Denk
würdig Ausgrenzung macht tot
Welt-AIDS-Tag
2002: Wie in fast allen Ländern Afrikas breitet sich das sexuell übertragbare
HIV auch im westafrikanischen Guinea pandemisch aus (vgl. Gigi Nr. 17). Und
das, obwohl das Land, verglichen mit anderen der Region, als wirtschaftlich
und politisch noch relativ stabil gilt. Was ein Mann aus Guinea bei seinen
Versuchen, von Deutschland aus ein AIDS-Selbsthilfeprojekt für seine
Heimat zu organisieren, erleben musste, beeindruckte Lizzie Pricken
und Ortwin Passon
Der in Guinea geborene Cheik Christophe Conde lebt in Berlin. Sein Bruder
ist tot: Er starb an den Folgen von AIDS, mehrere seiner Familienmitglieder
sind mit HIV infiziert. Cheik Conde ist zum Glück gesund. Und Guinea
ist weit weg. Während das Gesundheitsministerium im afrikanischen Conakry
ständig Übersichten über das Vorkommen und die Registrierung
des AIDS-Virus im Landesinneren produziert, fehlt es dort jedoch
an qualifizierten Selbsthilfeeinrichtungen, die mit den deutschen AIDS-Hilfen
vergleichbar wären, und an bezahlbaren antiretroviralen Therapiemöglichkeiten
(ART).
Conde
möchte dem längst nicht mehr tatenlos zuschauen und versucht deshalb
seit über einem Jahr, eine AIDS-Selbsthilfeorganisation für Guinea
aufzubauen. Schwerpunkte eines solchen Netzwerkes wären Primär-
und Sekundärprävention, Öffentlichkeitsarbeit sowie die Vernetzung
mit anderen Beratungsstellen, Krankenhäusern und Ärzten. Die Berliner
AIDS-Hilfe sollte ihn bei der Planung unterstützen, ihn im Sinne einer
Patenschaft beim Aufbau einer derartigen Organisation beraten und begleiten:
Lediglich zwei Stellen und Materialkosten in Höhe von etwa 45.000 Euro
hier sowie Personalkosten für fünf Stellen und Sachmittel vor Ort
müssen laut Projektbeschreibung finanziert werden. Damit begann Condes
Odyssee durch unsere fluterprobte Solidargemeinschaft.
Deutsche helfen Deutschen
Für seine Initiative gegen AIDS in Guinea wandte er sich
im Frühjahr an die von einem superreichen Spitzenvertreter des Weißen
Sports in Hamburg gegründete Michael-Stich-Stiftung mit der Bitte
um grenzüberschreitende Unterstützung. Die vornehmen Hanseaten stellten
klar, dass sie sich zum Ziel gesetzt haben, HIV-infizierten Kindern
und deren betroffenen Familien in der Bundesrepublik Deutschland zu helfen.
Gemäß unserer Stiftungssatzung können die von uns verwalteten
Spendengelder nur diesem Personenkreis zur Verfügung gestellt werden.
Zwar ist Conde ein betroffenes Familienmitglied, das in der Bundeshauptstadt
lebt. Wie schade, dass man seine HIV-infizierten Angehörigen und unzählige
andere an AIDS erkrankte Landsleute zu weit entfernt verrecken lässt:
Vor diesem Hintergrund müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass
wir Ihren Antrag negativ beantworten müssen. Conde möge sich
doch bitte an den Bundesverband Deutscher Stiftungen in Berlin wenden.
Ähnlich viel Hoffnung versprühte die Ausländerbeauftragte des
Senats von Berlin: Eine Initiative außerhalb Deutschlands anzustoßen,
übersteigt unsere Möglichkeiten. Das Büro der pensionsreifen
Barbara John (CDU), die ihren Sessel nicht räumen, sondern ehrenamtlich
weiterwirken will, schlägt vor, sich möglichst mit einem bereits
ausgearbeitetem Konzept an das Auswärtige Amt zu wenden oder mit
dem Landesverband der Berliner Aidshilfen ... Kontakt aufzunehmen, sich
beraten zu lassen und auch gleich Mitstreiter sowohl in Berlin als auch
in Guinea zu benennen.
Cheik
Conde ließ sich auch vom zweiten Rückschlag nicht beirren und bat
die Deutsche AIDS-Stiftung (DAS) in Bonn um Hilfe. Diese winkte freundlich
ab: Wir haben nun einen Kriterienkatalog erstellt, der der Stiftung
helfen soll, Projekte zu bewerten, um unsere begrenzten Mittel gezielt einzusetzen.
Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir aufgrund dieser strengen
Auflagen nicht in der Lage sind, Ihre Initiative zu unterstützen.
Auch die Variante also abgehakt.
Am deutschen Wesen ...
Bleibt somit doch nur die Bundesregierung als Kooperationspartner? Fehlanzeige.
Während die immer noch so genannte Rote Heidi Wieczorek-Zeul
(SPD) über die Homepage des von ihr geleiteten Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur Offenheit im Kampf
gegen AIDS aufruft, in einem Exkurs Armutsminderung und
HIV/AIDS auch über entsprechende Zusammenhänge doziert sowie
AIDS als globales Problem in den Kontext von Menschenrechten
Globalisierung Armutsbekämpfung stellt, fühlt
sich die Administration des nach immer mehr Weltgeltung trachtenden neuen
Deutschlands nicht wirklich in der Lage, konkret und unbürokratisch bei
der Realisierung von Condes AIDS-Selbsthilfeprojekt zu helfen. Wer Condes
Irrfahrt durch den Dschungel deutscher Entwicklungszusammenarbeit beenden
möchte, kann über die Gigi-Redaktion mit ihm Kontakt aufnehmen.