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Schwein gehabt

Im Rahmen eines Artikels über die Schweizer Industriellenfamilie Bertarelli erfreute Zürcher Wirtschaftsmagazin Bilanz im Februar seine Leser mit einer schönen Schlagzeile: „Schweinezellen für den Papst“. Dahinter steht eine der bizarrsten Geschichten über Industriebeteiligungen des Vatikanstaates der vergangenen Jahrzehnte.

Der als Helfershelfer der Nazis bekannte Papst Pius XII. erhielt 1953 eine Frischzellenkur mittels Placenta-Zellen des Schweins verpaßt. Zeitgleich beteiligte sich der Vatikan an dem aufblühenden Pharma-Unternehmen Serono der Familie Bertarelli, die praktischerweise im Frischzellengeschäft tätig war. Nachdem Schweinezellen den Stellvertreter Christi auf Erden wieder munter gemacht hatten, konnte er sich erneut seinen irdischen Geschäften widmen. Hierzu zählten unter anderem Erlasse gegen die künstliche Befruchtung, Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe und die Verarbeitung menschlicher Gewebeteile zu medizinischen Zwecken. Für letzteres gab es schließlich Schweine, wie Pius XII. selbst am besten wußte.

Die prosperierende Firma Serono jedoch erregte in den folgenden Jahrzehnten großes Aufsehen durch die Verarbeitung von Vorhäuten beschnittener jüdischer Knaben mit dem Ziel, ein Mittel gegen Multiple Sklerose (Markenname „Rebif“) zu entwickeln. 1968 warf Serono – zeitgleich zur Anti-Empfängnisverhütungs-Enzyklika Humanae Vitae – das Kontrazeptivum „Luteolas“ auf den Markt. Daneben sammelten die Laborleiter hektoliterweise Frauenurin aus katholischen Klöstern ein, um daraus das Medikament „Pergonal“ zu entwickeln. Eine Pergonaltherapie ermöglichte 1978 die Geburt des ersten Retortenbabys. Das ließ die Kassen in Rom klingeln und verschaffte den Aktionären im Priestergewand genügend Munition zu Propagandaschlachten gegen den Werteverfall im christlichen Abendland.

Aus Gründen der Steuerersparnis – und nicht etwa wegen ideologischer Hemmnisse – trennte sich der Vatikan bis Ende des Jahrzehnts dann wieder von seinen Mehrheitsanteilen. Die hierzu nötigen Verhandlungen leiteten der sizilianische Steueranwalt, Waffenschieber und Drogengeldwäscher Michele Sindona und der Vatikan-Anwalt Roberto Calvi. Ersterer starb 1986 unter mysteriösen Umständen in einer römischen Gefängniszelle, letzterer war 1982 erhängt unter der Blackfriars Bridge in London aufgefunden worden.

Florian Mildenberger