Auf
der CSD-Demonstration am 28. Juni in Hamburg entdecken TeilnehmerInnen verdeckt
fotografierende Zivilpolizisten. Als sie die Herausgabe der Fotos verlangen,
setzen die Beamten Sprühgas ein. Schwulengruppen debattieren daraufhin
das tatsächliche Ausmaß staatlicher Bespitzelung. Zwei Tage nach
dem CSD zerschlagen Schwule in acht Toiletten der Stadt Einwegspiegel, durch
die die Behörden jahrelang den Publikumsverkehr beobachteten.
Die heimliche Kontrolle am Pinkelbecken erregt bundesweite Empörung.
Der Spiegel kommentiert die Klappenspiegelaffäre: Wer
nicht gleich konnte und zu lange am Urinbecken stand oder zur Seite blickte,
lief Gefahr, Hausverbot zu bekommen ob schwul oder nicht. Auf
öffentlichen Druck räumt die Polizei schließlich ein, Hausverweise
gegen mindestens 1200 Personen sowie Anzeigen wegen Erregung öffentlichen
Ärgernisses ausgesprochen zu haben.
In
Berlin registriert die Ermittlungsgruppe Schwule beobachten die Polizei in
der ersten Jahreshälfte einen Anstieg von Kontrollen und Einschüchterungsaktionen
in Cruising-Areas, die Innensenator Heinrich Lummer (CDU) zu verantworten
hat. Im August erreichen die Aktionen mit einer Razzia in Tom's Bar ihren
Höhepunkt. Auf ihrem vierten Bundestreffen in Göttingen erklärt
die Demokratische Schwuleninitiative (DeSI): Gerade jetzt werden wieder
verstärkt Razzien in Treffpunkten von Homosexuellen durchgeführt,
um die Rosa Listen zu füllen. Das Schwulenmagazin Torso kommentiert:
Vorhandene Rosa Listen werden nicht vernichtet und es gibt genügend
Hinweise, dass neue angelegt werden ... Wir wagen zu behaupten, dass das ...
dem Zweck dient, uns als Sicherheitsrisiko frühzeitig zu
erfassen und ... entsprechend zu disziplinieren. In München erregt
der Kreisverwaltungsreferent Peter Gauweiler (CSU) mit Säuberungsaktionen
auf der Klappe im Stachus-Untergeschoss Aufsehen. Zuvor hatte der CSU-Generalsekretär
Stoiber gefordert, man müsse das Homosexuellenproblem eindämmen.
Die
Staatsanwaltschaft I in München urteilt, die in einem Antrag der CSU-Stadtratsfraktion
enthaltene Wertung, homosexuelle Klappengän-ger seien soziallästig,
stelle keine Beleidigung dar. In den Hauptbahnhöfen Frankfurt a. M.,
München und Essen erteilt die Bahnpolizei Haus-verbote gegen Gliedvorzeiger
und Anhänger der Gewerbsunzucht bundesweit gegen etwa
60.000 Personen jährlich. Teile des Bahn-hofsgebäudes in Frankfurt
a.M. werden per Video überwacht. In Karlsruhe schüren regelmäßige
Polizeikontrollen in der Szene ein Klima der Einschüchterung. Betroffene
befürchten sogar eine geheime Kartei. (Karlsruher Rundschau) Der
Bundeswehrgeneral Günter Kießling wird vom Militärischen Abschirmdienst
(MAD) fälschlich in der Kölner Szene eindeutig
identifiziert und muss seinen Abschied nehmen. Angesichts der allgemeinen
AIDS-Hysterie führen Behörden im gesamten Bundesgebiet verstärkt
Razzien und Kontrollen durch.
In
München setzt die Polizei Lockvögel auf Toiletten ein: Polizeieinsatz
im Pissoir: Verhaftet, weil beim Pinkeln nichts mehr ging! (TZ) In Hannover
führt die Polizei am 20. Juli eine Razzia in fünf Schwulenkneipen
durch, bei der laut Behörde alle anwesenden Personen
mindestens 94 registriert werden müssen. Die Polizei
spricht von einer in dieser Größenordnung bisher nicht erfolgten
Aktion aus Gründen des Jugendschutzes. Die Berliner Gesundheitsverwaltung
weitet den amtlichen Empfängerkreis von Personendaten über Träger
von Geschlechtskrankheiten erheblich aus. Innensenator Heinrich Lummer erklärt,
regelmäßige Poli-zei-einsätze gegen verdächtig
erscheinende Perso-nen im Tiergarten dienten dem Schutz der Homo-sexuellen.
Allein an einem August-Abend werden über 200 Personen kontrolliert
darunter auch Gäste eines nahe gelegenen Punklokals. Ein schwules Razzientelefon
dokumentiert fortan alle Polizeiübergriffe.
Die
CDU-Fraktion in Berlin-Tiergarten stellt den Antrag, die umweltschädigende
Übernutzung des Tiergartens in seinen Kernbereichen einzuschränken.
Am 12. April führt die Polizei eine Rou-tinerazzia in der
Szenebar Querelle sowie rund um die Klappe an der Siegessäule durch.
Der Justizsenat gibt die Existenz von §175-Dateien bei Polizei, Amts-
und Staatsanwaltschaft zu. Die Daten werden bis zu zehn Jahre verwahrt. Zu
den Wahlen zum Abgeordnetenhaus fordert ein Bündnis von Berliner Schwulengruppen
das Zusammenstellen von Rosa Listen technisch unmöglich zu machen.
