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Nichts drin

Am 27. Januar 2006 brachte Neues Deutschland (ND) unter dem Titel „Nicht nur Opfertum und Niederlagen“ ein Interview mit dem „Queer Nations“-Gründer Jörg Litwinschuh. Der folgende kritische Leserbrief war der zu DDR-Zeiten gern „Nichts Drin“ genannten „Sozialistischen Tageszeitung“ keinen Abdruck wert.

Wenn das Magnus-Hirschfeld-Institut ein Dreivierteljahrhundert nach seinem Ende erneut als Alibigeber herhält, sind Fragen angebracht. Erst recht nach dem Ende der Planungen zu einer 15 Millionen Euro teuren Magnus-Hirschfeld-Stiftung nach der Bundestagswahl 2002. Rot-Grün hatte damals bekanntlich Wichtigeres, wie die Agenda 2010, zu verabschieden; Homopolitik konnte bei dem Geschäft nur stören.

Jörg Litwinschuh kennt die Spielregeln im Politfilz bestens. Dazu war er zu lange leitender Funktionär des LSVD. Von dem er sich rechtzeitig absetzte, um nun mittels „überparteilicher und überkonfessioneller Grundlage“ einen neuen Anlauf in Richtung 15 Millionen Euro zu nehmen. Seit September 2005 ist dazu der LSVD als grüner Ableger mit zunehmend rechtskonservativen Ausfällen nicht mehr in der Lage (die Grünen in der Opposition). Für diese Sichtweise spricht auch die Besetzung des Kuratoriums mit den „üblichen Verdächtigen“ aus dem grünen Dunstkreis. Einige Alibikuratoren mit anderem Anstrich retuschieren notdürftig.

Hier geht es um nichts anderes als um ein fettes Stück vom finanziellen Kuchen. Neu ist allein die Konkurrenz zum langjährigen Monopolisten LSVD. Doch auch inhaltlich ist Kritik erlaubt. Denn Litwinschuh schiebt Kulissen und behauptet nicht vorhandene Probleme. Überwältigend ist die Forschungsliteratur zur Homosexualität in Ost und West; einige Dutzend Meter Regal lassen sich ohne Probleme füllen. Daß die Homosexualitätsforschung ein Schattendasein friste, ist deshalb eine noch konkret zu belegende Behauptung. Daß die deutschen Lesben und Schwulen seit ca. 1860 eine der weltweit erfolgreichsten Emanzipationsbewegungen hervorgebracht haben – das ist längst Allgemeinplatz und muß nicht mehr „erforscht“ werden.

Ohnehin kümmert „die“ Homosexuellen das Treiben der Funktionäre keinen Deut. Das weiß Jörg Litwinschuh aus seinen LSVD-Tagen ebenso wie um die moderne Kritik am Biologismus und Sozialdarwinismus Hirschfelds, auf den er sich so vehement beruft.

Michael Heß, Münster