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Tante Uschi zeigt Kinderpornos

In bisher nie gekannter Weise hat der deutsche Staat in den letzten 20 Jahren massiv gegen seine Bürger aufgerüstet. Eine Vielzahl neu erfundener oder ausgeweiteter Straftatbestände, die Explosion der Zahl der Strafgefangenen bei einer der niedrigsten Kriminalitätsbealstungen aller Zeiten sowie der schleichende Abbau rechtsstaatlicher Prizipien und freiheitlicher Grundrechte zeugen davon. Mit dem Vorstoß von Bundesfamilienministerin von der Leyen, das Inter-net zu zensieren, beschleunigt sich abermals die Erosion der Grundrechte und erreicht ein bedenkliches Niveau. Weshalb die Kinderporno-Hysterie dazu besonders taugt und was sich dahinter verbirgt, analysiert Sebastian Anders

Neben der aktuell erlahmenden Terrorismushysterie ist vor allem die „Kinderschänderhysterie“ am Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Sau, die durchs Dorf getrieben wird, um die Grundrechte der Bürger nicht nur einzuschränken, sondern sturmreif zu schießen und die westlichen Gesellschaften in totalitäre Systeme umzubauen. Mit dem Totschlagargument „jedes Kind ist eines zu viel“, das nicht einmal von rechten Kinderschützersekten, sondern überwiegend von den mittlerweile Legion gewordenen „Kinderschutzgruppierungen“ mit bekennenden Namen wie „Innocence in Danger“ vertreten wird, werden freiheitliche Rechte von den Bürgern selbst zu Grabe getragen. Die Gefahr für die Gesellschaft besteht darin, daß die Zersetzung von innen heraus erfolgt und keine nennenswerten korrektiven Elemente nach dem System der Checks & Balances mehr existieren.

Der Hauptgrund für die völlige Gleichschaltung selbst freiheitlich-humanistischer Kräfte bei diesem Thema liegt in ihm selbst begründet. Sprechen Kinder allein schon auf emotionaler und weniger auf rationaler Ebene den Bürger an, schaltet die Kombination von Kindern und Sexualität den rationalen Verstand in den sexualpessimistischen westlichen Gesellschaften vollends aus. Ironischerweise entspricht dieses triebgesteuerte Verhalten gerade dem des von den Nationalsozialisten propagierten „Triebtäters“ (1), zu denen auch Homosexuelle gehörten. Allein schon die Übernahme des nationalsozialistisch vorbelasteten Begriffs zeugt davon, daß gesellschaftliche Entwicklung allenfalls scheinbar und wenn, dann allenfalls in geologischen Zeiträumen, vonstatten geht.

Diese Entgleisung des rationalen Verstands ist keineswegs naturgegeben, sondern das Ergebnis einer seit 25 Jahren andauernden Hysterisierung. Im Schönsprech wird dies als „Aufklärung“ bezeichnet. Ein wesentliches Merkmal solcher Hysterien ist, daß in ihr die gleichgeschalteten Meinungen um so stärker und emotionaler vertreten werden, je weniger Fakten vorhanden sind. Denn gerade das Fehlen von Fakten bei faktenlos vorgebildeter Meinung spricht die dunkle Phantasie und somit das triebhafte Bauchgefühl des Menschen besonders an. Wenn die Begriffe „sexueller Mißbrauch“ und „Kinderpornographie“ in den Systemmedien fallen, dann springen prompt Millionen von Kinderporno-Kopfkinos an und ergehen sich in den wüstesten denkbaren Geschehen. Die Systemmedien bedienen dieses private Kopfkino, indem sie anstatt Fakten mit vorgetäuschter Sachlichkeit phantasieanregende Geschehnisse schildern und die Bewertung sublim steuern, ohne zu einer einzigen Lüge greifen zu müssen. Sofern sie dennoch dem Anschein nach Fakten aufführen, so begeben sie sich auf die Ebene von gefälschter Berichterstattung, Anekdoten und falscher oder selektiver Zahlen (2).

