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Homo-Mahnmal


Welche Demokratie? Ein Kommentar nach Redaktionsschluß

Am 20. Juni 2008 verabschiedete der Bundestag außer dem vom Boulevardmob herbeigeschriebenen Gesetz zur nachträglichen Sicherungsverwahrung jugendlicher Straftäter auch sich selbst von jedem Restverdacht sexualpolitischer Progressivität.

Wurde die Jugend-Schutzhaft in der Presse breit rezipiert, ging das parallel durchgewinkte „Gesetz zum Schutz Jugendlicher vor sexueller Ausbeutung“ fast unter. Unter dem Vorwand der Umsetzung eines EU-Rahmenbeschlusses unternahm Schwarz-Rot einen weiteren Schritt in Richtung repressiver Überwachungsstaat auf sexualrassistischer Basis: Bedenkt ein/e Über-18-Jährige/r eine/n Unter-18-Jährige/n in irgendeiner Weise mit materiellen Gütern, die in einem nicht näher definierten Zusammenhang zu sexuellen Handlungen stehen könnten, macht er sich ab sofort strafbar. Die Änderung des Pornographiegesetzes wurde notgedrungen gleich mit beschlossen: Sexuell deutbare Darstellungen „echter“ Jugendlicher zwischen 14 und 18 Jahren sind grundsätzlich verboten, ihre Weiterverbreitung sowieso.

Ein Hohn, daß Bundesjustizministerin Zypries laut 123recht.net erklärte, „kein Jugendlicher, der seine Sexualität entdeckt und sie im sozialadäquaten Umgang mit Partnern erprobt“, müsse nun gleich den Staatsanwalt fürchten: In der Realität ist das Paragraphenwerk eine Mixtur mit weitreichenden Folgen. Die Prostitution wird weiter kriminalisiert, zugleich werden sexuelle Kontakte zwischen willkürlich zu Erwachsenen und Nicht-Erwachsenen deklarierten Personen strafrechtlich belangt. Dieser tiefe Eingriff in die Privatsphäre öffnet dem Blockwartunwesen Tür und Tor.

Einmal mehr spuckt die Gesetzesmanufaktur nur Bausätze aus, an denen sich handwerklich begabte Staatsanwälte und Richter im kreativen Playmobilbau üben dürfen. Langwierige und teure Gerichtsverfahren samt der damit verbundenen Zerstörung von Existenzen erst werden letztlich erweisen, wo das Urlaubsvergnügen endet und Pornographie und Prostitution anfangen.

Das Gesetz allein ist schon bemerkenswert in seiner Intention, doch es steht im Kontext viel weitergehender, insbesondere im Bundesinnenministerium geschmiedeter Pläne: Onlineüberwachung, verdachtsunabhängige Erfassung, Speicherung und Weitergabe personenbezogener Daten und parallel dazu all die Gesetzesinitiativen zur Stärkung gebärfreudigen Familie.

Überspitzt ließe sich formulieren, daß am 20. Juni endgültig der Weg zurück in die Zeit des §175 betreten wurde. Eingeschlagen aber wurde der Kurs viel früher: unter Rot-Grün. Damals wie heute erstarren Homopolitiker und die in ihrem Umkreis verursachten Anzeigenfriedhöfe in tiefem Schweigen: Für staatlich geprüfte Homos, die nur mit „echten“ Erwachsenen ficken und erst als solche überhaupt bemerken, daß das Ding zwischen ihren Beinen zu mehr taugt als zum Urinieren, gibt es schließlich die Lebenspartnerschaft, einen scheinbar sicheren Kokon im Feindrechtsstaat. Das Schicksal der heute mit ihrer sexuellen Selbstfindung beschäftigten Jugendlichen interessiert nicht. Zudem betrifft das Gesetz ja nicht offiziell vor allem die Nicht-Heterosexuellen. Als gäbe es strafrechtliche Verfolgung durch übereifrige Beamte, Nachbarn oder selbsternannte Kinderschützer immer nur dann, wenn das Privatpogrom bis ins Detail gesetzlich geregelt ist..