Koalitionsaussage zugunsten der Partei des Rechtspopulisten Ronald
Barnabas Schill gemacht und dem Richter Gnadenlos im Falle eines Wahlsieges
den Posten des Innen- oder Justizsenators angetragen. Schill liegt in Umfragen
derzeit bei 15 Prozent. Einziger Programmpunkt: Law & Order.
Zuletzt
noch eine Anmerkung zum Schwerpunkt dieser Gigi-Ausgabe in Form einer Hiobsbotschaft
für die gebildeteren homosexuellen Stände. Ungehörte Hilferufe
meldet die Queer-Zeitung vom September zur Schließung des Berliner Lesbisch-schwulen
Pressearchivs nach fast 30 Jahren sowie der Einstellung der Lesbisch-schwulen
Presseschau. Als hätten in der letzten Dekade nicht Computerkundige bei
drittklassigen Hofpostillen wie "Queer dir deine Meinung!" jenes
Klima herbeigeschrieben, in dem zwangsläufig Hilferufe traditioneller
politischer Einrichtungen der Zweiten deutschen Schwulenbewegung ungehört
verhallen: in einer Masse staatstreuer Ja-Sager.
Soweit die Berichte zur Lage am Weltfriedenstag. Ist Ihr Reisepass noch gültig?
Eike Stedefeldt