Muckefuck
Die melancholische Stimme
erinnert an die frühe Gianna Nannini und klingt insgesamt um einiges
voluminöser. Dafür sind die Melodien des eben in Deutschland erschienenen
Albums eintöniger. Wie Nannini schreibt und komponiert Emanuela Trane,
genannt Dolcenera, ihre Songs am Piano schnörkellosen Poprock,
durch den ihre unschuldige Mädchenstimme kratzt wie brennender Honig.
Weltschmerz, das Gefühl politischer Ohnmacht gepaart mit Liebessehnsucht
sind Thema der jungen Künstlerin, was durchaus symptomatisch ist. Daran
ändern auch musikalische Erfolge beim San-Remo-Festival 2003 oder ein
Sieg in der italienischen Reality-Show Music Farm 2005 wenig.
Nicht mal der Auftritt im päpstlichen Weihnachtsprogramm Natale
in Vaticano, wo das Nachwuchstalent John Lennons Happy Xmas
und Rod Stewarts We are Sailing jubilieren durfte.
Nur, hat man Nannini oder
gar einen männlichen Interpreten je mit einer Tasse Kaffee verglichen?
Dolcenera schon. So will es nämlich das deutsche Label edel records,
das sich marketingseitig wohl auch an Nanninis Erfolgen hierzulande orientiert:
Was ist süß und stark? Natürlich: Ein guter Espresso.
Aber es gibt auch eine Stimme aus dem Land der Kaffeekenner, die mindestens
ähnlichen Genuß verspricht. Genau dieser Reihenfolge: erst
der Kaffee, dann die Sängerin, folgerichtig beschrieben als vitale
Live-Künstlerin mit dem Gesicht eines Engels und dem Teufel im Leib.
Da fällt gar nicht auf, daß sie in einem Lied laut Ankündigung
die Träume der Menschen gegen jede (Markt-) Chance feiert.
Immerhin macht sie in Resta come sei (Bleib wie du bist) einer
lesbischen Freundin Mut. Es sei daher wenig verwunderlich, daß
Dolcenera auch viele Fans in der italienischen Gay Community hinter sich weiß.
Warum die in jeder Hinsicht attraktive Größe des italienischen
Pop das Lied nicht auch jener komischen bayerischen Alten in St. Peter
zu Rom vorsingen durfte, wird nicht nur für die PR-Abteilung in Hamburg
ein Mysterium bleiben.
Lizzie Pricken
Dolcenera: Un mondo perfetto,
edel records, Hamburg 2006, 16,99 Euro