Personenkontrollen an schwulen Treff-punk-ten und in schwulen Kneipen sind
unzulässig. In Kassel geraten Klappen ins Visier der alternativen
Stattzeitung: Wen aber die Natur nicht so großzügig mit körperlicher
Schönheit bedacht hat, wer die 30 schon überschritten hat, der wird
wohl weniger leicht an einer Klappe vorbeikommen. Der schwule Bundes-tagsabgeord-nete
Herbert Rusche (Grüne) entdeckt im Mainzer Hauptbahnhof eine Videoüber-wachung
an der Bahnhofsklappe. In München schickt Peter Gauweilers Kreisverwaltungsreferat
Spitzel in Klappen und Homo-Kneipen der Wirt des Bel Ami verliert daraufhin
seine Lizenz. Die Schwulenbe-wegung weist das Vorhandensein von Rosa Listen
in der bayrischen Landeshauptstadt nach. In Bremen wirbt die Polizei V-Leute
in der Schwulenszene an und setzt agents provocateurs ein. Die Behörden
legen Namens- und Bildkarteien an. Der Spiegel berichtet über den Verfas-sungsschutz,
die Behörde sammele so hemmungslos Daten, dass ein Prüfungsbericht
der Bundes-Datenschutzbeauftragten nur unter extremen Geheimhaltungsmaßnahmen
von den Bundestagsabgeordneten eingesehen werden konnte: Speichermerkmal
für triebhafte Personen in der Datei der Verfassungsschützer ist
H 70, für Homosexuelle H 71, für Bisexuelle und für Lesben
sind H 72 und H 73 reserviert. (Siegessäule) In Hannover gründen
Schwule die Zentrale Erfas-sung Homosexualität (ZEH). Das Projekt will
u.a. auf Diskriminierungen als systembedingte gesellschaftspolitische
Erscheinungen aufmerksam machen.
Die
Kontrolle von Bars, Saunen und Klappen in München wird verstärkt.
Peter Gauweiler plant die Anwendung des Bundesseuchengesetzes auf AIDS-Kranke.
Der Berliner Tagesspiegel berichtet im Juli von einer Großrazzia
in einem laut Polizei Homosexuellenschuppen in der
Motzstraße. In Bremen werden Homosexuelle als HIV-Risikoverdächtige
ohne deren Einwilligung getestet. Das Rat & Tat Zentrum der Stadt verweist
auf die immer noch bestehende Schwulen-Kartei bei der Polizei. Angesichts
der neuen Sicherheitsgesetze, die den Austausch von Dateien zwischen Polizei
und Geheimdiensten ausweiten, beteiligen sich Schwule am Berliner Koordinationstreffen
gegen Überwachung und engagieren sich gegen die für 1987 geplante
Volkszählung: Von der Vorstellung von Rosa Listen muss man sich
lösen; computergespeicherte Persönlichkeitsmerkmale, die an verschiedenen
Orten abgefragt werden können, sind indes nicht erfreulicher. (Siegessäule)
Rosa
Listen-Skandal in Köln. Nach dem Mord an einem Schwulen lädt die
Polizei mindestens 250 Schwule, die in der Kartei der Bahnpolizei ver-zeichnet
sind, zum Blutgruppennachweis ins Polizeipräsidium. Die Bundesarbeitsgemeinschaft
Kritischer Polizisten spricht daraufhin von erhärteten Tatsachen,
dass im Austausch mit anderen Städten ... Auskunft über Homosexuelle
aus Listen gegeben wird. Der Bundesverband Homosexualität (BVH)
fordert ein nachprüfbares Verbot der Speicherung von Schwulen bei
allen Sicherheitsbehörden und eine Abschaffung der Bahnhofsverweise
durch die Bahnpolizei. Die Innenministerkonferenz der Länder beschließt,
die Speicherung von Hinweisen auf HIV-Infizierungen in das Ermessen des Bundes
und des jeweiligen Landes zu stellen. Als einziges Bundesland erklärt
Niedersachsen, Daten über HIV-Infizierte ab sofort nicht mehr in der
Polizeidatenbank INPOL zu sammeln. Die Angaben zu 43 gespeicherten Per-sonen
werden gelöscht. In Berlin wird das schwule Razzientelefon aufgelöst.
Aus seiner Tradition entstand letztlich das Schwule Überfalltelefon,
nun für Opfer von Gewaltangriffen, behauptet der schwule Journalist
Jens Dobler später.
Rosa
Listen-Skandal in Stuttgart. Nach dem Mord an einem Schwulen auf der Klappe
am Kursaal verhört die Polizei mindestens 60 Männer, die dort in
den Jahren zuvor in Personenkontrollen geraten waren. Die Zeugen werden auf
freiwilliger Basis fotografiert, außerdem nimmt die Behörde
Fingerabdrücke. Baden-Württembergs Datenschutzbeauftragte Ruth Leuze
kann das Vorhandensein von Rosa Listen indes weder bestätigen noch dementieren:
Die Polizei läßt mich nicht kontrollieren. Das Schwulenmagazin
Rosa Flieder spricht von einer Schleppnetzfahndung gegen Schwule.
Vier Jahre später erklärt Jens Dobler wider besseres Wissen: Es
sei angemerkt, dass es sich im Stuttgarter Fall um die letzte bekanntgewordene
Rosa Liste handelt und dass die Stuttgarter Polizei heute mit der Schwulenbewegung
eine vorbildliche Zusammenarbeit eingegangen ist.
Im
Februar stellt der BVH fest: Die Polizeibehörden in Frankfurt/M.
und der Hansestadt Bremen sammeln offensichtlich routinemäßig Erkenntnisse
über die bundesdeutsche Schwulenbewegung ... aus Schwulenzeitungen und
der Tagespresse ... Damit haben die Rosa Listen-Skandale in der Bundesrepublik
eine neue Qualität erhalten. Die Zeitungsberichte hatte nachweislich
der VS gesammelt. Bei einer Un-tersuchung des Vorfalls stößt der
hessische Da-tenschutz-beauftragte Spiros Simitis auf eine weitere Überraschung:
In der Akte zum BVH fand er ein Telex des LKA Wiesbaden mit den Daten
von den 1987 amtierenden Vorstandsmitgliedern. Der Verteiler dieses Telex
sah alle Landeskriminalämter, das BKA, den hessischen Verfassungsschutz
und die Innenministerien von NRW und Hessen vor. (BVH-Magazin). Die
Demokratische Lesben- und Schwulenintitiative (DeLSI) fordert in ihrem Grundsatzprogramm
die Vernichtung aller Rosa Listen und wendet sich gegen
eine Politik des gläsernen Menschen, die die lückenlose
Erfassung ganzer Bevölkerungsgruppen zum Ziel habe.