Ein Unterthema von „Kinderschänder“ ist Kinderpornographie. Ob nun jemand einen tatsächlichen oder sogenannten sexuellen Mißbrauch von Kindern aufzeichnet oder nicht, ist genauso unerheblich, wie wenn eine sonstige Straftat aufzeichnet wird. Selbst der Staat verargumentiert die öffentliche Überwachung unter anderem damit, daß Straftaten aufgezeichnet und angeblich verfolgbar würden. Nach diesem Credo würde er zum Kinderpornoproduzenten werden, wenn er die Möglichkeit hätte, seine Kameras in den Schlafzimmern der Kinder aufzustellen. Es wäre geradezu lächerlich, freie Bürger wegen des Besitzes eines Dokuments zu belangen, das eine Straftat schildert. Bei Kinderpornographie scheint das anders zu sein. Sie weist zwei Aspekte auf, die sie für das Repressionssystem interessant machen: Daß es erstens um angeblichen oder tatsächlichen sexuellen Mißbrauch (3) von Kindern geht, bei diesem Thema die Meinungen gleichgeschaltet sind und sich so repressive Maßnahmen ohne großen Widerspruch realisieren lassen und zweitens die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet stattfindet, dessen technisch-freiheitliches System des ungehinderten Informationszugangs der repressiven Machtelite ein Dorn im Auge ist. Hinzu kommt, daß, wie schon zu Sokrates’ Zeiten, Kinder- und Jugendschutz immer dann zur Scheinlegitimation von Repression mißbraucht wird, wenn alle anderen Scheinargumente selbst dem desinformierten Bürger zu fadenscheinig erscheinen und folglich versagen. Kinder und Jugendliche sind für Mißbrauch prädestiniert. Allerdings weniger zu sexuellen Zwecken als zu politischen. Diese Form des Kindesmißbrauchs, der tatsächlich gesellschaftlich relevant ist, findet jedoch keinen Niederschlag im Strafgesetzbuch. Denn das wird ja von den politischen Kindesmißbrauchern selbst geschrieben.

Grundrechte und Paragraphen auf wackligen Beinen

Ein weiterer Grund, weshalb sich Kindesmißbrauch und Kinderpornographie in geradezu idealer Weise zum Abbau von Grundrechten eignen, ist, daß der Standardnormalo sich nicht betroffen fühlt. In Verbindung mit dem gezielt geschürten Haß auf manche sexuell Andersempfindende stimmt er jeder repressiven Maßnahme gegen die als Untermenschen ausgemachten „Perversen“ zu, ohne zu merken, daß dabei Rechtsprinzipien geschaffen werden, die seine eigene Freiheit zersetzen.

Dabei steht das absolute Kinderpornographieverbot rechtsstaatlich betrachtet auf wackeligen Beinen. Als Kinderpornographie gelten pornographische Darstellungen, die den sogenannten sexuellen Mißbrauch von Kindern darstellen. Hierbei gelten solche Handlungen als sexueller Mißbrauch von Kindern, wie sie in §176 StGB festgehalten sind. §176 StGB wiederum bezeichnet jede sexuelle Handlung an oder vor einem Kind (also einer Person unter 14 Jahren) als sexuellen Mißbrauch, davon unberührt, wie alt die handelnden Personen sind und ob die sexuellen Handlungen in gegenseitigem Einverständnis erfolgten oder nicht.

Schon der §176 StGB steht, nicht nur wegen seiner unmittelbaren Nähe zum §175 und seiner Geschichte, auf rechtsstaatlich dünnem Boden. Er beruft sich auf die „ungestörte sexuelle Entwicklung von Kindern“ als geschütztes Rechtsgut. Ungestört bedeutet, daß sich die Sexualität von Kindern angeblich von innen heraus entwickelt und diese Entwicklung von außen gestört werden könnte – nicht etwa kann oder wird. Da der seinerzeit mit der Rettung und Neuformulierung des einstigen Unzuchtsparagraphen 176 beschäftigten SPD klar war, daß sich diese Anschauung rational nicht begründen ließ, sondern die Fakten darauf hindeuteten, daß sie falsch ist, besann sie sich auf das Konstrukt des abstrakten Gefährdungsdelikts. Es liegt lediglich eine angenommene Gefährdung – kein zwingender Schaden, wie etwa bei Körperverletzung – vor, und diese ist zudem abstrakt. Abstrakt wiederum bedeutet, daß der Gesetzgeber die Gefährdung nur zu behaupten und nicht zu begründen braucht. Eine der notwendigen Anforderungen an einen Rechtsstaat ist jedoch, daß der Gesetzgeber Gesetze stichhaltig begründen kann, und das vor allem dann, wenn er das schwerste ihm zur Verfügung stehende Mittel, das Strafrecht, anwendet.

