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Das Kuscheltier wird 20

Eine Gratulation von Ira Kormannshaus.

Es begab sich 1987, Berlin feierte gerade seine 750 Jahre, da ward ein Bär geboren. Nicht etwa im Zoo, sondern rund einen Kilometer weiter in der Bleibtreustraße, wo seinerzeit der Schwulen-Buchladen Prinz Eisenherz residierte. Der war einschlägiger abendlicher Treffpunkt der damals noch am Zoo stattfindenden Berlinale – man tauschte sich aus oder guckte auch mal einen Film, der nicht im Festival lief.

Die Eltern des jungen Kuscheltiers sind Paul Verstraeten vom Amsterdamer Lesbian & Gay Film Festival und Michael Lumpkin vom San Francisco International Lesbian & Gay Film Festivals, die spontan die für ihre Freunde gekauften Bären-Mitbringsel Pedro Almodóvar für Das Gesetz der Begierde und Gus Van Sant für den Kurzfilm 5 Ways to Kill Yourself überreichten – er war da, der weltweit einzige lesbisch-schwule Preis auf einem A-Festival.

Später gab es der sozialen Eltern viele, vor allem natürlich Manfred Salzgeber und Wieland Speck, aber auch die Internationale Föderation lesbisch-schwuler Filmfestivals, deren Mitglieder lange die Jury stellten, bevor der Teddy e.V. sich anschickte, ein hollywood-ähnliches Ereignis daraus zu stricken, und last but not least die vielen Organisatoren und Helfer der Preisverleihungen. 1992 bekam das Jungtier einen weiteren Vater in Gestalt des damaligen Berlinale-Chefs Moritz de Hadeln – es wurde offizieller Bestandteil des Festivals, die Jury mit entsprechenden Pässen ausgestattet und deren Entscheidungen in der offiziellen Preisliste veröffentlicht. Nachfolger Dieter Kosslick ersetzt mit dem Teddy das leibliche Kind während des Festivals. Nicht zu vergessen Ralf König, der mit seinem Entwurf eines „richtigen Preises“ aus dem Kinderspielzeug einen Jugendlichen machte.

Trotz vieler Verluste durch AIDS in den 90ern – Manfred Salzgeber, Derek Jarman, Phil Zwickler, Marlon Riggs, um nur einige zu nennen – war das lesbische/schwule Filmschaffen und -zeigen aber nicht mehr aufzuhalten. Laut Joachim Post von den Hamburger Lesbisch-schwulen Filmtagen wurden in den 80ern vielleicht 25 bis 50 interessante lesbische/schwule Filme pro Jahr (weit überwiegend in Nordamerika) produziert und auf maximal 25 Homo-Festivals gezeigt, während es heute um die 300-400 lesbisch-schwul-trans-bi-Filme (auch aus Osteuropa, Asien, Afrika) sind und derzeit ca. 150 Festivals (80 Nordamerika, 60 Europa, 10 außerhalb – die Zahl steigt ständig). Zahlreiche Filmreihen hier und dort noch gar nicht mitgezählt.

Filmemacherin Jenni Olson, eine der führenden Expertinnen auf dem Gebiet, beobachtet ein zunehmendes Wettrennen zwischen „einschlägigen“- und regulären internationalen Festivals um die interessanten Streifen. Das gilt insbesondere für solche mit Crossover-Appeal wie Puccini for Beginners, The Dying Gaul etc. Und sie lassen auch reguläre Kinokassen klingeln. Teddy-Gewinner Hedwig and the Angry Inch spielte in den USA über 3 Mio. Dollar ein, der australische Kultfilm Priscilla – Queen of the Desert über 11 Mio., sein grottiges US-Remake To Wong Foo, Thanks for Everything! Julie Newmar gar 36 Mio., Desert Hearts, einer der ersten Filme von, für und über Lesben, brachte es auf knapp 2,5 Mio. Wenig erstaunlich sind Großproduktionen die richtigen Abräumer: In & Out 63 Mio., Philadelphia 77 Mio. und Birdcage gar 124 Mio US-Dollar. Axel Schock listet für Deutschland nach Kinobesuchern: Der Schuh des Manitu 11,6 Mio., Der bewegte Mann 6,8 Mio., In & Out knapp 2 Mio., Priscilla – Königin der Wüste knapp 200.000, Ozons Teddy-Gewinner Tropfen auf heiße Steine knapp 15.000. Weitere Verbreitung erfährt Einschlägiges nicht nur über Video, DVD und TV-Ausstrahlungen, sondern neuerdings auch Downloads.

Das alles lag sicher nicht nur am Teddy, aber zweifellos hat das Lebenswerk des 1994 viel zu früh verstorbenen Manfred Salzgeber – das Panorama als gute Adresse für lesbisch/schwulen Film, der Verleih Edition Salzgeber und der Teddy – entscheidende Impulse gegeben für den enormen Fortschritt im Filmbereich. Während das diesjährige Jurymitglied John Badalu Salzgebers Beispiel in Indonesien folgt, führen hier andere Leute seine Arbeit fort.

Ein runder Geburtstag erfordert schließlich ein spezielles Geschenk, und das wird die „Queer Academy“ sein. Keine Akademie der Greise und zurücktretenden Präsidenten, sondern das Gedächtnis des queeren Films. Alles rund um ihn herum – Drehbücher, Filme, Töne, Bilder, Texte – zu recherchieren, zu digitalisieren, auch durch Veranstaltungen in Kontexte zu stellen und öffentlich zugänglich zu machen wird Aufgabe dieser Akademie sein. Wie die Jury 1996 ihren Spezialpreis an Jerry Tartaglia für die Restaurierung der Filme von Jack Smith begründete: „Zehn Jahre TEDDY und 101 Jahre Kino – Grund genug, sich über das große Problem des Erhalts und der Aufbewahrung unseres visuellen, kollektiven Erbes Gedanken zu machen. Jack Smith, die wilde, als Mann geborene Meerjungfrau und Mondgöttin des ‘Queer Cinema’, hat mit Camp und dem Glauben an die demokratisierende Kraft des Glamours das lesbische und schwule Kino, wie wir es heute kennen, weitgehend inspiriert.“ Begonnen wird mit den 60 Teddy-prämierten Filmen der letzten 20 Jahre – öffentliche Förderung vorausgesetzt.