Bevor
in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts die Diskussion um die Frage des
sozialen Geschlechts im Vergleich mit dem biologischen entbrannte, reduzierte
sich die Identität Frau fast ausschließlich auf ihre
Gebärfähigkeit. Solche, die keine Kinder bekommen konnten oder wollten,
waren keine wirklichen Frauen, unverheiratete wurden noch im Greisenalter
Fräulein genannt, während lesbische als Mannweiber galten.
Selbst jene biologisch weiblichen Wesen, die brav ihre Mutterpflichten für
Volk und Vaterland erfüllten, galten noch lange als dem Manne (nicht
nur) körperlich unterlegen, selbst als längst bekannt war, daß
mitnichten der männliche Samen allein für die Fortpflanzung verantwortlich
ist. Hatte doch ihr vermeintliches Defizit unabhängig vom Gebären
eine viel grundsätzlichere Basis, die alle biologischen Frauen betraf:
das monatliche Menstruieren.
Das Rätsel
um die wiederkehrenden Blutungen ist bis heute das wohl größte
Tabu der modernen Zivilgesellschaft. Die Gründe dafür suchen Sabine
Hering und Gudrun Maierhof in ihrer Abhandlung Die unpäßliche
Frau im geschichtlichen Kontext zu erfassen, denn für sie deckt
die Beschäftigung mit den Mythen und Irrlehren über die Menstruation
nicht nur einen Teil der Medizingeschichte auf, sondern läßt auch
bedeutsame Aussagen über die Entwicklung des Frauenbildes zu.
Das soziale
Wesen der Frau wurde seit Anbeginn der überlieferten Geschichtsschreibung,
egal ob im positiven oder negativen Sinne, praktisch ausschließlich
im Kontext von Blut und Boden sprich, Mensis und Leibesfrucht
definiert. Selbst als der Hamburger Arzt Dr. Alexander 1841 vergleichsweise
nüchtern das Phänomen der Menstruation erstmals als reine Körperfunktion
beschreibt und so das Zeitalter der modernen Gynäkologie einläutet,
gibt es nicht nur im Volksglauben, sondern auch bei Wissenschaftlern noch
genügend Vorurteile vor allem bezüglich der Gefahren, die
von einer Menstruierenden ausgehen. So wurden noch in den 60er Jahren des
20. Jahrhunderts Mitarbeiterinnen einer süddeutschen Fotofirma entlassen
oder versetzt, da sich ihr Menstrualschweiß beim Entwickeln mit den
Silbersalzen verbunden habe und dadurch schwarze Flecken auf den Bildern aufgetaucht
seien. Dabei hatte bereits 1958 der Arzt Burger endgültig den Mythos
vom hochgiftigen Menstrualblut entzaubert. Doch der jahrhundertalten Indoktrination
durch Ärzte, Wissenschaftler und Philosophen war auch mit Logik nicht
leicht beizukommen.
Seit der
Antike hatten sich schließlich diverse Fachmänner hervorgetan,
die stetig neue Wahrheiten (er-) fanden und damit die Mär vom verderblichen
Weib am Leben hielten. Etwa der berühmte Paracelsus, der noch im 16.
Jahrhundert felsenfest behauptete: Es gibt kein Gift in der Welt, das
schädlicher ist als das menstruum. Schon viele vor ihm hatten gewaltig
geirrt. Aristoteles hatte wohl gerade am Brunnen vor dem Tore gesessen, als
er schrieb: Wenn die Blutgefäße voll sind, wird ein Überfließen
unumgänglich, und dieses Überfließen ist die Menstruation.
Auch der Mathematiker Pythagoras sah, ähnlich wie die berühmtesten
Ärzte der Antike, Hippokrates und Galen, darin eine Entleerung
überschüssigen Blutes.
Es war
der römische Denker Plinius (23-79 n. Chr.) der überhaupt erst den
Mythos vom unreinen Blut aufbrachte, was in der Folgezeit nicht nur wie ein
Fluch auf dem weiblichen Geschlecht lastete, sondern unter anderem dazu führte,
die Schwangerschaft als einzig gesunden Zustand einer Frau anzusehen. In dieser
frühen Periode gab es außerdem strenge Vorschriften, um jede Berührung
mit einer Menstruierenden zu umgehen. Frauen mußten sich das Gesicht
mit greller Farbe bestreichen, eine Maske oder besondere Kleidung tragen,
und falls sich ihnen doch zufällig jemand näherte, unrein,
unrein rufen.
Die Kirche
trug von Anfang an ihren Teil bei, den Aberglauben um die Unreinheit
von Frauen gegen sie zu verwenden. Eine wichtige Frage des frühen Mittelalters
war, ob die Frau in diesem Zustand überhaupt eine Kirche betreten und
die heilige Kommunion empfangen dürfe. Und obwohl aus dem Neuen Testament
eindeutig hervorgeht, daß Jesus selbst keine Probleme mit der Nähe
von Menstruierenden hatte, mußte erst der Papst, in diesem Fall Gregor
im Jahre 735, seinen Segen geben: Die Periode sei nicht Schuld der Frau,
sondern verursacht von der Natur. Selbst die kreative Äbtissin
Hildegard von Bingen, die sich gut 350 Jahre später, genauer bis zu ihrem
Tod im Jahre 1179, dem Thema widmete, beugte sich den Zwängen ihrer Zeit
und konstatierte: Als der Fluß der Begierde in Eva eingezogen
war, wurden alle ihre Gefäße dem Blutstrom geöffnet. Daher
erlebt jede Frau bei sich stürmische Vorgänge im Blute, so daß
sie, ähnlich dem Ansichhalten und Ausfließen des Mondes, die Tropfen
des Blutes bei sich behält und vergießt. Immerhin ist bei
ihrer Auslegung das weibliche Wesen noch irgendwie selbst am Prozeß
beteiligt, zumindest durch ihr Begehren, was bald darauf als Anlaß für
die Verfolgung als Hexe genügen konnte.
Die Ahnungslosigkeit hinsichtlich der tatsächlichen Vorgänge beim monatlichen Blutverlust besteht weiter. Nicht zuletzt deshalb wird grundsätzlich zwischen einer normalen, sprich starken, und einer krankhaften Blutung unterschieden, die sich nur schwach äußert oder gar ganz entfällt. Dann müssen natürlich sofort Gegenmaßnahmen getroffen werden, etwa die im 17. Jahrhundert üblichen Dampfbäder und Blutegeln an die Schamlippen (...) und die Anwendung der Elektrizität. Alternativ empfiehlt der Arzt Samuel Adam Jüncken 1744 folgenden Heiltrank: Nimm esels-koth, vermische ihn mit heydelbeer-syrup und wegerich-wasser, und trink davon morgens etliche tage nacheinander.