Der Gesetzgeber ging mit dem Kinderporno-Paragraphen noch einen Schritt weiter. Er stellte erst 1993 die Herstellung, die Verbreitung und den Besitz von pornographischen Darstellungen eines Straftatbestands unter Strafe, dem er selbst nicht einmal glaubte. Zu diesem Zeitpunkt war die „Kinderschänder“-Hysterie schon im Gange. Dabei stützte er sich im wesentlichen auf zwei Argumente. Er behauptete, daß Kinder mißbraucht würden, um Kinderpornographie herzustellen, und daß der Konsum von Kinderpornographie selbst zu sogenanntem sexuellen Mißbrauch führen würde. Seltsamerweise wird nur bestraft, wer Kinderpornographie besitzt, sie aber nicht konsumiert, während derjenige straffrei ausgeht, der sie konsumiert, aber nicht besitzt: ein Besuch in von der Leyens und Zierckes (4) Kinderpornokino (5) ist keine Straftat. Für die Behauptung, daß der Konsum von Kinderpornographie zu sexuellem Mißbrauch führt, gibt es selbst heute keine Belege, die das vermuten lassen, geschweige denn Beweise. Allein die vielen Polizisten in den Sittendezernaten, die berufsmäßig Kinderpornographie sichten, müßten sich demnach das erstbeste Kind auf der Straße greifen und es mißbrauchen. Zu ihrer Ehrenrettung sei gesagt, daß wer die Sportschau ansieht auch nicht gleich auf den Fußballplatz rennt.

Die Gesetzgebung auf diesem Feld läßt sich am besten als juristischer Amoklauf beschreiben. Erste Anzeichen deuteten sich schon an, weil nicht etwa nur die Herstellung von Kinderpornographie als Straftatbestand gewertet wurde, sondern auch ihre Verbreitung und ihr Besitz sowie der Versuch der Besitzverschaffung. Schon hier klafften Strafrecht und Ethik weit auseinander, weil weder die Verbreitung noch der Besitz und schon gar nicht der Versuch der Besitzverschaffung eines Dokuments, das eine ohnehin zweifelhafte Straftat ohne geschütztes Rechtsgut festhält, ein ethisches Unrecht ist. Tatsächlich verbirgt sich dahinter ein Rückfall in die Zeit der Sittenmoral im Strafrecht. Und zwar schlimmer, als sie je gewütet hat: Auf einmal ist die sexuelle Gesinnung und nicht eine auch nur vorgeschobene Handlung (der §175 in der Nazi-Fassung erfaßte selbst verliebte Blicke unter Männern als homosexuelle Handlung) Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung. Als bestrafungswürdig betrachtet das „gesunde Volksempfinden“ solche Menschen, die diese „perversen“ Bilder zur sexuellen Stimulierung konsumieren, während der tapfere Polizist die Möglichkeit haben soll, durch straffreie Verbreitung von Kinderpornographie die „Perversen“ zu fangen (6) und selbst tagelang professionell Kinderpornographie zu konsumieren. Tatsächlich zeigt sich das „gesunde Volksempfinden“ hierbei sogar näher an der Realität als die Politik: Durch seine Einschätzung glaubt es den fadenscheinigen Begründungen des Gesetzgebers nicht, will aber dafür ein Gesinnungsstrafrecht einführen, das wiederum der Gesetzgeber nicht offen zutage treten lassen will und sich darum auf fadenscheinige Begründungen stützt. Das entspricht im übrigen genau Martin Danneckers These der Ungleichzeitigkeit bei sexuellen Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern. Nur sind die Partizipanten hier die Bürger und die Politik.

Die Zersetzung rechtsstaatlicher Prinzipien fand 2008 mit der Erfindung des scheinbar (7) neuen Straftatbestands der Herstellung, der Verbreitung und des Besitzes jugendpornographischer Schriften einen neuen Höhepunkt. Nicht nur, daß nun sogar der Besitz der bildlichen Darstellung legaler Handlungen unter Strafe gestellt wurde. Der Gesetzgeber begann nun – von ein paar blumigen Aussagen zur angeblichen „sexuellen Ausbeutung Jugendlicher“ abgesehen (das alles entscheidende Merkmal der Ausbeutung fehlt im Gesetzestext) –, selbst auf fadenscheinige Argumente zu verzichten. Es hieß, die Bundesrepublik müsse Vorgaben aus Brüssel umsetzen. Das war zwar glatt gelogen (8), schien aber den Lauf der Dinge nicht weiter zu stören.

