Eine Sensation ists nicht: Die Redaktion legt dem Publikum die zwölfte
Ausgabe vor. Ein Dutzend dünner Hefte sind für Leserinnen und Leser
sicher kein grandioses Ereignis. Indes war und ist jedes neue Heft für
die ehrenamtliche Redaktion ein mittelprächtiger Kraftakt, und aus dieser
Perspektive sind zwei Jahre Gigi durchaus angetan zu einer ersten vorsichtigen
Bilanz.
Der 1.
März 1999 wars, da erging vom Förderverein des whk der Aufruf
für eine sexualemanzipatorische Zeitschrift. Darin hieß es:
Die lesbisch-schwule Presselandschaft ist verödet. Kommerzialisierung,
politische Indifferenz und redaktionelle Mittelmäßigkeit prägen
die bundesweite Monatspresse. Emanzipatorisches Gedankengut, subtile Analysen,
wissenschaftliche Erkenntnisse, fundierte Gesellschaftskritik finden in dieser
Subkultur kein Medium mehr. Dringender denn je wird heute eine sexualpolitische
Zeitschrift gebraucht (...), die: journalistisch gemacht und zitierfähig
ist; beim Publikum nicht auf dessen Dummheit spekuliert; ihre Existenz nicht
auf die kommerzielle Verwertung des menschlichen Körpers gründet;
sich nicht als Sprachrohr schwuler Bürgerrechtler mißbrauchen läßt;
Gesellschaft noch in soziale Klassen einzuteilen vermag; die Kirche im Dorf
läßt und nur dort; sich nicht scheut, auch schwule und lesbische
SoldatInnen als Mörder zu bezeichnen; den Mythos der Zweigeschlechtlichkeit
als soziale Konstruktion entschlüsselt; sich rektaler Integrationspolitik
verweigert und Feminismus und Patriarchatskritik nicht unter Fremd- oder Schimpfwörter
einordnet; die Vielfalt der Lebensformen statt ihrer Gleichschaltung propagiert;
jedwede Art von Diskriminierung und Unterdrückung bekämpft, insbesondere
rassistische.
Gut fünf
Wochen später war Gigi geboren, es startete ein gewagtes Experiment.
Themen wie Trans- und Intersexualität, Rechtsruck der Lesben- und
Schwulenbewegung, Lebensformenpolitik, Prostitution und sexuelle Gewalt stehen
im Mittelpunkt. Verständlich werden diese Themen jedoch erst durch die
Einbeziehung des gesamtgesellschaftlichen Rahmens, seien es Rassismus, patriarchale
Geschlechterrollen oder die Vergesellschaftung durch den Wert eine
Vernachlässigung dieses Rahmens führt in die identitätspolitische
Verdummung und auf das Niveau von schwul-lesbischen Heimatblättchen.
So ist Gigi heute das einzige Magazin, das den Raum einer politischen
Zeitschrift in der Lesben- und Schwulenbewegung ausfüllt ohne
sich zugleich selbst dieser zuzurechnen.
Bei dem, was Georg Klauda für die Gigi-Homepage formulierte, ist
es im wesentlichen geblieben; weiterhin ist die Lesben- und Schwulenszene
ein mal mehr, mal weniger dominantes Thema in Gigi. Kein Wunder, den
Raum einer politischen Zeitschrift hat ihr dort bisher niemand
streitig gemacht. Im Gegenteil: Die politische Verdummung schreitet voran.
Ansonsten
hat sich vieles verändert oder anders entwickelt als geplant: Das Gesicht
der Zeitschrift ist ein anderes als das von Heft 1, der Preis hat sich um
eine Mark, die Druckqualität um vieles mehr erhöht. Im Streit um
inhaltliche Konzepte und Erscheinungsweisen verlor die Redaktion am Ende maßgebliche
Mitarbeiter, eine kurze, aber heftige Krise ist überstanden. Ein Irrtum
war die Annahme, Gigi könne sich binnen absehbarer Frist vollständig
aus Abos finanzieren. Würde nur jede/r Abonnent/in ein weiteres
Abo vermitteln, hätten sich alle ökonomischen Probleme und die leidige
Anzeigenakquise erledigt. Andererseits steigt, wenn auch zu langsam, die Zahl
der Abonnements beständig, und es ist ein Phänomen, daß trotz
einer reinen Männerredaktion derzeit überwiegend Frauen Gigi
bestellen.
Das
nächste Experiment hat schon begonnen. Die Redaktion bezog soeben gemeinsam
mit dem Schwul-lesbischen Informations- und Presseservice SCHLIPS ein Büro
im Haus der Demokratie und Menschenrechte. Plötzlich hat Gigi
einen Ort, ist kaum 700 Meter vom Berliner Alexanderplatz entfernt
auffindbar zwischen amnesty international und Anarchistischer Bücherei,
Vereinigter Linker und Frauen-Partei, Journalistinnenbund und Philosophischem
Salon (sowie überaus tuntenfreundlich in unmittelbarer Nachbarschaft
eines Kosmetik- und Nagelstudios). Der Effekt ist spürbar: Gigi wird
leibhaftig wahrgenommen, regelmäßig klopft jemand an
die Türe, fragt nach, regt Zusammenarbeit an. Mit dem Büro verbindet
sich nicht zuletzt die Hoffnung, daß in den Produktionsprozeß
mehr Gleichmaß und ins Redaktionsarchiv Ordnung einkehren und auf dem
untenstehenden Konto für die Miete zahlreiche Spenden eingehen mögen.
Beides kann der publizistischen Qualität von Gigi nur zuträglich
sein.
Eike Stedefeldt