Es war einmal ein geiler
Autor. Schon als Bub hatten ihn sturmfeste Matrosen und wilde Seeräuber
fasziniert. Sie waren frei von jeglicher Moral und nahmen sich, was sie brauchten.
Am liebsten wäre Klaus Hympendahl selbst so einer geworden. Indes, die
hohe Zeit der abenteuerlichen Seefahrt war irgendwie vorbei, und so mußte
er sich auf seine Phantasie beschränken. Vielleicht hatte er auch einfach
nicht das Zeug zum Seebären. Also fing er an, in alten Büchern zu
stöbern und stieß auf der Suche nach Abenteuern alsbald auf einen
riesigen, funkelnden Schatz erotischen Strandguts, den er sogleich zu bergen
und an seinesgleichen zu bringen suchte. Das dabei entstandene Seemannsgarn
entknotete Lizzie Pricken
Viel ist fabuliert, weniger wirklich erforscht worden über Erscheinungsformen
menschlicher Sexualität auf den Weltmeeren. Natürlich unterscheidet
sich Sex auf hoher See nicht wirklich von dem auf festem Boden, doch die besonderen
Umstände an Bord eines Schiffes schafften seit jeher ein Umfeld, in dem
insbesondere jenseits der Drei-Meilen-Zone vieles möglich war, was an
Land als verpönt galt oder gar gesetzlich geahndet wurde. Und das nicht
nur, weil die Sexualmoral in fernen Ländern sich oftmals auf geradezu
drastische Weise von der im Heimathafen unterschied. So erlebten europäische
Matrosen ihren ersten Aufenthalt in Polynesien als derart traumhaft,
daß die Insel Tahiti von ihnen als zweites Kythera bezeichnet
wurde.1 Türkisblauen Korallenriffen entstiegen leicht bekleidete Schönheiten,
sexuell derart freizügig, daß sie nicht einmal Geld für einen
kleinen Beischlaf an Bord verlangten. Was zum großen Teil daran lag,
daß diese Inselvölker frei von Besitzdenken lebten und somit ein
quasi paradiesisches Dasein führten.
Trip/per
nach Tahiti
Mit
soviel geballter Herrlichkeit konnten die Herren Matrosen jedoch nicht viel
anfangen. Strapaziöse Überfahrten, schlechtes Essen, Alkohol und
Drogen hatten aus der Mannschaft zumeist längst menschliche Wracks gemacht,
die allenfalls ihre niedersten Triebe auslebten, welche mit den Liebeskünsten
der PolynesierInnen keinesfalls zu vergleichen waren. Woher auch? Hympendahl
dazu: Ein damaliger Seemann aus einer der übervölkerten europäischen
Hafenstädte, der fast ein Jahr in einem schmutzigen dunklen Vorschiff
auf vierzig Zentimetern Koje gehaust hatte, dessen Körper und Bekleidung
voller Läuse und Flöhe waren, dem Gestank nichts mehr ausmachte,
weil er daran unter Deck gewöhnt war, der bestenfalls nicht geschlechtskrank
war, der auch bestenfalls nicht mit Gewalt auf dieses Schiff gezerrt worden
war, ein Mann, dem trotz junger Jahre wegen Skorbuts einige Zähne ausgefallen
waren, der bereits durch Kälte und Feuchtigkeit Rheuma hatte (...)
solch ein Mensch war auch als Exot kein schöner Anblick. Und doch
behauptet der Autor nur wenige Zeilen später vollmundig: Die Tahitianer
dachten bei den ersten Besuchern, daß diese Götter wären oder
von Gott geschickt. Jedenfalls nahmen die Frauen die Gelegenheit schnell wahr,
sich mit einem Gesandten Gottes zu vereinen, mit der Aussicht, einen Halbgott
zu gebären.
Vielleicht
war es aber nur Mitleid, welches ihnen im Anschluß, sozusagen als göttlichen
Dank, Gonorrhöe und dergleichen mehr bescherte, denn die wenigsten der
Götter hatten ein Safer-Sex-Kit im Gepäck. Europäer
kannten ab dem 18. Jahrhundert Kondome. Sie wurden aus dem Darm von Ziegen
gewonnen, gesäubert und mit Kleie und Mandelöl eingerieben. Allerdings
waren sie teuer und nur ein wohlhabender Seemann würde sie benutzen (...)