Mythen und was von ihnen übrig bleibt

So oft über Kinderpornographie berichtet wird, so wenig wird geschildert, was sie eigentlich ist. Sie ist das Thema, bei dem der Quotient aus der Häufigkeit der Berichterstattung im Zähler und den genannten Fakten im Nenner gegen unendlich geht. Das liegt nicht an der häufigen, aber endlichen Berichterstattung über Kinderpornographie, sondern am Umfang der aufgeführten Fakten, der gegen Null tendiert. Sie bestehen, sofern sie überhaupt genannt werden, aus Anekdoten einschlägig bekannter Akteure auf dem politischen Parkett, die von den Medien mutigerweise als „Experten“ feilgeboten werden. Dabei scheint es nicht aufzufallen, daß keine verifizierbaren Fakten und schon gar keine (!) seriösen wissenschaftlichen Untersuchungen genannt werden. Das ist verwunderlich, da das Thema gesellschaftlich und politisch eine um so größere Bedeutung hat. Das erlaubt es den politischen Akteuren, in einem faktischen Vakuum zu operieren, das sie mit ihrer „schmutzigen“ Phantasie füllen. Die sexuelle Phantasie selbsternannter Kinderschützer ist Legende.

Das ist ein idealer Nährboden für mittlerweile hemmungslose politische Propaganda, die von den Systemmedien ungeprüft weitergegeben wird. In einem Interview (9) mit dem Hamburger Abendblatt vom 20. November 2008 ließ man Ursula von der Leyen sagen, was der Bürger von Kinderpornographie zu halten hat: „Die Kinder werden immer jünger. Jedes dritte Opfer von Kinderpornographie ist jünger als drei Jahre. Da werden durch brutale Vergewaltigungen Kinderseelen und Kinderkörper zerfetzt.“ Und: „Die Bilder und Filme der Kinderpornographie werden immer gewalttätiger. Manche Ermittler beim Bundeskriminalamt brauchen psychologische Begleitung, weil sie die gellenden Schreie der Kinder auf den pornographischen Videos kaum ertragen können.“ Die gleichgeschalteten Systemmedien belassen es nicht nur bei der mangelhaften journalistischen Sorgfaltspflicht, sondern machen sich die politische Propaganda zu eigen und präsentieren sie als Fakten: „Es sind erschreckende Zahlen, mit denen sich Deutschlands Regierende an diesem Mittwochvormittag im Bundeskabinett beschäftigten. Zahlen, hinter denen furchtbare Fälle von Kindesmißbrauch und zahllose mitleiderregende Schicksale stehen“, meint Spiegel Online am 25. März 2009, obwohl der Autor sicherlich entrüstet von sich weisen würde, Kinderpornographie jemals einer genaueren Betrachtung unterzogen zu haben. Die dunklen Phantasien eines Journalisten sind jedoch kein Ersatz für Fakten.

Wie kommen Journalisten zu solchen Einschätzungen? Im März veröffentlichte das Familienministerium Pressematerialien mit „Daten & Fakten [zu] Kinderpornographie im Internet“ (10). Die „Daten & Fakten“ – tatsächlich handelt es sich dem Inhalt nach um eine Propagandaschrift für die Internetzensur – füllen gerade einmal zwei (!) Seiten. Ihre Kernpunkte werden nachfolgend einer genaueren Überprüfung unterzogen.

Eine der Hauptaussagen ist: „Kinderpornographie im Internet nimmt zu und wird immer brutaler.“ Begründet wird dies mit fünf Argumenten: Es gebe immer mehr Konsumenten, immer mehr Bilder/Videos, die Opfer würden immer jünger, es werde immer mehr Geld verdient und die Verfahren würden größer. In keinem der Argumente wird auch nur ansatzweise die Behauptung gestützt, daß Kinderpornographie immer brutaler wird; es wird nur behauptet. Selbst wenn man der Aussage glaubt, daß Ermittler beim Sichten von Kinderpornographie „psychologische Betreuung“ benötigen (dazu weiter unten), wäre dies lediglich ein Hinweis auf Brutalität, nicht aber auf deren Zunahme. Kinderpornographie mit Vergewaltigungen mit „zerfetzten Kinderseelen und Kinderkörpern“ gleichzusetzen, ist billiger Populismus, der selbst einem Journalisten auffallen müßte. Schließlich liegt dem Kinderpornographie-Paragraphen der opfer- und gewaltlose Mißbrauchsparagraph 176 StGB zugrunde, dessen strafbare Handlungen im Laufe der letzten Jahre bis ins Groteske ausgeweitet wurden.