In
einem Widerspruchsverfahren beim Amtsgericht Stuttgart erklärt die Polizei,
die Kontrollen an Schwulentreffpunkten dienten nicht zuletzt auch dem
Schutz der Homosexuellen. Personenbezogene Daten würden in Handakten-Akteien
bis zu fünf Jahre gespeichert. In Bayern wird bekannt, dass die Gesundheitsämter
bis 1990 im Rahmen seuchenrechtlicher Maßnahmen insgesamt 7466
Personen vorgeladen haben, bei denen der Verdacht bestand, sie könnten
andere Men-schen mit dem HIV-Virus anstecken. In 202 Fällen wurde die
Vorladung mit Zwang durchgesetzt und dabei 40 Personen zwangsgetestet. Bei
lediglich 3,2% der insgesamt getesteten war das Ergebnis positiv. Die erfolgreiche
Maßnahme zeige, dass mit diesen Maßnahmen gerade Personen
mit höherem Risiko für HIV-Infektionen erfasst werden können,
erklärt Innenstaatssekretär Günther Beckstein, der in der CSU
auch den Landesarbeitskreis Polizei leitet. Im November stürmt die Polizei
in Berlin eine Versammlung der Arbeitsgemeinschaft Pädophile im BVH im
Café Anal sowie im Café Graefe in Kreuzberg. Innensenator Dieter
Heckelmann (CDU) begründet den Einsatz mit der Vermutung, dass
sich im weiteren Bereich des Volksparks Hasenheide ein Brennpunkt hinsichtlich
der Begehung von Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern bilden soll.
In
der Nacht zum 21.März stürmen rund 40 Polizisten in Kampfuniform
die Berliner Stricherbar Tabasco. Die Gäste werden mit gezogenem Knüppel
bedroht und kontrolliert, mehrere beschimpft und verletzt. Die AL-Fraktion
im Abgeordnetenhaus fordert daraufhin lediglich, zu den Befugnissen des Homobeauftragten
bei der Polizei müsse unbedingt eine Konsulta-tionspflicht vor
Razzien gehören. Die Bundes-arbeits-gemein-schaft Schwule Juri-sten
(BASJ) rät allen, in Klappen, Parks, Saunen, Kneipen und Discos
immer einen gültigen Ausweis mitzunehmen für den Fall, dass
die Polizei als Ordnungshüter erscheine: Alle, die
in sol-che Razzien hineingeraten, müssen sich ausweisen und die Abgleichung
ihrer Personalien mit den zentralen Polizeidateien dulden ... Wer auf Klappen
Hetero-sexuelle zu unvorsichtig anmacht, riskiert eine Strafanzeige wegen
Beleidigung ... Handelt es sich bei dem anderen in Wirklichkeit ... um einen
verdeckten Ermittler der Polizei, scheidet Beleidigung aus, weil es das Ziel
des Polizeibeamten war, sich anmachen zu lassen ... Gelegentlich sind Schwule
in solchen Fäl-len wegen exhibitionistischer Handlungen ... bestraft
worden ... Es kommt in solchen Fällen allenfalls eine Ordnungswidrigkeit
nach §118 OWiG in Betracht. In Ulm, Osnabrück und Braunschweig
werden nachweislich Schwulentreffs überwacht. Auf die Frage des Journalisten
Jens Dobler, ob er sich in seiner Behörde einen Ansprechpartner für
Homosexuelle vorstellen könne, antwortet der Hannoveraner Kriminaldirektor
Peter Eggerling: Das haben wir eigentlich schon durch die ... Sachbearbeiter
innerhalb des Fachkommissariats, das auch für diesen Bereich zuständig
ist ... die Sittenpolizei. Der erste Gesprächskreis
lesbischer und schwuler Polizeibediensteter bildet sich: Und jeder hatte
seinen Traum: Beim CSD wollten wir irgendwann in Uniform mitmarschieren.
Die
Presse in Münster berichtet unter dem Titel Homosexuellen-Treff
ja aber bitte nicht so! im September über den Autobahnparkplatz
Rohrbusch an der Autobahn A 1: Zwar macht den Ho-mos, die sich hier
im Rohrbusch verstecken, wohl die Gewalt gegen Schwule Angst,
wie dem zurückgelassenen Info-Material zu entnehmen ist. Doch ihre Frage
Was kannst du selbst zu deinem Schutz tun? stellen sich jetzt
in anderer eindringlicher Weise Roxeler Bürger ... Vielleicht hilft auch
hier etwa nach dem Beispiel vieler Elterninitiativen für Tempo
30 eine Bürgeraktion. In einer im Auftrag des Sozialministeriums
in Niedersachsen von Jens Dobler verfassten Studie geben mehr als 12 Prozent
der Befragten an, schon einmal in eine Razzia oder erzwungene Personenkontrolle
geraten zu sein. In Göttingen treffen sich zum dritten Mal schwule Anti-Gewalt-Projekte:
Mit der Streitfrage, ob eine Zusammenarbeit mit der Polizei legitim
ist, wird heute pragmatischer umgegangen.
In
Berlin gehen Polizei und BGS mit rüden Methoden gegen Stricher
(taz) am Bahnhof Zoo vor. Ein 15jähriger schwuler Stricher muss sich
vor Azubis des Bundesgrenzschutzes nackt ausziehen. Wer gegen Hausverbote
verstößt, muss damit rechnen, am Stadtrand ausgesetzt zu werden.
Die Berliner Polizei erklärt, an Schwulentreffpunkten künftig nur
noch unauffällige Razzien durchzuführen. Auch Schwulenwirte
ziehen die Notwendigkeit von Razzien in der Szene nicht länger in Zweifel.
Der Wirt des Tabasco, Uli Menze, erklärt, er habe überhaupt nichts
gegen die höflichen Einsätze, die es in den letzten
beiden Jahren in seinem Lokal gegeben habe. Es gehe allein um die Form
in der solche Einsätze ablaufen. In Kreuzberg kontrollieren Polizisten
auf der Klappe Urbanstraße und erteilen mindestens drei Platzverweise:
Solange wir hier in Kreuzberg Streife fahren, bleibt dieser Platz sauber!
Unterdessen verkauft der Berliner Senat 111 von 285 öffentlichen Toiletten
an die Firma Wall; die ersten Klappen werden geschlossen oder abgerissen.
