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Schweinezählung!

Der alleinlebende Herr K. aus Berlin hatte sich an verschiedenen Universitäten beworben, als er im Herbst in Urlaub fuhr. In der Zeit versorgte die Mutter die Wohnung des Jungakademikers. Im November fand sie im Briefkasten Post aus Bamberg. Wissend um die Bewerbung rief sie ihren Sohn an, der sie bat, ihm den Brief am Telefon vorzulesen. Doch statt von einem Vorstellungstermin in Bamberg erfuhr nun die Familie, was sie nie hatte erfahren sollen: Daß Herr K. schwul ist und einen eingetragenen Lebenspartner hat. Über einen Rosa-Daten-Skandal besonderer Art schreibt Eike Stedefeldt

Der erwähnte Brief trug den Absender des Staatsinstituts für Familienforschung an der Universität Bamberg (ifb), einer dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung nachgeordneten öffentlichen Stelle. Datiert mit „November 2007“, informierte darin dessen stellvertretende Leiterin, Dr. Marina Rupp, Herrn K. und Partner über eine Studie zum Themenbereich „gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften“ – „von der Bundesregierung gewünscht und vom Bundesministerium der Justiz in Auftrag gegeben“. Das ifb versuche nun, „alle Eingetragenen Lebenspartnerschaften zu kontaktieren und für eine Teilnahme an unserer Untersuchung zu gewinnen.“ – „Alle“ stand da, und auf der Rückseite, wie man erfuhr, wo „alle“ wohnen: Man habe „die Meldebehörden in Deutschland gebeten, uns die Anschriften von Personen mit Familienstand ‘eingetragene Lebenspartnerschaft’ zu übermitteln.“ Herrn K.s Bundesland habe dies bewilligt, „weil das ifb als Behörde besonders vertrauenswürdig ist und die Informationen ausschließlich zu wissenschaftlichen Forschungszwecken genutzt werden“. – Ein Outing erster Klasse also für Herrn K., sozusagen im Staatsauftrag. „In den nächsten Wochen“ werde Herrn K. ein/e Mitarbeiter/in anrufen und um Mitwirkung bitten.

Vom Berliner Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten erfährt Gigi, rechtlich sei die Weitergabe von Meldedaten zu Forschungszwecken zulässig. Am Telefon verliest die Behördliche Datenschutzbeauftragte Martina von Kondratowicz eine externe Expertise. Absender: Manfred Bruns, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD). Als ihr schwant, daß dies alles andere als beruhigend ist, reicht sie den Vorgang „wegen der grundsätzlichen Angelegenheit“ an den Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Bereich Recht, weiter.

„Einige Beschwerden“ habe das ifb bekommen, sagt Dr. Rupp am Telefon, die detaillierte Email-Anfrage von Gigi sei aber wohl im Spamfilter des Uni-Servers hängengeblieben. Nach elf Tagen beantwortet sie von acht langen Fragen ungefähr zweieinhalb: daß „es“ mit dem Auftraggeber abgestimmt sei, daß man die Telefonnummern „ausschließlich in allgemein zugänglichen Verzeichnissen recherchiert“ habe und den Datenschutz gewährleiste. „Die Adressen wurden auf Wunsch sofort gelöscht, alle Anschriften werden bzw. wurden schon nach Versand der Briefe gelöscht bzw. vernichtet.“ Bruns’ Persilschein erwähnt sie nicht.

Der gewinnt Brisanz, wenn man weiß, wer ihn ausgestellt hat. Nicht nur, daß Manfred Bruns sich nie davon distanziert, geschweige dafür entschuldigt hat, daß er an §175-Verfahren mitwirkte, also Teil der Homosexuellenverfolgung war, verriet er 1990 auch die bundesweite Kampagne gegen den §175, indem er ohne Not vorschlug, man könne den Paragraphen ja vom Offizial- zum Antragsdelikt herabstufen, sofern die ersatzlose Streichung keine Mehrheit fände. Bruns denunzierte als einziger Homo-Funktionär auch das libertäre Gegenkonzept zur Lebenspartnerschaft damit, Wahlverwandtschaften mit möglichen Mehrfachbeziehungen untergrüben das deutsche Asyl- und Zuwanderungsrecht. Dabei kümmerte ihn nicht, was absehbar war und nun Realität ist: daß binationale Paare förmlich in die Lebenspartnerschaft und ihr ausländischer Partner in multiple Abhängigkeiten vom deutschen gezwungen werden. So führen viele eine rein aufenthaltsrechtlich motivierte Zwangsehe. Zwang spielt ebenso eine Rolle bei Dreierbeziehungen mit einem Hartz-IV-Opfer, das oft nur das Ja-Wort der anderen vor dem Verlust des eigenen Einkommens (ALG II) und totaler ökonomischer Abhängigkeit von ihnen bewahrt.

