Heim
& Herd
Keine Peinlichkeit wurde ausgelassen bei Verleihung desTeddy-Filmpreises.
Vor Ort war Dirk Ruder
Der
Teddy führt mich zum Flughafen Tempelhof. Nazi-Architektur, 1934 erbaut
aber kein Hinweis auf die 21. Verleihung des lesbisch-schwulen Berlinale-Filmpreises.
Lesbisch-schwul ist sowieso falsch. Der Teddy ist vollbärig
geworden, kalauerte eine Zeitung, er nennt sich jetzt Queer Film Award.
Wer die Schleichwege zum Hangar 2 nicht kennt, rennt erst einmal in den Haupteingang
und steht unversehens in Ernst Sagebiels NS-Ehrenhalle, die trotz
diverser Verschleierungen immer noch aussieht, als würde jeden Moment
der Führer landen. Schnell weg hier.
Ein
paar hundert Meter östlich dieser Walhalla lobt später Annette Gerlach
den Teddy doppelt gemoppelt als den weltweit bedeutendsten schwulen,
lesbischen oder transidentischen Filmpreis mit queerem Inhalt. Überstand
die ARTE-Dame das Moderatorencasting nur wegen ihrer lesbischen Schwester?
Heute außer Form, vergißt sie den The-Winner-is-Umschlag
im Off und versagt ganz bei der Verleihung des Special-Teddy an Helmut Berger:
Man hat mir gesagt, ich soll Ihnen keine Fragen stellen, weil man nicht
so genau weiß, was sie dann antworten! Mühsam formuliert
der von Drogen, Alkohol und Liebeskummer gezeichnete Mime einen klaren Satz:
1968, als Luchino (Visconti, Bergers Regisseur und Liebhaber
Gigi) und ich Die Verdammten drehten, wäre ein solcher
Preis nicht möglich gewesen nicht mal für Pasolini.
Gerlach
und ihr Kollege Gustav Hofer bugsieren den Lallenden in einen Sessel und drücken
ihm was gute Moderatoren niemals tun ein eigenes Mikrophon in
die Hand, mit dem er sich um Kopf und Kragen redet. Johlen im Publikum. Als
einzigen Dandy des deutschsprachigen Films hatte ihn noch das
Programmheft zur Preisverleihung gefeiert, als außerordentlichen
Repräsentanten des Queer Cinema vereinnahmt und den Tribut mit
einem blöden Helmut wir lieben dich! gekrönt. Berger
soll für sein Lebenswerk geehrt werden, aber hier wird der brillante
Darsteller des Bayernkönigs Ludwigs II. auf offener Bühne gedemütigt
und schließlich im Hohngelächter einer vielhundertköpfigen
Film-Society ertränkt.
So
plätschert ein mörderischer Abend dahin. Für die Gewinnerfilme
bleibt wenig Zeit, denn Promis und Politiker fordern ihr Recht, wenn ARTE
den Abend schon komplett aufzeichnet. Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit
sagt, wie toll Berlin ist und erst die Berliner Homos. Ein schwuler Bundestagsabgeordneter
zeigt die Stelle, wo ihn in Moskau was am Kopf traf. Dasselbe auf Großleinwand
in Zeitlupe davor Bilder einer Hinrichtung im Iran. Its all the
same. Weil der Teddy Award laut Hofer also a politically event
ist, bekommt das Publikum dann noch zwei vom schwulen Berliner Antigewaltprojekt
Maneo verantwortete Spots zu sehen, die handwerklich bei weitem überzeugender
sind, als die Gewaltstatistiken des Projekts.
Dazwischen
eine famose Ingrid Caven, der charmante Javier Bardem, ein Moderator vom französischen
Schwulenfernsehen, sowie ein Schauspieler, den Sie zuletzt in Mein
Führer bewundern konnten (Hofer). Dann singt unterm Künstlernamen
Übermutter eine Hilda Brand alias Lucy van Org ihren neuen
Hit, der im Refrain Heim und Herd/Goldes wert gipfelt. Einzelne
Buh-Rufe gelten eher nicht dem Kostüm. Frau Brand trägt schwarze
Uniform. Vor 1945 wäre sie darin auf Hitlers Flughafen kaum aufgefallen.
Der Hangar schlecht beheizt, die Akustik mäßig, die Getränke zu teuer, sich den Abend schönzusaufen und auf dem Videoscreen von den prämierten Filmen nichts zu erkennen, weder Stimmung noch Glamour, aber Sponsoren: Den Preis für den unübersehbar alkoholkranken Helmut Berger sponserte ausgerechnet Berliner Pilsener, den neuen Zuschauerpreis Teddy Ballot gibt´s mit freundlicher Unterstützung vom einstigen NS-Profiteur VW. Hinter dieser Kulisse verschwindet am 16. Februar 2007 der wichtigste sexualpolitische Preis der cineastischen Welt. Schnell weg hier.