In Friedrichshain streifen Polizisten mit Taschenlampen durchs Gebüsch
am Märchenbrunnen. Überall in der Stadt häufen sich Platzverweise
auch gegen Stricher, Obdachlose und Fixer. Beim CSD in Bremen verhindert der
CSD-Verein Weser/Ems mit Hilfe der Polizei die Teilnahme der schwullesbischen
Initiative Suspekt an der Gay Parade. (taz) In Göttingen
proben Deutschlands lesbi-sche Polizistinnen und schwule Polizisten
den Aufbruch (Magnus) auf ihrem ersten Bundestreffen.
In
München sorgen Polizisten für einen Skandal, als sie bei mindestens
sechs Kontrollen am Hauptbahnhof Vermerke wie Homo-Szene und Homo-Strich
in ausländische Pässe eintragen. Die im Stadt-rat vertretene Rosa
Liste kommentiert, diese Vorfälle passten zur Strategie der Polizei.
So sei es üblich, dass Polizisten in Zivilkleidung auf öffentlichen
Toiletten für Ruhe und Ordnung sorgten: Wenn zwei Männer auf
einer Klappe mit Sex anfangen, tobt sofort ein Polizist herum. Ihre Personalien
werden aufgenommen, eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch folgt. In Essen,
Hannover und Mannheim treten Homosexuelle und Polizei in einen Dialog.
Im Juni gründet sich in Berlin unter Schirmherrschaft Charlotte
von Mahlsdorfs der Homosexuelle Arbeitskreis Polizei Berlin-Brandenburg.
Für den SVD fordert Volker Beck, angesichts von 30 schwulen Mordopfern
pro Jahr müsse die Polizei eng mit den Initiativen zusammenarbeiten.
Auf
Druck des Münchner Kreisverwaltungsrefe-ren-ten Hans-Peter Uhl (SPD)
muss die Schwulensauna Dom Pedro schließen, nachdem erfahrene
Späher der Kriminalpolizeidirektion 1 (Süddeutsche Zeitung)
dort ein Bordell und unsafen Sex entdeckt haben wollen. Die Schließung
sei Ausdruck einer eklatanten Verschärfung von repressiven Maßnahmen
gegen Schwule, die in letzter Zeit zu verzeichnen ist, kommentiert ein
Vertreter der Rosa Liste. Man habe Informationen über teilweise
mehr-ma-lige wöchentliche Razzien sowie Einsätze von
Zivilpolizisten auf öffentlichen Toiletten, die über Kabinenwände
schauten, um Schwule zu ertappen. Zur Münchner Stadtratswahl fordert
die Rosa Liste: Die Speicherung von Daten zur sexuellen Orientierung
oder über HIV-Infektionen bei Stellen, die dem kommunalen Zugriff unterliegen,
sind zu löschen und zu unterbinden ... Treffpunkte ... dürfen nicht
durch ... Sonderbestimmungen unter Vorwänden wie AIDS-Prävention,
Jugendschutz oder Verhinderung von Straftaten beschnitten werden ... Die Überwachung
von Sexshops hat sich auf den Verbraucherschutz zu beschränken und darf
nicht zur Bevormundung mündiger BürgerInnen werden. Begrüßt
lediglich vom Schwu-lenverband in Deutschland (SVD) ernennt der Polizeipräsident
in Köln zwei Kriminalhaupt-kommissare zu Beauftragten für
gleichgeschlechtliche Lebensweisen. Im September schließt das
Ordnungsamt der Domstadt den Darkroom der Diskothek Lulu wegen eines Gastronomiegesetzes
aus den 50er Jahren. In Berlin löst Hartmut Riechers als Ansprechpartner
bei der Polizei seinen Vorgänger Heinz Uth ab. Derzeit bereitet
Riechers über die Schwulenvereine die kommende Cruising-Zeit
vor. Wenn die Temperaturen steigen und die Klappen in den Parks wieder aufleben,
wird auch verstärkt die Polizei vor Ort sein. Doch nicht, um Schwule
zu observieren, sondern um ihnen Schutz zu bieten. Die Zeiten, als Polizisten
mit Gummiknüppeln Stricher- oder andere Kneipen stürmten und gegen
die Schwuchteln vorgingen, gehören der Vergangenheit an.
(Neues Deutschland) Die Abendzeitung in Nürnberg entdeckt den schnellen
Sex auf dem Parkplatz Eltersdorf: Bei Sympathie führt der
erste Weg ins Gebüsch. Wenig später wird die Örtlichkeit
vom Autobahnamt umzäunt; die Polizei gibt an, dort ständig
Personen zu kon-trollieren. In der Schwulenpost gibt daraufhin Michael
Glas (SVD) Tips zum Umgang mit der Polizei: Die Polizei
ist nahezu überall zu Ausweiskontrollen befugt. Das ist erstmal keine
persönliche Schikane, sondern dient der öffentlichen Sicherheit,
zum Beispiel zum Fassen flüchtiger Straftäter. Natürlich kontrollieren
die BeamtInnen nicht wahllos, sondern Leute, die ihnen kontrollwürdig
erscheinen. In Fürth wird ein Parkplatz auf Drängen des CSU-Ortsverbands
eingezäunt. Der örtliche Hauptkommissar Walter Köhler hofft
nach dem Vorstoß der Stadträte auf Unterstützung von Innenminister
Beckstein, um die Schwulenszene zu verdrängen. Bei einer
Razzia am Tag vor der ersten sachsen-anhaltinischen CSD-Demonstration stürmen
160 schwerbewaffne-te Polizisten das Schwulenlokal Zoom in Halle. Die 75 Gäste
im Lokal müssen sich ausziehen und gefesselt auf den Boden
legen. Es werden Personalien aufgenommen und Videos angefertigt, es herrscht
ein vierstündiges Sprech- und Bewegungsverbot. Der SVD-Landessprecher
Martin Pfarr (SPD) erklärt beim Verbandstag 1997 in Berlin, die angebliche
Razzia gegen Lesben und Schwule habe sich lediglich als normaler
Einsatz gegen den Drogenhandel erwiesen.