Bezüglich dessen, daß die dargestellten Kinder immer jünger würden, beruft sich das Leyen-Ministerium auf eine Erhebung der britischen Internet Watch Foundation (IWF) sowie auf die deutsche Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Laut IWF seien 43 Prozent der dargestellten Kinder jünger als sechs und zehn Prozent jünger als zwei Jahre. Die IWF ist eine private Organisation der britischen Internetdienstanbieter, deren Aufgabe unter anderem die Pflege der britischen Internet-Zensurliste ist, um so gegen „Online-Mißbrauch“ vorzugehen. In die Kritik geriet sie wegen der Sperrung eines Wikipedia-Artikels über das Album Virgin Killer der Rockgruppe Scorpions. Das im Wikipedia-Eintrag abgebildete, bereits 1976 erschienene Album zierte ein nacktes Mädchen. Sofern die Kritik der IWF lediglich Übereifer nachsagte, verfehlte sie den wesentlichen Punkt. Die Seite war in völliger Übereinstimmung mit den IWF-Richtlinien zensiert worden. Diese haben den „Sexual Offences Act 2003“ (11) als Basis, der unanständige (!) Bilder bekleideter Kinder als Kinderpornographie und die Kinder als mißbraucht definiert. Dabei beläßt es die IWF nicht, sondern zensiert auch potentiell kriminelle Darstellungen, die wiederum Grundlage seiner Untersuchung waren (12) . Die Untersuchung bezog sich zudem nicht auf eine Analyse einzelner Darstellungen, wie von Familienministerium implizit behauptet, sondern, wie die IWF verlauten läßt, lediglich auf Basis von etwa 3.000 zensierten „unanständigen“ Seiten, von denen 80 Prozent kommerziell sein sollen. Wie weiter unten erläutert wird, dürften beide Zahlen nicht Fakten, sondern menschlichem Wahn entspringen. Ein Wahn liegt dann vor, wenn propagierte Zahlen um mehrere Größenordnungen an der Realität vorbeiziehen.

Das Familienministerium bemüht die PKS, um einen zahlenmäßigen Anstieg jüngerer Opfer durch Kinderpornographie zu behaupten. Es führt aus, daß 2007 zwölf Prozent der Opfer sogenannten sexuellen Mißbrauchs unter sechs Jahre alt waren und deren Anteil 2000 nur bei sieben Prozent lag. Das ist falsch, weil die PKS einerseits nur von deklarierten Opfern handelt und weit über 80 Prozent der Verdächtigten unschuldig verfolgt werden (13). Andererseits läßt sich von deklarierten Opfern sogenannten Mißbrauchs nicht auf solche der Herstellung von Kinderpornographie schließen. Die des Mißbrauchs zur Herstellung von Kinderpornographie Tatverdächtigen machen 0,7 Prozent aller Mißbrauchsverdächtigen aus (PKS 2007), davon sind 12 Prozent selbst Kinder (!) respektive ein Drittel Personen unter 21 Jahren. Das verwundert kaum, da das Familienministerium selbst in den letzten Jahren eine „Aufklärungskampagne“ für „sexuell aggressive Kinder und Jugendliche“ betrieben hat, die zu einem rasanten Anstieg der Strafverfolgung von Kindern und Jugendlichen führte.

Noch schlimmer wird es bei den Behauptungen zu den Gewinnen aus kommerzieller Kinderpornographie. Neben Zahlen der IWF bezieht sich das Ministerium auf einen „Bericht der britischen National High Tech Crime Unit aus dem Jahr 2004 im Auftrag der G8“, nach dem über „im Zusammenhang mit kinderpornographischen Websites identifizierte Konten in einer Woche 1,3 Mio. US-Dollar liefen.“ Das Ministerium setzt Umsätze mit Gewinnen gleich. Das Problem: Chef der National High Tech Crime Unit war zu dieser Zeit James Gamble. Gamble war einer der Hauptpersonen der 2004 wütenden Operation Ore in Großbritannien, aufgrund derer Tausende britische Bürger unschuldig wegen Besitzes von Kinderpornographie verfolgt wurden. Mittels Falschaussagen und mutmaßlich gefälschter Beweismittel wurden etwa 250.000 weltweite Kunden eines Bezahlsystems für herkömmliche Pornographie der Firma Landslide zu Beziehern von Kinderpornographie umdeklariert. Der monatliche Umsatz von Landslide betrug jene 1,3 Millionen Dollar (14). Das Familienministerium hat einfach den – nicht vorhandenen – Umsatz mit Kinderpornographie als Gewinn ausgewiesen und mit vier multipliziert. Angesichts dessen ist der in diesem Artikel verwendete Begriff Hysterie ein Euphemismus. Ein treffenderes Wort wäre Irrsinn.

