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Knoten wie Grace Kelly


Schlechte Nachrichten nicht nur für Grace-Kelly-Fans: Das für die Justiz im „Dritten Reich“ charakteristische Täterprinzip erlebt derzeit eine flächendeckende Renaissance. Während das demokratische Rechtssysteme kennzeichnende Tatprinzip eine Tat als Tat ahndet – Mord als Mord oder Vergewaltigung als Vergewaltigung, und zwar unabhängig davon, wer die Tat beging –, geht das repressive, diktatorischen Regimes eigene Täterprinzip davon aus, daß eine Tat und vor allem deren Schwere sich in erster Linie aus der Person des Täters ergebe. So stellt ein Quelle-Katalog zum Beispiel ein harmloses Printerzeugnis dar. Im Besitz eines pädophilen Mannes jedoch kann er nach der (unter Fachleuten nicht ganz unwidersprochenen) Ansicht der Bundesregierung zum kinderpornographischen Tatwerkzeug mutieren. Weil ein Beschuldigter eventuell ein besonders schlimmer Finger ist, sind unter Umständen auch Dinge schlimm, die er besitzt. Dadurch wiederum wird allein der Besitz durch den Tatverdächtigen zur Tat.

Auch die staatlich geförderten schwulen Anti-Gewaltprojekte haben sich dem Täterprinzip schon seit Jahren verschrieben: Eine Beleidigung unter Heterosexuellen ist schlicht eine Beleidigung. Ist der oder die Beleidigte jedoch homosexuell, stricken die Gewaltprojekte aus einer mehr oder minder fiesen Bemerkung in der U-Bahn nicht weniger als ein antischwules „Haßverbrechen“. Und das allein aufgrund der – in der Logik der Antigewaltarbeit die Tat verschlimmernden – heterosexuellen Orientierung des Beleidigers (vgl. „Pubertätsmystik“, Seite 20 in diesem Heft).

Was die vor 25 Jahren, am 14. September 1982 in Monte Carlo tödlich verunglückte Hollywood-Diva und Fürstin von Monaco mit dem Täterprinzip zu tun hat? Mit Hilfe des Täterprinzips konnten die Richter des Verwaltungsgerichts Düsseldorf an Grace Kellys Art, das Tuch zu tragen, ein eindeutiges Bekenntnis zum muslimischen Glauben – im heutigen Verständnis: Frauenunterdrückung und Bombenterror – ablesen. So entschied das Gericht Mitte August, daß einer Lehrerin an staatlichen Schulen auch ein im Grace-Kelly-Stil geknotetes Kopftuch nicht erlaubt ist. Die Hauptschullehrerin, eine Deutsche namens Brigitte Weiß, war 1994 zum muslimischen Glauben übergetreten. Sie ist als stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland auch dessen Frauen(!)beauftragte. Die Ruhrgebiets-Tageszeitung NRZ berichtete: „Lange trug sie das Kopftuch nur außerhalb der Schule, seit 2006 bindet sie es auch im Unterricht um.“ Dabei verknote sie die Enden im Nacken nach eigenen Angaben „wie Grace Kelly im Cabrio“ und lasse den Hals sichtbar. Doch das Gericht folgte dem ausdrücklichen „Kompromißangebot“ der Lehrerin nicht. Denn das im Kelly-Stil geknotete Kopftuch „erwecke einen gleichartigen Einruck“ wie ein muslimisch geknotetes, sei folglich „als Erkennungsmerkmaleiner religiösen Überzeugung“ zu werten und damit eine verbotene religiöse Bekundung im Schulunterricht (Az: 2K 1752/07). Bereits im Juni hatte das selbe Gericht einer Lehrerin das Tragen einer Baskenmütze untersagt. Vorm Verdacht, mit der gewalttätigen baskischen Untergrundorganisation ETA zu sympathisieren, rettete die Deutsche ihre türkische Herkunft und die Tatsache, daß sie vorher stets ein Kopftuch trug. Während die Pädagogin betonte, die Kopfbedeckung als Ausdruck ihrer Individualität zu tragen, wähnte die zuständige Bezirksregierung ein Kopftuch-„Surrogat“. Es komme dabei nicht auf die Einstellung der Lehrerin an, sondern auf den Eindruck nach außen.

Mit dem äußeren Eindruck rang dieser Tage auch Hayrünnisa Gül, die Frau des designierten türkischen Staatspräsidenten. „Schließlich wird Frau Gül (in dem formal streng laizistischen Staat – Gigi) die erste türkische First Lady mit Kopftuch sein und will ein versöhnliches Signal an all jene Türken senden, die in dem Tuch ein Symbol des politischen Islam sehen“, für den ihr konservativer Mann stehe, kommentierte die NRZ am 22. August. „Deshalb schaut sich die 42-Jährige nach Alternativen zu ihrem derzeitigen ‘Türban’ um, der nicht nur Haare, sondern auch den Hals bedeckt und nur das Gesicht freiläßt (gemeint ist: frei läßt – Gigi). Der in Wien lebende türkische Modemacher Atil Kutoglu berät Frau Gül ... und nannte jetzt Beispiele für einen staatsverträglichen Kopftuchstil. Demnach könnten Filmstars wie Sophia Loren oder Catherine Deneuve zu Vorbildern werden.“ Der Hals und sogar der Haaransatz blieben dann frei. „Wie weit die fromme Muslimin gehen will, ist aber offen ... Der ‘Türban’ gilt als islamistisches Symbol, weil er kein einziges Haar frei läßt und damit sogar strenger wirkt als die lockeren Kopftücher im Iran. Damit wenden sich ‘Türban’-Trägerinnen aus Sicht der türkischen Kemalisten frontal gegen das Erbe von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk, der die Befreiung der Frauen aus der islamischen Verschleierung gefordert hatte ... Würde Gül sich für ein lockeres Halstuch im Stil von Sophia Loren entscheiden, wäre das eine Sensation“, so das Blatt. – Als nächstes wird die Muslimin sich wie die Loren, die Deneuve und die Kelly ein flottes Cabrio zulegen müssen, um dem Täterprinzip zu entkommen.

Dirk Ruder