In
München wird ein schwuler Tourist auf der Klappe von homophoben Polizisten
verprügelt. Die Rosa Liste fordert den Stadtrat auf, keinen Strafantrag
wegen Hausfriedensbruch bei einvernehmlichen sexuellen Handlungen in öffentlichen
Toiletten zu stellen. Bei Razzien in der Szene werden im März 46
Männer registriert und drei wegen Verstoßes gegen das Jugend- und
Ausländerrecht festgenommen. Im Ruhrgebiet wird der gesamte Baumbestand
am Autobahnrastplatz Marl-Sinsen abgeholzt. Die Polizei, die den beliebten
Schwulentreffpunkt verstärkt mit einer mobilen Wache schützte,
will die Aktion nicht veranlasst haben. In Mönchengladbach sticht ein
städtischer Beamter am Rastplatz Borkener Heide an der A 52 auf einen
Mann ein, weil ihn die Untätigkeit des Ordnungsamtes gegen den dortigen
Schwulentreff störte. Der Datenschützer in Schleswig-Holstein, Helmut
Bäumler, deckt beim Staatsschutz der Polizei massive Verstöße
auf. So sei in den Akten von zwei observierten Frauen der Zusatz lesbisch
erfasst worden. In Berlin stürmt die Polizei die Klappen am Bayrischen
Platz und am U-Bahnhof Steglitz wegen Drogenkriminalität und Prostitution:
Ein Polizist hat zu mir gesagt, wenn es nach ihm ginge, würden
alle Schwulen aus Berlin verschwinden. Der Stadtrat will im sogenannten
Bermuda-Dreieck um die Motz-stra-ße keine Homo-Bars mehr
zulassen, weil Anwohner über Straßenstrich und Drogenhändler
klagten. In Hamburg wird das Schwule Überfalltelefon eingeweiht. Das
Szenemagazin Hinnerk rät Cruisern: Keinen Widerstand leisten
und dahin laufen, wo es hell ist. Im Rundbrief PID Infor-mationen
für lesbische und schwule Polizeiangehörige, herausgegeben vom Homosexuellen
Arbeitskreis Polizei (HaPol) in Berlin, bewirbt Jens Dobler sein gerade erschienenes
Buch Lesben, Schwule, Polizei. Vom Zwangsverhältnis zur Zweckehe?
mit der Bemerkung, im Hinblick auf polizeiliche Repression sei seit Ende der
80er Jahre Entspannung angesagt. An gleicher Stelle mahnt der
ehemalige Homobeauftragte Heinz Uth (Bündnis 90/Die Grünen) die
Homo-Polizisten: Dabei gilt es gerade im Moment hellwach zu sein ...
denn die Gefahr kommt frontal, nicht mehr verdeckt von hinten ... Gewalt oder
Gegen-Gewalt gegen ... Bullen ist nicht mehr nur ein halblegales Mittel der
aktiven Linken. Ihre politisch korrekten Gewaltformen wie Schlägereien/Schießereien
... sind Volxsport geworden. Kein Wunder, dass nun auch die Rechte Lunte riecht,
reagiert ... Noch immer gilt die Polizei als einer der letzten konservativen
Bastionen, weshalb vielfältige Präsenz und sichtbare Aktionen nötiger
sind denn je ... Es kann doch nicht so schwer sein zum CSD ... ein Highlight
zu servieren ... Eine interessante Abend- oder Tanzveranstaltung mit ... dem
Innensenator ... muss doch möglich sein. Beim CSD schließen
die Veranstalter mit Hilfe der Poli-zei den Wagen des linken Herz-mit-Hirn-Blocks
wegen der Gewalttaten von der Parade aus es kommt zu Krawallen.
(Tagesspiegel)
Die
Innenministerkonferenz der Länder beschließt die Aktion Sicherheitsnetz
zur Steigerung der Sicherheit und Ordnung in den Städten und Gemeinden.
Beim Berliner CSD filmt mindestens ein Mitglied des Homosexuellen Arbeitskreises
Polizei (HAPol) im dienstlichen Auftrag den linken Herz-mit-Hirn-Block.
Das Leipziger Queer-Bündnis erklärt daraufhin: Homo-Bullen
sind Szenespitzel! Im gleichen Monat führt die Polizei in der Hauptstadt
Klappenkontrollen am Platz der Luftbrücke und am Hermannplatz durch.
Motto: Das ist kein Bumsschuppen hier! Die Siegessäule kommentiert,
es häuften sich Meldungen, dass die Polizei massiv und pauschal
alle Anwesenden überprüft und Ausweise einsammelt. Einem Schwulen
wurde dabei gar gleich für die gesamte Hasenheide ein Platzverweis erteilt.
In Stuttgart erregt sich die CDU über einen der größten
Männerstriche in Baden-Württemberg am Fernsehturm und fordert
Maßnahmen zur Eindämmung dieses Ärgernisses. Daraufhin
teilt Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) mit, das Gebiet werde
regelmäßig kontrolliert, Verstöße gegen
die öffentliche Sicherheit würden mit Platzverweisen und Bußgeldern
geahndet. Der Stadtrat von Weinheim fordert die Sperrung des Parkplatzes Wachenburg
an der A 5: Die Tole-ranz-bereitschaft der dort lebenden Bewohner ist
am Ende. In Bochum erklärt die mit dem SVD unter dem Motto Liebe
verdient Respekt kooperierende Polizei ihren Respekt für
Liebe, nicht für öffentliche Sexualität. In Essen entdeckt
die Lokalpresse unter den Helbingbrücken einen Treff der Klemmschwestern.
