In
zwei Themen tobt sich derzeit ein ungebrochener Schwulenhaß massenmedial
aus: sexuelle Gewalt an Minderjährigen und Barebacking. Erst langsam
merkt die schwule Öffentlichkeit, daß homosexuelle Männer
längst wieder zur Gefahr für die Volksgemeinschaft avanciert sind
an sich ein normales Szenario in Krisenzeiten. Beim Erwachen aus dem
Traum von der liberalen Gesellschaft helfen inzwischen auch öffentlich-rechtliche
Anstalten. Bezüglich Barebacking taten sich zuletzt außer dem RBB-Magazin
Polylux vor allem süddeutsche Sender hervor. Wir dokumentieren
den Offenen Brief an den Südwestrundfunk, mit dem die Sprecher des Positivenplenums
der Berliner Aids-Hilfe am 28. September auf den Report-Mainz-Beitrag
Sex ohne Schutz AIDS-Infektionen breiten sich aus reagierten.
Sehr geehrte
Damen und Herren,
gestatten
Sie, daß wir uns Ihnen auf diesem Weg kurz vorstellen: Wir, die drei
Positivensprecher der Berliner Aids-Hilfe e.V. (BAH), vertreten in unserem
Amt die Interessen der HIV-positiven und an AIDS erkrankten Menschen in der
BAH und in ihrem Umfeld. Als politisches Sprachrohr geben wir den Menschen
mit HIV und AIDS in Berlin eine Stimme. Die BAH arbeitet übrigens
anders als die Deutsche AIDS-Hilfe direkt mit infizierten und erkrankten
Menschen im Großraum Berlin. In dieser Funktion nehmen wir Bezug auf
Ihren Beitrag bei Report Mainz vom 13. September 2004: Sex ohne Schutz
AIDS-Infektionen breiten sich wieder aus von Daniel Hechler und
verleihen auf diesem Weg unserer Empörung Ausdruck. Sowohl in der Anmoderation
als auch im Bericht von Herrn Hechler werden Informationen offensichtlich
bewußt aus dem Zusammenhang gerissen und verfälscht, wie wir nachfolgend
belegen:
Die stark
verallgemeinernde Moderation durch Herrn Frey spiegelt den weit verbreiteten
Mangel an Information und Aufklärung in der Bevölkerung der Bundesrepublik
Deutschland wider, und leider ist auch die Berufsgruppe der Journalisten
als Multiplikatoren hiervon nicht ausgenommen! Dies ist auch auf die
sich zunehmend auf die Zeit um den Welt-AIDS-Tag am 1. Dezember beschränkende
Berichterstattung zum Thema HIV und AIDS durch die Medien zurückzuführen.
Seit 1982 werden die freiwilligen und anonymen Fallberichte der behandelnden
Ärzte über AIDS-Erkrankungs- und -Todesfälle in der BRD in
einem zentralen Fallregister beim Robert-Koch-Institut Berlin (RKI) zusammengetragen,
ausgewertet und halbjährlich veröffentlich. Seither stellt AIDS
ein Thema in der BRD dar. In der Anmoderation wurde der Eindruck erweckt,
AIDS würde zurückkommen eine dramatische Falschmeldung:
AIDS war und ist seit den frühen achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts
eine Bedrohung geblieben. Herr Frey gibt die Anzahl von 1000 Neuinfektionen
im ersten Halbjahr 2004 (laut RKI) bundesweit an. Im nachfolgenden Bericht
wird aber ausschließlich auf die Gruppe der MSM (Männer, die Sex
mit Männern haben) Bezug genommen. Sie suggerieren somit, daß sich
die Zahl von 1000 Neuinfektionen lediglich auf diese Gruppe bezieht.
Dies ist sachlich falsch. Richtig ist, daß sich die Anzahl von Neuinfektionen
auf MSM, Mitmenschen aus Hochprävalenzregionen, Heterosexuelle sowie
intravenöse Drogennutzer bezieht, wobei zwar die Gruppe der MSM mit 50%
den größten Anteil ausmacht, aber die Zahl von 1000 sich auf Neuinfektionen
in allen diesen Bevölkerungsgruppen bezieht.
Der Bericht
selbst beginnt mit der Darstellung und Beschreibung eines speziellen Berliner
Szeneladens für schwule Männer, der vom Kommentator reißerisch
noch als Virenschleuder bezeichnet wird. Im weiteren beziehen
Sie sich auf ein ähnlich spezielles Internetportal und zeigen damit nur
einen kleinen Ausschnitt der schwulen Community. Es wird der Eindruck erweckt,
alle schwulen Männer bewegten sich ausschließlich in dieser Szene.
Doch lassen sich dort beobachtete Verhaltensweisen nicht generell auf die
gesamte schwule Community projizieren. Richtig ist, daß ähnlich
zur Welt heterosexueller Menschen die Szene facettenreich ist.
