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Verengte Erblinien


„Herr Beck erklärte daraufhin – sinngemäß –, daß sein Einsatz für NS-Verfolgte auf den Ausgleich der erlittenen Übel gerichtet gewesen sei, nicht auf den Ausgleich von Vermögensnachteilen. Wenn die Wegnahme von Vermögenswerten unentschädigt bliebe, sei dies schon deswegen in aller Regel nicht schwerwiegend, weil die überlebenden Erben, die jetzt Ansprüche stellen, schon dadurch hinreichend begünstigt seien, daß sich durch die Tötung vieler Verwandter in der NS-Zeit die Erblinie auf sie verenge.“

Das Zitat ist einer Eidesstattlichen Erklärung des Notars und Rechtsanwalts Matthias Druba entnommen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag hatte ihn und seinen Kollegen Olaf Oßmann am 13. Januar in Berlin empfangen. Die Anwälte wollten Beck laut Focus (Nr. 9, 24. Februar 2003) „die Entschädigungsforderungen amerikanischer Erben der jüdischen Kaufhausdynastie Wertheim nahe bringen“. Die Nazis hatten Wertheim „arisiert“ und dem konkurrierenden Karstadt-Konzern zugeschlagen.

„So ungeheuerlich erschien Druba“ Becks nach halbstündigem Gespräch gemachte Bemerkung zum „Glücksfall Holocaust“ (Focus), „daß er nach Rücksprache namens seiner jüdischen Mandanten Barbara Principe und Martin G. Wortham (New Jersey/USA) vergangene Woche Strafanzeige gegen Beck bei der Staatsanwaltschaft Berlin erstattete. Der Vorwurf: Volksverhetzung“. Beck bestritt dies freilich gegenüber der Münchner Nachrichten-Illu und drohte seinerseits: „Sollten die ‘Vorwürfe tatsächlich gegen mich erhoben werden, behalte ich mir rechtliche Schritte dagegen vor’.“

„Becks Äußerung ‘erfolgte ohne Zögern – entsprechend der bisherigen Atmosphäre des Gesprächs in ruhigem Ton – und ohne nachträglich sichtbar werdendes Überlegen über das Gesagte’, erklärt Druba in der Anzeige.“ Sollte sie tatsächlich so gefallen sein, entspräche sie Becks bisherigem Agieren. Bereits im November 2000 hatte Tjark Kunstreich im Beitrag „Der grüne Entschädiger“ (Gigi Nr. 10) geschildert, wie Beck überlebende Siemens-Zwangsarbeiterinnen aus dem KZ Ravensbrück brüskierte, stets die Opfer-Ansprüche herunterdrückte oder ihre Geltendmachung im Interesse der deutschen Wirtschaft zu verhindern suchte, die ihn nicht ohne Grund ins Kuratorium ihrer Schlußstrichstiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ aufnahm. Zuletzt fiel Beck durch seinen Gesetzentwurf zur abermaligen Enteignung der nie entschädigten überlebenden Rosa-Winkel-Häftlinge und ihrer Erben auf: in Form der Kollektivierung ihrer Ansprüche zugunsten einer Magnus-Hirschfeld-Stiftung (vgl. Gigi Nr. 20). Als verdienten Lohn für solche vermögenswirksamen Leistungen am NS-Rechtsnachfolger erhielt er am 4. Oktober 2002 das Bundesverdienstkreuz. Letztes Zitat Focus: „Einen Ausrutscher des Grünen-Politikers halten Druba und sein Anwaltskollege für ausgeschlossen.“

Eike Stedefeldt