In München gibt es erneut eine Stricher-Razzia in zwei Innenstadt-Lokalen
(Süddeutsche Zeitung): Den Beamten hätten Erkenntnisse vorgelegen,
nach denen die Gaststätten von jungen, meist aus Osteuropa stammenden
Strichern frequentiert würden. Diese führten dort Anbahnungsgespräche
zur gleichgeschlechtlichen Prostitution und gingen mit ihren Kunden
dann in öffentliche Toiletten. Die Landesregierung beschließt
die Initiative Bayern Sicherheit und startet den Wettbewerb Sauberste
Großstadt: Die Position der CSU ist eindeutig: Null Toleranz
bei Verbrechen. Hintergrund sei die Erkenntnis, dass nicht erst
kriminelles Unrecht, sondern bereits die Verunreinigung der öffentlichen
Räume ... als Unsicherheitsfaktor wahrgenommen werde. Es nehmen
u. a. Regensburg, Fürth und Nürnberg teil. In Köln diskutieren
Fachleute und Politiker der Szene eine neue Polizeistrategie
aus den USA: Null Toleranz für Schwulenticker. Zur
Bundestagswahl fordert der SVD ein Bund-Länder-Programm ... zur
Optimierung polizeilichen Handelns, um Gewalt gegenüber Schwulen
und Lesben bundesweit effektiv bekämpfen zu können. Kurz vor
der Wahl wird das DNA-Identitätsfeststellungsgesetz vom Bundestag
verabschiedet. Es erlaubt die (Zwangs-)Entnahme von Speichelproben bei mutmaßlichen
Sexualstraftätern für die Gen-Datei des Bundeskriminalamts. Im Rechtsausschuss
fordert der grüne Bundestagsabgeordnete und SVD-Sprecher Volker Beck,
die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten über
das Sexualleben durch BND, MAD und Verfassungsschutz sollten ausdrücklich
besonders restriktiven Kriterien unterworfen werden und nicht
etwa verboten.
In
Stuttgart wird die lesbische Polizistin Silvia Barth Homo-Beauftragte ihrer
Behörde. Ihr Kollege in Köln ist ebenfalls homosexuell: Der
33-jährige Horst Reulecke kennt sich deshalb in der Szene ziemlich
gut aus. Dieses Sonderwissen ... will der Kriminalhauptkommissar künftig
einsetzen. (Queer). Zwei Monate später wird das Cruising-Gebiet
am Aachener Weiher mit einer Baumfäll-Aktion ... ausgedünnt
(Kölner Stadt-Anzeiger). In Hamburg deckt der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete
Lutz Kretschmann eine Rosa Liste auf. Wer sich in der Zentralen Beschwerdestelle
bei Hamburgs Polizei über einen Beamten beschwert, wird hinter
seinem Rücken mit einem intimen Persönlichkeitsraster erfasst: Ist
er vielleicht schwul, ein Penner oder spricht er schlecht Deutsch?
(Morgenpost). Gleichzeitig formiert sich in der Hansestadt eine Allparteienkoalition
für die Anwerbung homosexueller Polizeibeamter Initiator
ist Kretsch-mann. In Freiburg sollen bei der Neuplanung der Museumslandschaft
Homosexuelle aus dem Park verdrängt werden. (Stuttgarter
Nachrichten) In München geht die Polizei im Vorfeld des CSD vermehrt
auf Schwulenjagd. In Berlin ist ein Hilfsmobil für junge Stricher am
Bahnhof Zoo unerwünscht. Die Schwule Presseschau kommentiert die Lage
in der Hauptstadt: Immer wieder werden in der Presse städtische
Krisengebiete konstruiert, die offenbar aus Schmutz, Drogenhandel,
Gewalttaten, Prostitution und Schwulenszene bestehen. Das neueste Exemplar
dieser Gattung war ein Artikel aus der Berliner Morgenpost (27.9.99), der
das Areal um den Preußenplatz beschreibt und dabei nebenbei auch noch
Klappe und Strich verwechselt. Zwei Monate später wird im Park
der Baumbestand gefällt. In Weinheim registriert die Autobahnpolizei
bei einer Razzia auf zwei Parkplätzen mindestens 90 Männer per Fragebogen.
An der A 73 bei Nürnberg werden auf Initiative der CSU Maß-nahmen
durchgeführt, die jedoch nicht gegen Homosexuelle gerichtet
seien. Im Ruhrgebiet finden Parkplatz-Kontrollen statt. Der Dortmunder SVD
richtet daraufhin auf seiner Home-page ein offenes Wort zum Umgang mit
unseren Freunden und Helfern an die Cruiser: Es sei in letzter
Zeit des öfteren zu Polizeikontrollen gekommen, die nicht im Zusammenhang
mit der Fahndung nach antischwulen Gewalttätern standen. Dabei rückte
der Westpark ... verstärkt in den Blickwinkel der Ordnungshüter.
Deshalb besteht kein Grund zur Sorge. Zur gleichen Zeit resümiert
das NRW-Familienministerium eine dreijährige Respekt-Kampagne
in Zusammenarbeit mit dem LSVD: Opferorientiert wurde das Infomobil
der Polizei an sogenannten cruising areas wie Parkanlagen
in größeren Innenstadtbereichen und Autobahnparkplätzen eingesetzt.
Ziel dieser Einsätze ist, das Vertrauen der Schwulen in die Polizei zu
stärken. Für das vollständig aus Landesmitteln finanzierte
Anti-Gewalt Projekt des LSVD in Köln meldet dessen Leiter Jens Dobler
dank eines statistischen Tricks erstmals steigende Überfallzahlen: Wir
haben einige zusätzliche Erfassungskriterien in diesem Jahr eingeführt.
So erfassen wir nicht mehr nur antischwule Gewaltfälle, sondern auch
jene Fälle, · die im Bereich normaler Kriminali-tät
ein-zuordnen sind. Da kein Mensch mit Gewalterfahrung von uns abgewiesen wird,
werden diese genauso bearbeitet, wurden aber bislang nicht in der Statistik
erfasst. In Hessen lässt sich beobachten, dass von behördlicher
Seite wieder zunehmend versucht wird, schwulen Sex an öffentlichen Orten
zu unterbinden, bzw. schwule Männer einzuschüchtern. Es werden Personal-
und Fahrzeugkontrollen vorgenommen und versucht, uns Ordnungswidrigkeiten
aufs Auge zu drücken. Neue Zäune werden an den Parkplätzen
gezogen und teilweise sogar mit Stacheldraht und Natozaun abgesichert.
(www.gayparkplatzsex.de) In Celle wird in den Innenräumen einer Herrentoilette
eine Videoüberwachung installiert. Hintergrund: Seit den 70er Jahren
ist diese Toilette ein Treffpunkt für Schwule, die verdeckt leben.