Durch
die im weiteren Verlauf im Bericht getroffene Aussage: Sex ohne Kondome
ein Trend in der schwulen Szene. Das Motto: Gegen AIDS gibt es ja Medikamente,
stellen Sie alle HIV-negativen und HIV-positiven Schwulen in der BRD als verantwortungslos
im Umgang mit dem HI-Virus dar. Diese Verallgemeinerung ist unsachlich und
falsch. Richtig ist, daß sich die überwiegende Anzahl der schwulen
Männer zu Safer Sex bekennt und ein verantwortungsbewußtes Risikomanagement
betreibt (vgl. Bochow et al., 2004). Richtig ist aber auch, daß es Menschen
auch Schwule mit HIV gibt, die in Unkenntnis des Serostatus
des Partners unsafen Sex haben. Das Gleiche trifft auf die heterosexuelle
Bevölkerungsmehrheit zu. Sie selbst haben in Ihrem Beitrag einen Interviewpartner
gewählt, der erklärt, ungeschützten Sex ohne Abklärung
mit seinen Partnern gehabt zu haben. Uns ist bewußt, daß es solches
Verhalten gibt, werden uns hier aber der Diskussion der Beweggründe enthalten,
da wir diese für zu unterschiedlich und vielfältig halten. Präventionsmaßnahmen
wollen und müssen insbesondere Menschen einbeziehen, die weder sich noch
ihre Partner schützen. Vor diesem Hintergrund entstand die von Ihnen
angeprangerte Broschüre. Sie zitiert Einstellungen real existierender
Personen und will zunächst zeigen, daß es diese Verhaltensweisen
gibt. Ziel der genannten Broschüren ist es, das Nachdenken über
solches Verhalten zu fördern und damit fremd- und eigenverantwortliches
Handeln zu verstärken. So ist auch die Aussage von Herrn Schilling (DAH)
zu verstehen, daß zunächst akzeptiert werden muß, wenn Menschen
voll informiert dieses Risiko für sich bewußt in Kauf nehmen. Auch
sollen besagte Broschüren nicht an die Allgemeinheit verteilt werden,
sondern zielgerichtet in Beratungssituationen und der aufsuchenden Präventionsarbeit
eingesetzt werden, wenn davon ausgegangen werden muß, daß ungeschützter
Sex zwischen HIV-positiven und HIV-negativen Männern praktiziert wird.
Unter
der Prämisse, Menschen dort abzuholen, wo sie stehen, war
die Primärprävention in der Bundesrepublik bislang erfolgreich,
so daß Deutschland im europäischen Vergleich hier einmal bis heute
gut dasteht. Allerdings ruft der gemeldete statistisch geringe
Anstieg der Neuinfektionen bei schwulen Männern die DAH zu einer Überprüfung
ihrer bisherigen Arbeit auf. Die Moralisierung dieser Auseinandersetzung führt
unseres Erachtens dazu, daß eine differenzierte Auseinandersetzung mit
dem Thema nicht mehr stattfindet und Menschen, die unsafen Sex praktizieren,
ihre Verhaltensweisen nun im Verborgenen ausleben. Damit wird die Kontaktaufnahme
und somit eine Erfolg versprechende Prävention bei und mit ihnen deutlich
erschwert.
Sie
stellen auch der Arbeit der Deutschen AIDS-Hilfe die der Aidshilfe Wien gegenüber,
die Kondome in der Szene verteilt. Diese ist dafür zuständig und
erhält für ihre Vor-Ort-Arbeit Steuergelder vom österreichischen
Staat. In Deutschland und insbesondere in Berlin sind die Präventionsaufgaben
unterschiedlich verteilt: Die DAH als Dachverband soll überhaupt nicht
in Kneipen etc. durch das Verteilen von Kondomen etc. aktiv werden
das ist Aufgabe der regionalen Institutionen. In Ihrem Bericht wird das durcheinandergeworfen.
Allerdings kann man feststellen, daß nach Sparmaßnahmen in der
Gesundheitsfürsorge an Szenetreffpunkten fast kaum mehr Kondome präsent
sind: Insbesondere jungen Menschen kommt somit das Gefühl abhanden, Kondome
seien etwas Normales. Ironie: Ausgerechnet die von Ihnen angeprangerte Kneipe
stellt Kondome am Tresen zur allgemeinen Verfügung im Gegensatz
zu vielen anderen Bars.
Zusammenfassend
stellen wir fest: Ihr Bericht projiziert auf reißerische Art und Weise
und auf niedrigem Niveau ein Feindbild vom ausschweifenden und sich hochriskant
verhaltenden, die Volksgesundheit bedrohenden Schwulen. Somit ist Ihr Bericht
unerträglich tendenziös, diskriminierend und diffamierend. In unzureichenden
Vergleichen, mit verfälschend eingesetzten Zahlen und mit aus dem Zusammenhang
gerissenen Aussagen beweist Ihr Autor seine vorgefaßte Meinung. Auch
unter Präventionsgesichtpunkten war der Beitrag mehr als kontraproduktiv.
Daher bewerten wir Ihren Beitrag als unseriös und irreführend.
Für das Positivenplenum der Berliner Aids-Hilfe e.V. die drei Positivensprecher Tom S., Thomas B., Samuel A.