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Wer wird Millionär?


Im Oktober 2001 sucht der Bundesvorstand des LSVD eine Vertrauensperson mit „Interesse an der Schatzmeisterei“. Die Ausschreibung des wahrscheinlich interessantesten Vereinspostens der Homo-Bürgerrechtsszene soll einen aus der Schußlinie nehmen, dessen originelle Finanzberichte auf Verbandstagen stets Erstaunen erregten. Warum letztes Jahr Finanzfahnder beim NRW-Landesverband klingelten, warum seine Insolvenz eine Katastrophe für den Bundesverband war und welcher Schatzmeister beim Kölner Ableger die Kasse erleichterte, recherchierte Dirk Ruder

Wer knapp bei Kasse ist, braucht gute Einfälle, um sie wieder zu füllen: Man kann beispielsweise den Leuten Versicherungen andrehen, die sie nicht brauchen, bunte Straßenumzüge für einen guten Zweck organisieren oder aber sich schlagen lassen und dann laut „Haltet den Dieb!“ schreien. All diese Rezepte hat der 1990 gegründete Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) Zeit seines Bestehens ausprobiert. Da wurden Mitglieder mit den günstigen Tarifen von „GaySecure“ geködert, kreierte man für die einst politischen Christopher-Street-Day-Paraden eine „neue Form“, die sich freilich auch auf die dort vertretenen Inhalte auswirkte, oder erfand, um dauerhaft Staatsknete abzuzocken, den schwulen Mann gleich ganz neu – als permanentes Opfer antischwuler Gewalt.

Will man verstehen, wie der derzeit größte homosexuelle Bürgerrechtsverband in Deutschland funktioniert und warum er so einflußreich werden konnte, muß man sich jenen Teil des Verbandes genauer ansehen, über den er am liebsten schweigt: seine Finanzen. Wie kommt es, daß ausgerechnet jener Verband, der bundesweit am stärksten finanziell von Behörden gefördert wird, permanent Mitglieder und Öffentlichkeit um Geld anbettelt? Verschwindet da was in dunklen Löchern oder kann da jemand einfach nicht ordentlich haushalten?

Am 8. August 2003 mußte sogar der Schwengel des Papstes herhalten, um den Homoverein aus der Not zu befreien: „Das beste Mittel gegen Ratzinger: Eintreten in den LSVD!“, rief der Bundesvorstand per Newsletter um Hilfe. Aber nicht auf die Abschaffung der katholischen Kirche spekulierte der Verband angesichts Kardinal Ratzingers Vatikan-Papier gegen Homosexuellenrechte, sondern allenfalls auf Mitgliedsbeiträge von Katholiken mit sündigem Trieb. „Wer katholisch … ist, kann ja überlegen, ob das Geld beim LSVD-Mitgliedsbeitrag nicht besser angelegt ist, als bei der Kirchensteuer.“ Der LSVD als Kirche von hinten – eine famose Idee.

Nur: Abseits der folkloristischen Rasselei mit dem rosa Klingelbeutel machte die Insolvenz des nordrhein-westfälischen Landesverbandes im Frühjahr 2002 schlagartig klar, daß der LSVD nichts anderes ist als ein staatlich finanzierter Homo-Verein. In dem Moment, als öffentliche Zuschüsse durch die Landesregierung gestrichen wurden, brach seine Struktur zusammen: Der LSVD war nicht durch einen Zustrom an Mitgliedern zum durchsetzungsfähigen Verband geworden, sondern allein durch die Apanagen rot-grüner Bundes- und Landesregierungen. Daß der LSVD nur über diese Zuwendungen überhaupt Strukturen aufbauen konnte, ist in der Szene hinlänglich bekannt. Es gilt die Faustregel: Wo Landesgelder fließen, gibt’s auch einen LSVD-Landesverband. Wo es kein Geld gibt, etwa in Norddeutschland, ist der LSVD bedeutungslos. Während auf Bundesebene in den letzten Jahren rund ein Drittel aller geförderten Homoprojekte dem LSVD gehörten, hat die Sache auf Länderebene einen Haken: Die Höhe der Landesförderung hängt nicht zuletzt von dem in Koalitionsverträgen festgelegten good will der jeweils amtierenden Regierung ab. Und der fällt keineswegs so aus, daß der LSVD damit eine Vereinstruktur auf bundesweit einheitlichem Niveau schaffen könnte.

In elf Bundesländern bekommt der LSVD aus den zuständigen Ministerien nämlich gar kein oder vermutlich nur sehr wenig Geld. Das gilt für Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein, Bayern, Bremen und vermutlich auch für Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg und Thüringen.

Büromiete: Landesregierung zahlt

Doch nicht überall muß der Verein der lesbisch-schwulen Bürgerrechte darben. Das Saarland zahlt immerhin einen Großteil der Miete fürs lokale LSVD-Büro. Und der Hamburger Senat unterstütze in den 90ern zeitweilig sein Schwules Überfalltelefon. Als die Förderung ausblieb, stellte er sein ehrenamtlich (!) betriebenes Projekt sofort ein, auch die 1999 in Aussicht gestellten 5.000 Euro für „präventive Öffentlichkeitsarbeit“ konnten den Verein nicht umstimmen. Prävention hin oder her: Wenn nicht wenigstens die Finanzierung eines Büros rausspringt, sind den LSVD-Strategen Opfer antischwuler Gewalt herzlich egal.

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