(Cellische Zeitung) Die Polizei führt Ausweiskontrollen durch und notiert
Autokennzeichen. Der LSVD veranstaltet in Bonn eine Fachtagung Polizei
und Homosexualität, von der kritische Journalisten aus der Schwulenszene
ausgeschlossen bleiben. Im Anschluss an die Tagung erklärt deren Leiter
Jens Dobler, dass in den letzten zehn Jahren in der Polizei ein deutlich
veränderter Umgang mit Homosexualität zu beobachten sei.
In
Köln geht die Polizei bei einer Razzia im Buschwindröschen mit
unverhältnismäßiger Härte und Brutalität vor
(taz). Im Raum Bielefeld sollen Cruising-Areale verschwinden (Queer):
Der Ravensberger Park wird per Video überwacht und Klappen polizeilich
kontrolliert. Die Toilettenanlagen wiesen an den Wänden entsprechende
Angebote und Nachfragen auf. Angesichts verheerender Zustände
auf Parkplätzen im Ruhrgebiet warnt der schwule grüne Landtagsabgeordnete
Jens Petring die Cruiser: Bei allem Verständnis für ungezwungenen
Sex an allen sich bietenden Orten sollte gewährleistet bleiben, dass
sich Unbeteiligte weder belästigt noch bedroht fühlen ... Schwule
können auch selbst einen Beitrag dazu leisten, dass es nicht zu Rückfällen
kommt. In Düsseldorf und Essen werden zwei Pornokinos so umgebaut,
dass dort kein Cruising mehr möglich ist, die Innenräume werden
videoüberwacht. Bei Saarbrücken schließen die Behörden
den Parkplatz Silbersandquelle an der A 6 und weitere Treffpunkte. Die Nürnberger
Schwulenpost berichtet im Mai von rabiaten Kontrollen auf zahlreichen Klappen
sowie einem Parkplatz. Die Polizei beschimpft Männer als schwule
Schweine. Die CSU-Stadträtin Silvia Rauch sieht an den Treffs Kinder
in Gefahr. In Regensburg werden am Wackl beim Schloss regelmäßig
Personenkontrollen vorgenommen. Im Münchner Szeneblatt Our Munich schreibt
Redakteur B. Michael Andressen (LSVD) im März: Die Polizei ist
dem Legalitätsprinzip verpflichtet. Sie muss im Rahmen von Präventionsstreifen
auch auf Klappen bestehendes Recht durchsetzen ... Dazu gehört auch ...
strafwürdige sexuelle Handlungen zu unterbinden. Es gibt in Bayern eben
keinen rechtsfreien Raum. Und das sollten wir wissen und die Konsequenzen
tragen lernen. Einen Monat später outet sich im gleichen Magazin
die lesbische Polizistin Barbara Eichstädter: Treffe ich bei den
Klappenkontrollen ... einen Homosexuellen in eindeutiger Situation
an, muss ich ihn anzeigen. Er erfüllt den Tatbestand des Hausfriedensbruchs
... Klappensex ist · verboten. Würde die Polizei Homosexuelle davon
ausschließen, macht sie sich strafbar. Es ist der Polizei nicht möglich,
einen rechtsfreien Raum zu schaffen ... Homosexuelle sollten verstehen, ...
dass das nicht mit Verfolgung homosexueller Lebensweise zu tun hat.
Im Mai stellt Our Munich das für die Szene wichtige Polizeirevier
12 vor: Wenn Bürger vor allem im südlichen Teil des
Parks rund um die ehemalige Klappe am Lerchenfeld Auffälligkeiten
beobachten, dann schauen die Beamten mal vorbei ... Die Streifenfahrten sind
dementsprechend keine Schikane, sondern reine Routine. Im gleichen Monat
regt ein Homo-Klo am Kieferngarten die Nachbarn auf. Jetzt
rückt die Polizei an. (Abendzeitung). Our Munich kündigt im
Juni einen Flyer zum Thema antischwule Gewalt an, der Ergebnis einer äußerst
erfreulichen Zusammenarbeit zwischen der Polizei und einigen Mitgliedern
der Gay Community u. a. Our Munich selbst sei: Es
gab Zeiten, da waren Klappen ganz toll ... aber mittlerweile deckt unsere
Szene auch außerhalb der Klos die schwulsten Wünsche ... allerbestens
ab. Es sei äußerst bedauerlich, dass es immer
noch uneinsichtige Zeitgenossen gibt, die meinen, ihr Glück
ausgerechnet in öffentlichen Bedürfnisanstalten suchen zu müssen.
Beim Münchner CSD kommt es schließlich zu einem Polizeieinsatz
wegen Verstoßes gegen die Verkehrsordnung. Hinsichtlich möglicher
Provokationen auf dem Kölner CSD erklärt die Polizei:
Die Bandbreite der Mittel zur Strafverfolgung geht von der
Festnahme über die Identitätsfeststellung, die Beweissicherung durch
Videografieren und Fotografieren ... bis hin zum Ausschluss von Fahrzeugen
und Gruppen aus dem Aufzug. In Westfalen sehen Behörden dringenden
Handlungsbedarf gegen den Parkplatz bei Schloss Neuhaus an der A 33.
Die Autobahnpolizei kontrolliert ständig und parkt
auch schon mal den Streifenwagen an auffälliger Stelle. In Berlin
steht im Juli erstmals die Klappe am Preußenpark im
Visier des Stadtrats (Berliner Morgenpost). Fünf Monate später
fordert dort der CDU-Stadtrat Alexander Straßmeir begleitet von
einer bundesweiten Pressekampagne von den Schwulen mehr Toleranz
im Klohäuschen gegenüber heterosexuellen Pinklern sonst
werde die Anlage geschlossen. Auf der Toilette des Spandauer Rathauses ortet
die Berliner Morgenpost Sex und Drogen. Das Magazin Adam resümiert,
die schnelle Nummer, die zu Zeiten unzähliger Toiletten möglich
war, gibt es nicht mehr. Die Südwest Presse outet den Rastplatz
Kölbling an der A 81 bei Steinheim als Sex-Treff für Homosexuelle:
In der Szene kursieren Berichte, wonach die Polizei nicht eben
zimperlich sein soll. In Stuttgart wird das Lokal Bistro verstärkt
Schauplatz von Polizeikontrollen (Stuttgarter Nachrichten). In Our Munich
fordert im Oktober eine anonyme Interessengemeinschaft gegen radikale Gruppierungen
die Inhaber von Szene-Lokalen auf, mit Polizei und Verfassungsschutz zusammenzuarbeiten.
