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Lesbe 2.0, platt

Im August 2008 bemühte sich die Berliner Lesbenszene in Scharen dorthin, wo sie sich in Bezug auf ihre gesellschaftliche Relevanz sowieso befindet: ins Museum. Ins Schwule Museum, zur Vernissage des „L-Projekts“ über 40 Jahre L-Politik und L-Kultur. Desungeachtet halluziniert die bundesweite Kampagne eines L-Lifestylemagazins irgendeine L-Bedeutung und posaunt L-Parolen wie „Deutschland wird lesbisch!“

Wollen wir das wirklich? Längst bezeugt doch lesbische PR-Arbeit nur mehr den naiven Hang zur geistigen Verarmung. Hundertjährge Forderungen nach angemessener Bezahlung typischer Frauenberufe (und damit auch Lesbenjobs), nach menschenwürdigen Medienlandschaften oder aktiver Solidarität mit Frauen, die aufgrund ihrer Beziehungen kriminalisiert werden, gehören der Vergangenheit an. Die moderne Lesbe will – die Chefideologinnen einschlägiger Verlage haben es vor Jahren schon erkannt – genauso billig „entertaint“ werden, wie alle anderen braven Bürger/innen. Das Resultat sind Lektüren auf dem Niveau von Gräfinnen- und Ärztinnenromanen.

Fazit: Diese Minderheit als solche erweist sich zu Beginn des neuen Jahrtausends als vollkommen überflüssig und unterscheidet sich nur unwesentlich vom örtlichen Laubenpiepergartenzwergsammlerverein. Allerdings möchte dies keine ihrer Protagonistinnen wahrhaben, schließlich wurde eine Menge investiert. Und während die lesbisch-orthodoxe Gemeinde auf ihren alljährlichen Treffen weiterhin hauptamtlich für die vermeintlichen Interessen von XX-Frauen kämpft, spekulieren einige versprengte, literarisch ambitionierte Fundamentalistinnen auf Reste eines vermeintlich intellektuellen Potentials.

So auch Vilja Limbach in ihrem dieses Jahr erschienenen Buch „Malthus’ Welt“, worin die Autorin frei nach George Orwell die derzeitige Gesellschaftsordnung „konsequent zu Ende denkt“ (Verlagsankündigung). Leider denkt sie – typisch lesbisch? – konsequent nur in eine einzige, geradezu absolutistische Richtung. Daneben wirken selbst Publikationen der Zeugen Jehovas wie fröhliche Gute-Nacht-Geschichten. Limbachs „Sozialfiktion“ könnte düsterer und platter gar nicht sein: Ein Frauenpaar aus der Oberschicht bestellt sich regelmäßig eine zehnjährige Drogensüchtige zum „Fair-Trade-Sex“; eine ehemals erfolgreiche Wissenschaftlerin landet nach einem Unfall auf der Straße und muß für den Rest ihres Lebens betteln, und selbst der gutherzige Lumpen- und Leichensammler Irmo wird am Ende brutal erschlagen. Groteskerweise trägt die böse Herrscherin des Landes, die Großfürstin K., als einzige Figur der Story Züge einer komplexeren Persönlichkeit, alle anderen sind und bleiben (konsequenterweise?) Opfer. Offenbar traut die (übrigens mit der Autorin namensverwandte) Herausgeberin des Romans der „Lesbenbewegung“ nicht mal mehr im Science-Fiction-Format einen emanzipatorischen Willen oder gar revolutionären Einfluß zu. Ja, haben wir denn umsonst gekämpft?

Nein, lediglich unter falscher Prämisse. Lesben sind ebenso wenig wie XX-Frauen, Transen oder Buddhisten die besseren Menschen. Doch solange ihr gesamtes L-Denken und L-Handeln von Identitätsduselei bestimmt wird, sollten sie sich nicht wundern, wenn sie am Ende wieder einmal die Doofen sind.

Lizzie Pricken

Vilja Limbach: Malthus´ Welt. Mäzena Verlag, Bonn 2008, 390 Seiten, 22,95 Euro