Am
14. April 1931 machte das SPD-Blatt Münchner Post mit dem Pamphlet
"Stammtisch 175" auf, das den SA-Chef Ernst Röhm bloßstellte.
Es folgte eine Kampagne, an deren Ende "Nazi" synonym für "schwul"
stand. "Hitler aber fordert heute Arm in Arm mit den 175ern das Jahrhundert
in die Schranken", schloss der Text. "Ich halte diese Angriffe gegen
den Mann nicht für sauber", ermahnte Ignaz Wrobel alias Kurt Tucholsky
in der Weltbühne vom 26. April 1932 die "radikale
Links-Presse", die offiziell den §175 bekämpfte, und Klaus
Mann wertete den Feldzug in den Europäischen Heften vom 24. Dezember 1934
als "sinnlose und überflüssige Ordinärheit"
"als spräche nichts gegen die Nazis außer dem Liebesleben
des dicken Hauptmanns".
Die
Neuauflage der überflüssigen Ordinärheit datiert vom 21. März 2000:
"Der Jörg will eh bloß kuscheln/Alle wissen Bescheid, aber
wenige wollen Jörg Haiders private Vorlieben wahrhaben." Was gerade
die tageszeitung bislang für alltäglich erklärte
sie galt seit ihrer Gründung 1979 als das schwulen- und lesbenfreundlichste
Medium überhaupt , denunziert ihr Autor Jochen Herdieckerhoff unter
Aufbietung des verschwiemeltsten Süffisanz-Repertoires: Vom "anderen
Ufer der Donau" liest man, von "strafrechtlichen Schwulitäten"
und "Landpartien ins junge Gemüse jenseits der nahe gelegenen slowakische
Grenze". Eine "verschwitzte Männerbündelei" sei "meist
von heftigem Schneegestöber begleitet worden". "Lieblingsbuberl"
werden präsentiert mal kriminell, mal "knabenhafter Jungspund",
mal Gaddafis Sohn. Ansonsten verkehrt Haider in der "Stricherszene"
wie dazumal der Hauptmann Röhm.
Das
Ganze wäre noch erträglich, beschränkte sich die Wiederbelebung
des nationalistisch begabten Knabenschänders auf halbseidene Unterleibsjournalisten.
Herausragendes Beispiel ist Elfriede Jelinek, die bekannteste österreichische
Gegenwartsdramatikerin. Seit Jahren den antikommunistischen und kulturchauvinistischen
Angriffen Haiders und seiner Korona ausgesetzt, hat Jelinek wahrlich Grund
genug, dem Antisemiten und Rassisten mit allen Mitteln der von ihm so verachteten
Kunst in die Parade zu fahren. Doch gerade Jelinek greift zur untauglichsten
Waffe von allen und leistet damit noch in ganz anderer Hinsicht den Offenbarungseid.
Da erklärt sie es auf jener Homepage, auf welcher der Lesben- und Schwulenverband
in Deutschland (LSVD) Prominente jedweder Couleur "Ja" zur Homo-Ehe
sagen lässt, zum "Gebot der Zivilisation, Minderheiten nicht zu
diskriminieren" und verweist darauf, in Österreich sei "skandalöserweise
ja sogar das Schutzalter für Homosexuelle ein anderes als das für
Heteros". Parallel jedoch liefert Jelinek die kriminalisierten Schwulen
im Stern (6/2000) anhand des gerüchteweise schwulen Austronazis dem "gesunden
Volksempfinden" aus: Jetzt könne Haider "endlich sein homoerotisches
System verwirklichen, seinen homoerotischen Männerbund. (...) Der Ungeist
setzt sich durch, das homoerotisch Männliche setzt sich gegen die Frau
durch."
Bigotterie
allerorten. Jelineks zweifellos berechtigter politischer Hass auf den Hauptmann
Haider legt so unvermittelt ein auch in der Linken tief verwurzeltes, privates
und kollektives Vorurteil bloß, das gemeinhin durch eine plakative,
medienwirksame Scheinliberalität verdeckt wird. Die taz (Neuester
Werbeslogan: "Eine muss es sagen") erklärt hingegen ihren publizistischen
Bankrott, indem sie den "politischen Gegner im Bett aufsucht" (Tucholsky),
als könne sie Haider sonst nicht ans Zeug. Die regierungstreue Mini-FAZ
hat es auch tatsächlich schwer mit ihm; seine Ausländerpolitik rangiert
viel zu dicht an der rot-grünen Praxis, und auch das Kleinbomben von
"Tschuschen" bzw. Serben vor Jahresfrist fand durchaus sein Wohlwollen.
Noch am Erscheinungstag übernimmt die rot-grüne Vorfeldorganisation
LSVD das Machwerk kommentarlos in ihren Pressedienst homosexuelle Identitätspolitik
in ihrer Gewohnheit, Desinteresse für Toleranz und Berichterstattung
für Akzeptanz zu halten, verliert vor Freude über jeden angeblich
schwulen Medienstar den letzten Rest an Verstand.
Dass
solcherart sexuelle Denunziation machbar ist und den Beifall des LSVD findet,
entlarvt dessen penetrantes Gesäusel von der "gewachsenen Liberalität
unserer Gesellschaft" als kreuzgefährliche Propaganda eines sich
anbiedernden Lobbyvereins. Diese übelste Sorte von Liberalität entspringt
nahezu ausschließlich einer neoliberalen Grundtendenz, die wiederum,
so der Psychologe Wolfgang Hegener 1994 in der tageszeitung, "mit
einem bestimmten Typ Kapitalismus zusammenhängt, in dem die Einschränkung
von Bedürfnissen ganz disfunktional wird". Wo die abweichende Triebvariante,
markt- und staatskonform durchgestylt, Karrieren beflügelt (gerade auch
bei Grünen und taz), hat sich das uralte Ressentiment zivil zu kleiden
und die offene Repression des Strafrechts dem hinterhältigen Normzwang
des Bürgerlichen Gesetzbuches Platz zu machen. Die "Eingetragene
Partnerschaft" stößt rechts der Mitte nicht umsonst auf wachsende
Sympathien; dass ein homophiler Staatsbürgerbund das Sondergesetz forciert
und Heterosexuelle es nach zehn Jahren demagogischer Gehirnwäsche mehrheitlich
bejahen, bestätigt dies nur: Das "Jawort" zur standesamtlichen
Erfassung der Homosexuellen ist billig und adelt als "aufgeklärt"
selbst jene, die mit Schwulen mal eben Männerbündelei und faschistischen
Ungeist assoziieren.
"Worauf es ankommt, ist nur der Geist, in dem der Bund geschlossen wurde, nicht der erotische Kitt, durch den er zusammenhält", schrieb Klaus Mann. Ohne diese Einsicht wird man künftig keine Antisemiten und Rassisten mehr kennen, sondern nur noch Homosexuelle.
Eike Stedefeldt