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Queer gegen Rechts ...


Mit der Verschärfung des reaktionären Ausländergesetzes und der Aushöhlung des Artikels 16 des Grundgesetzes wurde die staatliche Diskriminierung und Kriminalisierung von Menschen anderer Hautfarbe, Nationalität und Staatszugehörigkeit festgeschrieben. Die bloße Herausnahme homosexueller sogenannter binationaler Partnerschaften aus den Strukturen der Illegalisierung führt zur Entsolidarisierung von der MigrantInnen- und Flüchtlingsbewegung.” So stand es unter der Überschrift “Nazis sind Arschlöcher. Überall” im 1998er Gründungsprogramm des whk, dessen Förderverein Gigi herausgibt. “Emanzipation ist nicht teilbar” hieß es an anderer Stelle; folglich haben sich die AktivistInnen des whk nie auf Sexualpolitik beschränkt und bilden antirassistische Aktionen einen Schwerpunkt. In jeder Gigi-Ausgabe ist es nachlesbar.

Dieses Jahr liefen gutbürgerliche CSD-Paraden unter “Que(e)r gegen Rechts” ab. Die Losung störte so wenig, dass in Berlin unbehelligt mehr weiß-geschnürte Skinheads mitmarschierten als bei so mancher NPD-Demo und auch die Firma des vom Nazi- ins Gay Marketing gewechselten Bela Ewald Althans mit ihrem Wagen willkommen war. Sie alle können sich mittlerweile geborgen fühlen in einer “Community”, die ihren eigenen Rassismus nicht reflektiert, sondern mit Preisen auszeichnet (Beispiel: Schwules Überfalltelefon Berlin) und Nazi-Uniformen zum bloßen Fetisch deklariert. Gern lässt sich diese “Community” beim Feiern ihrer selbst auch beehren von Politikern wie Wolfgang Thierse, die die Nachkriegszeit mit einem Angriffskrieg beendeten und das Asylrecht faktisch abschafften. Ebenso willig lässt sie sich sponsern von den Vollstreckern: von jener Staatslinie nämlich, die zehntausendfach von Abschiebungen profitiert und der die unfreiwilligen Passagiere in der Regel durch den Bundesgrenzschutz zugeführt werden. Während letztes Jahr beim CSD noch eine Aktion vor dem Lufthansa City Center auf dem Kurfürstendamm stattfand, in Gigi kostenlos eine Anzeige von “kein mensch ist illegal” gegen die Lufthansa Deportation Class erschien, inserierte dieselbe Linie diesmal in der CSD-Nummer des kommerziellen Berliner Szenekalenders Siegessäule.

Was passieren kann, wenn sich “Queer gegen Rechts” mal nicht im puren Eigeninteresse wendet, zeigt der Fall von Markus B. Das Mitglied des whk Ruhr ist zugleich in der Initiative “Bürger beobachten den BGS” aktiv und hatte letztes Jahr am Dortmunder Hauptbahnhof gesehen, wie Bundesgrenzschützer gezielt von nicht “deutsch” aussehenden Menschen die Ausweispapiere verlangten. Kurzentschlossen fragte er die Beamten, ob hier nach Hautfarbe kontrolliert würde. Resultat: Mitnahme auf die Wache und Anzeige wegen Beamtenbeleidigung.
22. Juni 2001, Amtsgericht Dortmund. “Was hat Sie es zu interessieren”, fragt gleich zu Beginn der Vorsitzende Richter Jersch, “dass Ausländer kontrolliert werden? Es laufen ja schließlich genug rum ohne Ausweis.” Dieser politischen Zielvorgabe folgt keine Ablehnung des Richters wegen Befangenheit, sondern die Aussage des Zeugen Hauk (BGS). Er habe sich in der Umsetzung seines Auftrags, BGS-Zivilfahnder bei ihrer Handhabe des §22 (BGS und Einwanderung) abzusichern, gestört gefühlt. Trotz Aufforderung habe der Angeklagte keine “Luft zwischen sich und uns gebracht”. Nach Maßnahmebeendigung habe man sich dann “um ihn (Markus) kümmern” können: Abführen und Taschenkontrolle zur “Eigensicherung”, welche Aufkleber “Nazis raus aus den Köpfen” zu Tage geführt habe. Die Leibesvisitation begründet Hauk mit dem Verdacht auf Besitz von Betäubungsmitteln. Die Kollegen hätten sich vom Angeklagten beleidigt gefühlt. Dieser habe die Beamten ausgerechnet im Nazijargon “Ausländerjäger” und “Waffen-SS” genannt.

Diese Aussage unterstreichen soll der BGS-Beamte Oltersdorf. Er will sich ebenfalls an Beleidigungen erinnern können. Einen Eindruck vom Angeklagten habe er sich im Internet geholt, wo man von der Initiative “Bürger beobachten den BGS” lesen könne. Oltersdorf nennt keine Web-Adresse: die Bürgerinitiative besitzt nämlich gar keine. Sie kommuniziert aber per e-Mail. Dann unterläuft Oltersdorf ein Lapsus: Er bescheinigt Hauk, sich unangemessen dem Angeklagten gegenüber verhalten zu haben.

Anwältin Ingelore Stein baut ihre Verteidigung auf den widersprüchlichen Aussagen der Zeugen auf. Zudem würde Markus B. aufgrund seiner politischen Bildung von Nichtdeutschen statt von Ausländern sprechen und folglich keine Begriffe wie “Ausländerjäger” gebrauchen. Eben darum hätte er die Beamten ja auch gefragt, ob sie nach Hautfarbe kontrollierten.

Es steht Aussage gegen Aussage. Doch Richter Jersch begnügt sich nicht mit der “Beweisführung” der Staatsanwaltschaft und dem vage geforderten Strafmaß von 750 DM. Er greift einen Satz des Staatsanwalts auf – “Wenn jeder Anzeige wegen des Verhaltens der BGS-Beamten erstatten wollte, dann wären die Kollegen nur noch hier.” – und statuiert ein Exempel. Urteil: 1.400 DM Strafe. Es soll weh tun, denn: “Was hat er sich einzumischen?”

Diese Gigi-Ausgabe befasst sich schwerpunktmäßig mit staatlicher Repression – speziell gegen nonkonforme Sexualitäten. Die “Queer Community” ist infolge struktureller politischer Verblödung inzwischen außerstande, diese überhaupt wahrzunehmen und feiert fröhlich weiter – sich und ihre wunderbare Zivilcourage.

P.S.: Wer ist eigentlich Klaus Wowereit?

Eike Stedefeldt