Man verwendete Kondome ausschließlich gegen Ansteckung durch Geschlechtskrankheiten,
nicht wegen der Verhütung; das kam erst im 20. Jahrhundert auf. (...)
Die unehelichen Kinder hießen dann Kegel daher der Begriff Kind
und Kegel.
Sailors
East End oder ein hübscher Kadett für den Gentleman
Daß
es Seemänner waren, die das Sexualleben in den Hafenstädten dieser
Welt prägten, erschließt sich nicht nur an der Geschichte Hamburgs.
Auch in New York, San Francisco und London entwickelten sich beliebte Amüsierviertel,
wobei London im 18. Jahrhundert als wichtigster europäischer Handelshafen
galt. Um das Jahr 1800 machten laut einer von vielen nicht näher
benannten Quellenangaben des Autors unterhalb der London Bridge regelmäßig
über 8.000 Schiffe fest. Bereits damals soll es Kataloge mit Namen, Adressen
und Beschreibung von Ladies gegeben haben, die sich Offiziere und besser betuchte
Seeleute zwecks Liebesdiensten ins eigene Haus einluden. Im Hafen schafften
hingegen viele ehemalige Hausmädchen an, die, je nach Nachfrage, zwischen
der einen oder anderen Dienstleistung wechselten. Die meisten Bordelle und
Stundenhotels lagen demnach im East End; eine der bekanntesten Straßen
trug den bezeichnenden Namen Gin-Lane. Im Jahre 1857 wurden dort
2.825 Bordelle und 8.600 Huren registriert. Offiziellen Statistiken zufolge
suchten die Seemänner immer wieder dieselben Frauen auf. Einige der Sexarbeiterinnen
hielten sich gleich mehrere Ehemänner auf Zeit, um ihr Einkommen
zu sichern. Und es gab offenbar nicht nur Frauen im Angebot. London
war im 19. Jahrhundert auch die Hochburg der Homosexuellen. In den vom
Autor bezeichneten homophilen Edelclubs trafen junge, gutaussehende
und unter chronischem Geldmangel leidende Kadetten auf spendable betagte Gentlemen.
London war angeblich auch die europäische Hauptstadt der so genannten
Flagellomanie; zur Hurenausrüstung gehörten also auch Ruten und
Peitschen.
Etwas
anders ging es auf der Reeperbahn in Hamburg zu, wo man im Panoptikum
neben Darstellungen von Hermaphroditen und Demonstrationen von Geschlechtskrankheiten
durch Gucklöcher die ersten pornographischen Ausstellungen bestaunen
konnte. Im Haus der Schönheitsplastiken bewegten sich Frauen
aller Art hinter der Trennwand vor dem erregten Publikum.
Kindersex
am Hudson River
Von jenseits des Ozeans berichtet Stadtführer Hympendahl: In New York war auch der käufliche Kindersex ein Problem. Besonders Frauen haben ihre Kinder auf den Strich geschickt. Da Kinderarbeit nicht verpönt war, sah man anscheinend dieses Problem anders als heute. Bereits im ersten Kapitel seines keiner erkennbaren Logik folgendem Sammelsuriums deutet er an, daß dies weltweit mitnichten eine Seltenheit war: Prostituierte waren oft im jungen Teenageralter. Da es sich hierbei in der Mehrheit um Mädchen handelte, drängt sich die Frage auf, warum er jene Männer, die sexuelle Dienstleistungen von Knaben erwarben, durchweg als Päderasten bezeichnet, während er das heterosexuelle Pendant als dem angeblichen Geist der Zeit geschuldet darstellt.
Gesamttext nur in der Printausgabe
Klaus
Hympendahl: Sünde auf See. Die erotische Geschichte der christlichen
Seefahrt. Heel Verlag, Königswinter 2005, 175 Seiten, zahlreiche Abb.,
19,95 Euro