Einen Monat später mutmaßt das Blatt, hinter den Kontrollen im
Münchner Pornokino Sex-Point stecke kein Willkürakt
der Behörden, sondern möglicherweise Denunzianten aus den
eigenen Reihen . In der taz schreibt Jan Feddersen: Homosexuelle
und Polizei haben von jeher ein feindliches Verhältnis zueinander. Inzwischen
weichen die Fronten auf. In Köln referiert Jens Dobler vom Anti-Gewalt-Projekt
des LSVD zum Thema Vom Zwangs-Verhältnis zur Zweck-Ehe. Mehr als
100 Jahre Schwule und Polizei. Der LSVD lobt in einer Stellungnahme
zur Nulltoleranz für Schwulenticker: Wir haben den
Eindruck, dass in der langjährigen Zusammenarbeit zwischen Lesben- und
Schwulenverband und der Polizei bereits einiges vorweggenommen wurde, was
nun unter dem Etikett community policing für das gesamt-gesellschaftliche
Verhältnis von Bürger und Polizei als großes Vorbild gepriesen
wird. Im Dezember wird Nürnberg von Innenminister Beckstein als
sauberste Großstadt Bayerns ausgezeichnet, Regensburg erhält
eine besondere Anerkennung.
In einer Queer-Kolumne schreibt die neue Leiterin des Kölner LSVD-Anti-Gewalt-Projekts, Susanne Indorf: Das Homoehe-Gesetz darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies schwulen Cruising-Gän-gern ... noch keine gesell-schaftliche Anerkennung bescheren wird. Vielmehr sei festzustellen, dass Parkplätze und Parkanlagen mancherorts zu Hochsicherheitszonen zu mutieren scheinen, um die Allgemeinbevölkerung vor schädlichen Umtrieben zu schützen. Am 19. Januar stürmt die Polizei in einer überfallartigen Aktion (Queer) die Schwulensaunen in Essen, Düsseldorf und Köln. Personalien vieler Gäste werden erfasst und Videos angefertigt. In Frankfurt a. M. endet ein monatelanger Toilettenstreit mit der Privatisierung von 58 öffentlichen WCs. Wegen der Schäden an der Vegetation im Berliner Tiergarten will der CDU-Stadtrat Dirk Lamprecht Teile des Parks mit einem Zaun abriegeln; sämtliche Büsche in traditionellen Cruising-Arealen werden beseitigt. In Bochum werden die letzten Klappen am Haupt-bahnhof geschlossen. Im Kölner Raum kontrolliert die Polizei zahlreiche Parkplätze und spricht Platzverweise aus, um homosexuelle Straftaten zu verhindern. Am 26. Februar sind die Szenekneipe Wunderbar und ein Pornokino in Hamburg Schauplatz einer Großrazzia, bei der rund 350 Menschen erkennungsdienstlich behandelt und zur freiwilligen Abgabe von Speichelproben für die Gen-Datei gedrängt werden. Die Polizei hat Pressevertreter geladen, den Einsatz zu begleiten mindestens ein Mann wird geoutet. Die Polizei plant weitere Razzien. Beim CSD entfernt die Polizei auf Veranlassung des CSD e.V. einen als Genlabor dekorierten Wagen der Abnormals Anonymous. In Stuttgart will das Bauamt die Schwulensauna Viva wegen ihres Bordellcharakters schließen. Der rot-grüne Entwurf für ein neues Datenschutzgesetz erlaubt die Speicherung von Angaben über das Sexualleben. Am 1. Juni bringt Bayern unterstützt von Sachsen, Thüringen und Hessen einen Gesetzentwurf Zur Erweiterung des Einsatzes der DNA-Analyse in den Bundesrat ein, wonach künftig Daten über Täter gespeichert werden sollen, die wegen Beleidigung sowie sonstigen Vergehen mit sexuellem Hintergrund verurteilt wurden. CSU-MdBs fordern, Exhibitionisten und Spanner also auch Klap-pen-gän-ger und Cruiser sowie Busengrap-scher und obszöne Anrufer als potentielle Sexverbrecher zu speichern: Hier kommt auch als Maßnahme die chemische Kastration in Betracht. In Kooperation mit Schwulengruppen und der örtlichen Polizei werden mit großem Erfolg Info- und Diskussionsabende in Oldenburg, Hannover, Göttingen und Braunschweig organisiert. Als Experte war jeweils André Zwiers dabei (Box) vom LSVD Dortmund. Beim Greifs-walder CSD stellt sich ein Arbeitskreis lesbisch-schwuler Poli-zistInnen vor. In Berlin erhält das Schwule Überfalltelefon (SÜB) den CSD-Zivilcouragepreis 2001. SÜB-Leiter Bastian Finke: Früher war die Polizei ... aufgrund ihrer Razzien ein rotes Tuch für viele Schwule. Mittlerweile gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Polizei als kritischer Dialog. In der CSD-taz mutmaßt Michael Kasiske zur vermeintlichen Illegalität ... konspirativer Aktionsräume: Schwule Räume verschwinden, eben weil sie nicht mehr verboten sind. Mit ihren Homo-Beamten habe die Polizei der Tatsache Rechnung getragen, dass das homosexuelle Leben im Park Bestandteil gängiger Verhaltensweisen ist. Im Hamburger Hinnerk erklärt Reinhard Saß, Mitbegründer des Schwulen Überfalltelefons/LSVD Hamburg, die Zusammenarbeit mit der Polizei sei nicht als Folge der Klappenspiegelaffäre des Jahres 1980, sondern zum CSD 1996 zusammen mit dem damaligen SVD-Projekt Schwules Überfalltelefon 19228 entstanden.