Und die Fakten

Selbst das bei diesem Thema niveaumäßig niedrig aufgehängte Familienministerium könnte noch entschuldigt werden, wenn es nicht auf Fakten zurückgreifen könnte. Doch die sind durchaus vorhanden.

Sie lasen bis hierher erst rund ein Viertel des Beitrages. Den Volltext finden Sie nur in unserer Druck- und PDF-Ausgabe.

 

Anmerkungen / Quellen
1 Dem porträtierten „Triebtäter“ wohnt die Logik inne, daß er aus einem inneren Trieb heraus ohne rationale Kontrolle handelt. Damit ist er streng genommen kein Mensch mehr, sondern ein Tier (vgl. Stanley Kubricks Film „A Clockwork Orange“) und wird wie ein Tier „bestraft“. Da solche „Täter“ angeblich irrational handeln, wurde einst „Schutzhaft“ und wird heute „Sicherungsverwahrung“ verhängt. Nach der These sind sie aber schuldunfähig. Ex-Bundeskanzler Schröder bügelte mit seinem dem Nationalsozialismus entspringenden „Wegsperren, und zwar für immer“ das Paradoxon einfach weg und signalisierte, daß die „Sicherungsverwahrung“ als zusätzliche Strafe abseits des Gesetzbuches verwendet werden soll.
2 Als Beispiel pars pro toto seien hier die Verwendung der Zahlen aus der Kriminalstatistik erwähnt. Aus mutmaßlichen Tätern werden Täter, wobei die Strafverfolgungsstatistik von über 80 Prozent unschuldig Verfolgten spricht.
3 Laut §176 StGB fallen darunter auch einverständliche sexuelle Handlungen zwischen zwei Sexualpartnern, in die dann mittels Strafrecht eingegriffen wird.
4 Dies zeigt eine bedenkliche Entwicklung. Dazu Jörg Tauss: „Nicht erst seit dem bereits erwähnten Auftritt des BKA-Präsidenten [Ziercke; d.A.] im Deutschen Bundestag [...] hat sich bei mir der Eindruck verfestigt, daß das BKA das Thema Kinderpornographie auch dazu nutzt, neue Kompetenzen und Zuständigkeiten politisch durchzusetzen. Längst ist das BKA hier Partei und keine neutrale Beratungsinstanz mehr für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages.“
5 Von der Leyen und Ziercke führten Journalisten und Abgeordneten ausgewählte (!) Kinderpornographie vor.
6 In den USA ist dies Usus, und so tragen US-Beamte nach deutscher Rechtsauffassung zur Verbreitung von Kinderpornographie, also zum sexuellen Kindesmißbrauch bei.
7 Er ist nicht neu, sondern eine nahezu wörtliche Übernahme der Bestimmungen in den USA; siehe Gigi Nr. 23, „Drei Jahre Knast für künstlich erstellte Kinder“.
8 Wie schon zu jenem Zeitpunkt höchstrichterlich festgestellt worden war, ist die Bundesrepublik nach dem Grundgesetz nicht verpflichtet, Gesetzesvorlagen der EU umzusetzen.
9 http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/BMFSFJ/aktuelles,did=115254.html
10 http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ /Abteilung5/Pdf-Anlagen/kinderpornografie-daten-fakten,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf
11 Seine Kriterien sind in Gigi Nr. 56, Seite 25, unter „Unanständige Bilder“ aufgeführt.
12 http://www.iwf.org.uk/media/page.195.524.htm
13 Mehr als 80 Prozent der Tatverdächtigen werden, trotz der Tendenz, aufgrund von Indizien zu verurteilen, nicht verurteilt. Das liegt sowohl an der schwierigen Beweislage wie auch an Falschanzeigen.
14 Dazu ausführlich in Gigi Nr. 55 und 56