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Bitter or sweet?


Panik in den Cruising Areas. Eine Geheimorganisation namens Rosa Winkel wütet mit Gewalt und Terror gegen die weitere Ausbreitung der Homosexualität. Kein Park, kein Homo ist mehr sicher vor den heterosexuellen Rächern an der Rainbow-Family, Mord und Totschlag sind an der Tagesordnung – glücklicherweise nur im Film, denn „Rosa Winkel“, von den Macherinnen und Machern als „satirische Horrorphantasie mit aktuellen Bezügen zur Gewalt gegen Schwule“ verstanden, ist einer von gut dreißig Kurzfilmen, die die Medienwerkstatt Wuppertal in den letzten zwei Jahren unter dem Titel „Queer-gefilmt“ auf DVD veröffentlichte. In den Beiträgen geht es, da weit und breit kein Medienpädagoge mit erhobenem Zeigefinger durchs Bild schleicht, munter und direkt zur Sache: Wie komme ich in der Szene am besten an? Eine „kleine Ratgeberin“ für Junglesben verrät’s. Klaus will ficken, aber wie? Die Parodie auf die „Sendung mit der Maus“ zeigt dem Publikum, was der Klaus alles richtig machen muß, wenn er in einen anderen Jungen mal „ganz doll“ von hinten „reingucken“ will.

Zweimal schon trafen sich lesbische und schwule Jugendliche zwischen vierzehn und sechsundzwanzig Jahren unter dem Motto „Queer-gefilmt“ in Wuppertal zu dem bundesweit einzigartigen Video-Workshop unter Regie der Medienwerkstatt. Herausgekommen ist im Jahr 2003 die Sammlung „Queergefilmt 1“ mit zwölf und im letzten Jahr die Quasi-Fortsetzung „Queer-gefilmt 2“ mit siebzehn Kurzfilmen. Die können und dürfen sich, weil handwerklich und inhaltlich meilenweit vom gefürchteten „Hier dürfen unsere Jugendlichen auch mal die Kamera halten!“ entfernt, allesamt sehen lassen. Unterstützt wurde das Projekt unter anderem von der (schwulen) Hannchen-Mehrzweck-Stiftung, der nordrhein-westfälischen Landesarbeitsgemeinschaft Lesben, dem Schwulen Netzwerk NRW und nicht zuletzt der Akzeptanzkampagne „Andersrum ist nicht verkehrt!“ der inzwischen abgelösten rot-grünen Landesregierung. Auch die Wuppertaler Gleichstellungsstelle für Frauenfragen und der kommunale Runde Tisch zur aktiven Minderheitenpolitik für Schwule und Lesben sowie die AIDS-Hilfe gehörten zu den Kooperationspartnern.

Während einige der Beiträge Themen wie Liebe, Haß und Leidenschaft mit selbstironischen Parodien auf gängigen TV-Trash abhandeln, bedienen sich andere eher dokumentarischer oder reportagehafter Formen. So erzählen in dem auf der „Queer-gefilmt 2“-DVD zu findenden Beitrag „Warum soll liebe Tabu sein?“ zwei lesbische Migrantinnen über das Spannungsfeld zwischen Identität und Kultur, in „Haram oder Hallal“ kommen schwule Migranten über „Liebe und Sex zwischen den Kulturen“ zu Wort. Der aus dem gleichen Workshop im vergangenen Jahr stammende Streifen „Trans – Leben zwischen den Welten“ porträtiert den jungen Theo, der sich, im Körper einer Frau, als frauenliebender Transmann (und somit präoperativer Hetero) fühlt.


Der überaus kreative und schützende Freiraum der Wuppertaler Workshops sorgt offenar für streßfreie Coming outs: In einer Reportage für „Queer-gefilmt 1“ ist Theo nämlich noch als lesbisches Mädchen zu sehen. Zu beiden Queerfilmen bietet die Medienwerkstatt übrigens ein Begleitheft mit Textenbeiträgen unter anderem zum „Making of“ an. Insgesamt empfehlen sich die „Queer-gefilmt“-Produktionen somit nicht nur für die Präsentation auf den einschlägigen Homofilm-Festivals oder im Fernsehen, sondern auch (und vor allem) für den Einsatz im schulischen Sexualkundeunterricht.

Das vor dreizehn Jahren vom städtischen Jugendamt aus der Taufe gehobene Medienprojekt Wuppertal dient nach eigenem Bekunden „der aktiven Medienerziehung und dem kreativen Ausdruck jugendlicher Ästhetiken“. Nach der Devise „das bestmögliche Video für das größtmögliche Publikum“ produzieren die jährlich mehr als tausend Teilnehmer von Video-Workshops rund 150 Beiträge – nicht zuletzt zu jugend- oder tagespolitisch aktuellen Themen. Allein im Bereich Sexualität umfaßt die Angebotsliste der Werkstatt – einschließlich der „Queer-gefilmt“-Projekte – zwölf Produktionen, so über das Leben mit AIDS, Mädchen- und Jungensexualität oder über sexualisierte Gewalt. Zu Recht weisen allein die vielen begeisterten Kommentare im Online-Gästebuch von „Queergefilmt“ die Medienwerkstatt als Glanzlicht im Bereich der medienpädagogischen Jugendarbeit in der Bundesrepublik aus: „Cool war auch, daß sich die Filme in ihren Aussagen teilweise widersprochen haben. Es ist eine wichtige Aussage, daß auch Schwule und Lesben zu wichtigen Themen unterschiedliche Meinungen haben können. Ich glaube, das ist vielen Heteros, die ihr Homo-Bild aus dem Fernsehen haben, nicht so klar.“ – Eben drum.

Martin Lentzen

Kontakt: Medienprojekt Wuppertal e.V., Hofaue 59, 42103 Wuppertal, Tel.: 0202/5632647, Fax: 0202/4468692. borderline@wuppertal.de, www.wuppertal.de/borderline.

Die „Queer-gefilmt“-Produktionen (je zwei DVD) sind beim Medienprojekt für jeweils 15 Euro entleihbar. Der Einzelkaufpreis beträgt 40 Euro.