Man kann von der Ehe halten was man will. Das ändert aber nichts
daran, daß die Verweigerung des Rechts auf Eheschließung für
Homosexuelle eine Diskriminierung darstellt. Niemand käme auf die Idee,
Juden wegen ihres Glaubens oder Türken wegen ihrer ethnischen Herkunft
das Heiraten zu verbieten. Genau das passiert Schwulen und Lesben wegen ihrer
sexuellen Orientierung.
Juden
und Ausländer leben in Deutschland wie die Maden im Speck, während
Schwule darben müssen. So liest sich die Wahnvorstellung von Jürgen
Bieniek, dessen üble Mischung aus vorgeschobener Liberalität und
tatsächlichem Ressentiment in der letzten Ausgabe als prototypisch für
den schwulen Antisemiten beschrieben wurde. Angesichts der stereotypen Erwähnung
der Juden in den jüngsten Artikeln Bienieks, in denen von Schwulendiskriminierung
die Rede ist, fragt man sich, ob er an einen sinistren Zusammenhang glaubt
oder sich darüber empören will, daß ausgerechnet die Juden
etwas dürfen, was ihm als Volkgenosse verwehrt wird.
Bieniek
legt also gegenüber der August-Ausgabe des Gay Express noch einmal
nach und liefert einen weiteren Beweis für das Verrücktwerden schwuler
Identitätspolitik: Während Flüchtlingen in Deutschland das
blanke Existenzrecht geneidet wird und Juden heute wieder besser den Namen
an ihren Türschildern vertauschen, geriert sich Bieniek als vernachlässigtes
Opfer und verfolgende Unschuld.
Er bedient
sich dabei der üblichen rhetorischen Kniffe der Becks, Bruns und
Dworeks. So wird die Homo-Ehe etwa als eine Menschenrechtsfrage
behandelt. Wenngleich das Recht auf freie Partnerwahl in der UNO-Menschenrechtserklärung
verankert wurde, um Frauen vor Zwangsverheiratung zu schützen, so hört
man doch selten, daß deutsche Lesben und Schwule zur Heirat gezwungen
würden. Umgekehrt klingt die Vorstellung fremd, daß auf dem Standesamt
Dokumente vorgelegt werden müßten, die die richtige sexuelle Orientierung
der Brautleute beweisen, wie das ständige Geschwafel vom Heiratsverbot
aufgrund der sexuellen Orientierung suggeriert. Es ist eine absurde
Argumentation, der der Antisemitismus nicht ohne Grund auf dem Fuße
folgt: Wo man nur mit Sophisterei die eigene Diskriminierung nachzuweisen
vermag, wird auf jene eingeschlagen, denen man die reale Opferrolle verübelt.
Seit dem Fall des §175 wird der Verweis auf die rechtliche Diskriminierung
vollends zum frei delirierenden Wahn.
Gleichzeitig
werden tatsächliche Unterdrückungserlebnisse, die der Konstitution
einer lesbischen und schwulen Identität vorausgehen, getilgt. Da der
Begriff der Diskriminierung, der in Deutschland nie etwas anderes meinte,
als daß man sich von Staat und Volk nicht geliebt fühlt, eine fertige
Identität voraussetzt, wird der darin liegende Zwang zur Identität
schon nicht mehr reflektiert.
Laut einer
Studie der Berliner Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport liegt
die Quote von Suizidversuchen bei Jugendlichen mit einer anderen sexuellen
Orientierung bei 18 Prozent. Eine Erhebung unter transsexuellen Jugendlichen
gibt es nicht, während man bei Intersexen, die in ihrer Kindheit massiven
medizinischen Eingriffen in Anwesenheit sogenannter Vertrauenspersonen ausgesetzt
wurden, besser gleich nach Überlebenden zählt.
Daran, nicht am relativierenden und verharmlosenden Begriff der Diskriminierung,
hätte sexuelle Politik sich zu orientieren.
Georg Klauda