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Na dann viel Spaß am Schmollerplatz!

Was reiche Homos unter Toleranz verstehen. Von Eike Stedefeldt

Gibt es eigentlich legitime private Gründe und verständliche Motive, Wohneigentum anzustreben? Gewiß. Im Kern lassen sich diese durchweg auf (absehbar) prekäre soziale Situationen sowie Zukunftsangst zurückführen. Man denke, als Beispiel, an den frühverrenteten, kinderlosen schwulen Mittvierziger mit HIV. Mit einer gerade das Existenzminimum deckenden Erwerbsminderungsrente, im Blick die rasante Privatisierung von Gesundheitsrisiken durch immer zynischere „Reformen“, ist ihm kaum vorzuwerfen, wenn er das ererbte elterliche Vermögen in eine selbstgenutzte Wohnung investiert. Sie wird ihn im Alter von (steigenden) Mietzahlungen entlasten und ein Minimum an Sicherheit bieten. Das Erbe in Sachwerten anzulegen, wird ihm bei der dem Kapitalismus wesenseigenen Krisengefahr mit (Hyper-)Inflation ohnehin als klüger erscheinen, als es Banken zu überlassen und sechsstellige Buchwerte anzuhäufen, die man letztlich nicht essen kann und die im Zweifelsfall kaum mehr den Wert des Papiers haben, auf dem sie einst verbrieft wurden.

Wählt unser Beispielmann diesen Weg, so liegt der Fall „Wohneigentum wegen krankheitsbedingter Einkommensarmut“ vor. Wohnt er zudem in einem Gentrifizierungsgebiet und erwirbt er seine dortige Mietwohnung, weil er sich eben nicht von Besserverdienenden vertreiben lassen will, ist er schwerlich mit jener „Elite“ gleichzusetzen, die Immobilien aus exakt dem gegenteiligen Grund kauft: Weil sie gerade nicht einkommensarm (Versagertyp), sondern -stark (Gewinnertyp) ist und das auch durch gehobenen Lifestyle oder räumliche Abschottung von „Unterschichten“ zeigen möchte. Logisch, daß beides zusammenhängt: „Reicher Mann und armer Mann standen da und sah’n sich an. Und der Arme sagte bleich: Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.“ (Brecht)

An welche Klientel richten sich nun „queere“ Projekte wie „anders wohnen – Baugruppe Schmollerplatz“ GbR in Berlin-Treptow? Das zeigt der Blick auf die Initiatoren. Claudia Ostwald und Ralf Großbongardt wollen „in einem sonnigen Haus mit sympathischen Bewohner/innen“ wohnen, „ruhig gelegen, am liebsten mit ein bißchen Garten“, aber „zentral mit guter Infrastruktur“ und „nicht so teuer in der Anschaffung und ökologisch nachhaltig im Betrieb“. Allerdings bedarf die „Unabhängigkeit in einer netten Gemeinschaft, in der unterschiedliche Lebensentwürfe realisiert werden können“, reichlichen Kleingelds, womit garantiert wäre, daß das Duo unter seinesgleichen bleibt. Ostwald als „Architektin und Wirtschafts.-Ing. mit langjähriger Erfahrung im Bereich Entwicklung und Management von Immobilien“ verdient ihr Müsli als „Asset-Managerin eines Immobilienfonds“, sprich: mit den Geldanlagen Wohlhabender. Ihr 1961 in Köln geborener Kompagnon, ebenfalls „Architekt und Immobilienfachwirt“, verweist auf „langjährige Erfahrung im Bereich Projektmanagement“ – etwa als stellvertretender Projektleiter Projektsteuerung beim Bau des Bundeskanzleramts (Großbongardt wirbt mit „Baukosten: ca. 265.000.000 EUR“) und des Commerzbank-Service-Centers in Frankfurt am Main („ca. 305.000.000 EUR“) – „und Entwicklung von Alt- und Neubauten“. „Entwicklung von Altbauten“ kann, wie beim „Geschäftsführer einer Projektmanagement GmbH in Berlin“, die lukrative Sanierung der Berliner AOK-Hauptverwaltung heißen; im Regelfall verbergen sich dahinter jedoch Luxussanierung, Mieterhöhungen und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.

„Von queer bis straight, ob Single, verpartnert oder welcher Lebensentwurf auch immer: Wir wünschen uns eine bunte Mischung und ein gutes Zusammenleben mit Toleranz und Rücksichtnahme und vor allem viel Spaß!“ Aber hübsch im Rahmen der eigenen Liga. Dafür rücken Oswald, Großbongardt & Baugruppe den Schmollerplatz-Mietern rücksichtsvoll mit einem vierstöckigen Öko-Glas-Beton-Riegel aus schicken Quartieren von 65 bis 130 Quadratmetern auf die Pelle respektive in den bisher grünen Hof, was ihre Aussicht verstellen und Südfenster verdunkeln wird. Dankbar werden sie ihren neuen „queeren bis straighten“ Nachbarn ein herzliches Willkommen bereiten. – Wenn’s sein muß, täglich.