Seit
der Einbringung des Entwurfs eines Antidiskriminierungsgesetzes in den Deutschen
Bundestag am 15. Dezember ist das mediale Echo ungewöhnlich laut,
formuliert es doch keine eigenen Inhalte, sondern Eingriffe in bestehende
Rechtsquellen und Gesetze wie BGB, StGB, Unterlassungsklagegesetz oder das
Gesetz gegen ettbewerbsbeschränkungen. Die Front seiner bürgerlichen
Ablehner sollte aber nicht davor zurückschrecken lassen, eine linke Kritik
zu formulieren. CDU und FDP, der BDI, Arbeitgeber- und Grundbesitzerverbände
mögen ihre Gründe haben, den Entwurf zurückzuweisen. Eine geschlechter-
und sexualpolitische Kritik resultiert aus anderen Standpunkten und deckt
sich nur teilweise und aus anderen Motiven mit denen der genannten Strukturen.
Einige Punkte des geplanten ADG betrachtete unter diesem Einwand Björn Peisker
Sachlich ist zunächst festzustellen, daß der vorliegende Entwurf
weit über die Richtlinien der
EU hinausgeht, die übrigens ganz selbstverständlich davon
ausgehend, daß das zu lösende juristische Problem sich aus den
Eigenschaften des Opfers und nicht denen des Täters ergibt ein
Verbot von Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft und Rasse
vorsehen. (Vom Täter ausgehend, müßte es Diskriminierung
aufgrund rassistischer Vorurteile heißen.) Stattdessen werden
darüber hinaus die Merkmale Geschlecht, Religion oder
Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle
Identität erfaßt und zur Anwendung gebracht. Im Umkehrschluß
bedeutet das eine unterstellbare Diskriminierung de facto jeden Bürgers
(auch Heterosexualität ist gemäß konservativen Identitätskonstrukten
ja eine sexuelle Identität) nach de facto jedem wesentlichen Persönlichkeitsmerkmal.
Der rechtlichen Konfusion werden Tür und Tor geöffnet, auch wenn
Vertreter der Regierungsparteien abwiegeln und das Gegenteil behaupten. Zumal
der Entwurf primär auf Unternehmen abzielt. (Zur Erinnerung: Die Deutsche
Bank ist nach dieser Lesart genauso ein Unternehmen wie der Vermieter
mit vier Apartments oder der Handwerksmeister mit zwei Gesellen.)
Nur
Scheinbedarf
Allgemein
ist zu fragen, inwiefern das eingebrachte Gesetz Scheinbedarfe formuliert
und seinerseits diskriminiert. So erklärte der SPD-Generalsekretär
Olaf Scholz am 11. Februar 2005, daß im Rahmen der bisher geltenden
gesetzlichen Bestimmungen gegen Diskriminierung in den letzten 25 Jahren immerhin
112 Prozesse geführt worden seien, von denen etwa die Hälfte mit
einem Erfolg für die Kläger endete. Warum bedarf es dann derart
weiterführender Regelungen? Hinzu kommt, daß bis heute keine exakten
Zahlen über Diskriminierungen bekannt sind und wohl auch nicht existieren.
Damit erhält das Vorhaben eine außerordentlich wacklige Grundlage.
Beispiele
für Scheinbedarfe finden sich in der Begründung zu den neu einzufügenden
Paragraphen 319 a-e StGB: So wird beispielsweise jemand aufgrund
seiner ethnischen Herkunft nicht zu einem nur einmal stattfindenden Konzert
zugelassen. In solchen Fällen muß die erfahrene Benachteiligung
auf andere Weise ausgeglichen werden. Hierfür kommt nur eine Entschädigung
in Geld in Frage. Eine solche Entschädigung in Geld ließe sich
zwar auch als Schadensersatzanspruch aus allgemeinen Vorschriften ableiten.
Aus Gründen der Transparenz und Rechtsklarheit nimmt Satz 2 diese Rechtsfolge
jedoch noch einmal ausdrücklich auf. Es geht in derselben Textstelle
noch merkwürdiger zu: Ein Fall wäre z. B. ein Mietvertrag,
in dem die Klausel enthalten ist, daß homosexuelle Partner nicht aufgenommen
werden dürfen, wofür regelmäßig kein objektivierbarer,
sachlich zu rechtfertigender Grund vorliegen wird. Aha! Abgesehen von
der Tatsache, im Jahre 2005 zu leben, ist längst kein Vermieter mehr
so blöd, das schriftlich zu formulieren. Im realen Leben werden derartige
Regelungen dazu führen, alle Risikokandidaten sicherheitshalber von vornherein
auszusieben ein klassischer Fall von Verschlimmbesserung. Es wird auch
nur eine Frage der Zeit sein, bis der erste schwule Vermieter seinerseits
wegen Diskriminierung verklagt wird.
Als Beispiel
für neu geschaffene Diskriminierung gilt das der kein Kopftuch tragenden
Frau, welcher (angeblich) der Einkauf beim (islamischen) Fleischer verwehrt
würde. Warum die kein Kopftuch tragende Frau dann nicht einfach zum nächsten
Metzger geht, ist nicht ersichtlich. Statt dessen wird der seinen eigenen
Geboten folgende Fleischer gezwungen, bei ggf. empfindlicher Strafandrohung
gegen seinen Willen zu handeln. Die Schutzwürdigkeit beider Parteien
ist unterschiedlich, kann doch die Frau bequem ausweichen, der Knochenhauer
aber nicht. Akzeptanz und Toleranz wird dies in keiner Weise förderlich
sein.