Steht die Lebenspartnerschaft also schon vom Konstrukt her individueller Freiheit entgegen, stellt ihr Mitverursacher Bruns nun auch noch die informationelle Selbstbestimmung der Beteiligten zur Disposition. Schließlich fragte das ifb nicht grundlos bei jenem Verband nach, der sich bereits qua Namen die Vertretung aller Lesben und Schwulen in Deutschland anmaßt. Das ifb hätte bei grundsätzlichen Einwänden oder auch nur Bedenken des LSVD gewiß davon Abstand genommen, sich die Meldedaten aller eingetragenen (und geschiedenen!) Homos zu besorgen. Daß die Unbedenklichkeitsbescheinigung auf einem Kopfbogen eintraf, der unter dem LSVD-Logo die Privatadresse dessen als „Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof a.D.“ ausgewiesenen Sprechers trug, spricht das ifb nicht frei von politischer Verantwortung für diesen ganz legalen Datenskandal. Ämter und Würden, und seien sie noch so a.D., stellen eben auch gern den Verstand a.D.

Bruns wußte, was er tut. Er schrieb Rupp, „die Eingehung einer Lebenspartnerschaft“ kann „für Lesben und Schwule, die sich noch nicht geoutet haben, ein ‘coming public’ bedeuten“. Ihm war bewußt, daß sie kein coming public sein muß und allein das Paar entscheidet, ob daraus ein coming public wird. „Aber wenn sie sich dazu entschlossen haben, können sie nicht verlangen, daß ihre Lebenspartnerschaft personenstandsrechtlich anders behandelt wird als Ehen.“ Für dieses „Friß oder stirb“ knipste der Paragraphenjunkie mal eben das Hirn aus. Einerseits zitiert er zuerst das erst 2009 in Kraft tretende neue Personenstandsgesetz, wonach anderes nur gelte, wenn „durch Auskunft aus einem oder Einsicht in einen Personenstandseintrag eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Belange erwachsen kann“, um dies dann für Lesben und Schwule nur gelten zu lassen, „wenn sie bei katholischen Einrichtungen beschäftigt sind“. Andererseits weiß ein Profi wie Bruns, daß, was personenstands- oder auch melderechtlich legal ist, datenschutzrechtlich sehr wohl fraglich sein kann.

Warum war der weltliche Teil des Erdkreises aus LSVD-Sicht plötzlich so frei von allen zur Existenzbegründung des Verbandes sonst so wichtigen Diskriminierungen, ja sogar von antischwuler Gewalt? Warum wischte Bruns so mir nichts, dir nichts alle Gedanken über persönliche Freiheiten und schutzwürdige Belange der angeblichen Kernklientel vom Tisch? – Weil es dem LSVD als Verband nutzt.

Verbandsegoismus statt politisches Denken

Eines seiner Hauptprojekte ist die bundesweite „Initiative lesbischer und schwuler Eltern“ (ILSE) für die rechtliche Anerkennung sogenannter Regenbogenfamilien, insbesondere eines gemeinsamen Adoptions- und Sorgerechts für eingetragene Paare. Das ist ILSE aber nicht dank des hehren, wegen der starken Homo-Ehe-Fokussierung („geordnete Verhältnisse“) weniger von Kindeswohl als Erwachseneninteresse geprägten Ziels. Vielmehr trägt ILSE in hohem Maße zum Erhalt einer funktionstüchtigen LSVD-Gesamtstruktur bei. Neben den „Migrantenprojekten“, verlautbaren die Verbandstage regelmäßig, sei ILSE das, wofür man noch am ehesten Subventionen erhalte – bei ILSE aus dem CDU-geführten Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Eine seltsame Konstellation, ist doch unter Ursula von der Leyen kaum damit zu rechnen, daß das Projekt inhaltlich spürbare Erfolge erzielt.

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