Es gibt
jede Menge andere denkbare Beispiele: Sich in einen Verein einklagende Personen,
der sich einer Klage seitens nicht berücksichtigter Interessenten ausgesetzt
sehende unternehmerische Vermieter (Ärger und Kosten hat
zunächst er am Hals), unerwünschte Gäste auf einer Privatparty
mit Gewinnerzielungsabsicht (Unternehmerfunktion). Solche Beispiele wird es
bald zuhauf geben in der Praxis passiert das Denkbare bekanntlich früher
oder später mit Sicherheit.
Neu vorgesehen
ist der Straftatbestand Belästigung gemäß Paragraph 319 b
StGB. Auch hier wirkt die Bedarfsgründung als an den Haaren herbeigezogen
beziehungsweise an südafrikanische Apartheid anknüpfend: Zu
denken wäre etwa an den Fall eines Restaurants, das Schwarze zwar bedient,
sie aber entwürdigend behandelt. Auch der Fall eines Vereins einer Berufsgruppe,
die einen homosexuellen Angehörigen dieser Berufsgruppe zwar aufnimmt,
aber z. B. bei Vereinsversammlungen oder der Wahrnehmung sonstiger mitgliedschaftlicher
Rechte herabwürdigt. Worin diese Herabwürdigung bestehen soll,
wird natürlich nicht ausgeführt.
Mit Blick auf die Fassung der ersten Lesung im Bundestag ist man gut beraten,
eine Relevanz für Behinderte und Migranten grundsätzlich zu bejahen,
für andere Personengruppen dagegen kritisch zu prüfen oder von vornherein
abzulehnen. Speziell ist fraglich, inwiefern Lesben und Schwule überhaupt
noch des Schutzes eines ADG bedürfen. Statistiken von Mieterverbänden,
Polizeipräsidien, kommunalen Gleichstellungsgremien rechtfertigen dies
jedenfalls nicht. Der vorliegende Entwurf scheint diesen Bedenken Rechnung
zu tragen, indem Lesben und Schwule im Gesetzestext explizit verschwinden
und unter sexuelle Identität einsortiert werden. (Nur in
dessen Begründung finden sich krude Beispiele mit Lesben und Schwulen.)
Schließlich ist offenkundig, daß das ADG ohne Konsultation der
Szene hinter verschlossenen Türen entworfen wurde. Außerhalb
des Lesben- und Schwulenverbandes LSVD als seinem maßgeblichen Lobbyisten
ist jedenfalls keine homosexuelle Ko-Struktur im Entwurfsverfahren zu finden
ein weiteres Indiz für den fehlenden Bedarf.
Hallo,
Herr Kaiser!
Mit Blick
auf Lesben und Schwule muß einmal mehr die Ablehnung Schwuler bei Lebensversicherungsverträgen
herhalten. (Ein anderes repräsentatives Beispiel betrifft
die Lebensversicherungen Transsexueller.) Auch hier könnte die Sachlage
klar sein: Der Antragsteller bringt ab einer bestimmen Versicherungssumme
gemäß weltweiten Branchengepflogenheiten ein HIV-Attest bei. Ist
es a) positiv, kann kein Versicherungsschutz geboten werden, andernfalls es
dem Gedanken des Risikoausgleichs im Kollektiv zuwiderliefe (die Grundlagen
der Versicherungswirtschaft sind älter als Rot-Grün, LSVD, Volker
Beck und ADG zusammen). Ist es b) negativ, kann der Antragsteller problemlos
auf einen anderen Versicherer ausweichen. Zudem sind weder aus der Fachliteratur
noch vom Ombudsmann noch vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft
(GDV) aussagekräftige Zahlen zum Problem bekannt. Inwiefern die behaupteten
Ablehnungen Einzelfälle sind, bliebe vor einer Beurteilung des Sachverhaltes
zu prüfen. Ferner ist es ohne weiteres denkbar, daß die Ablehnung
aus gewünschten Vertragsinhalten resultiert und nicht aus der Person
des Antragstellers.
Auch mit der Transparenz hapert es gewaltig. Der Entwurf ist ein für die Praxis zu kompliziertes Gesetz, da es verschiedene Abstufungen der Sanktionsfähigkeit vorsieht. Da werden geschäftliche Vorgänge anders bewertet als private Akte beziehungsweise der sogenannte Nahbereich. Daß keine Trennung der verschiedenen Sanktionsstufen erfolgt, dürfte in der Praxis zur verstärkten Anrufung der Gerichte führen. Zudem sind vielfältige Ausnahmen der Gültigkeit des ADG vorgesehen, die den postulierten Zweck konterkarieren. Tendenzbetriebe wie die Kirchen etwa bleiben unberührt, was aus Sicht des Autors auch nicht wünschenswert ist. Die Parallele zur Homo-Ehe ist augenfällig.
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